Psychotherapeutin in der Corona-Krise „Die Krise hat auch positive Effekte“

Wermelskirchen · Das Coronavirus ängstigst die Bürger. Doch die Krise kann in wenigen Fällen auch eine Chance sein, sagt die Wermelskirchener Psychologin Silvina Himmelrath. Erstgespräche mit neuen Patienten gibt es nur in der Praxis. Video-Sprechstunden gibt es nur für Menschen, die bereits in Therapie sind.

 Silvina Iris Himmelrath ist Inhaberin der psychotherapeutischen Praxis auf der Eich.

Silvina Iris Himmelrath ist Inhaberin der psychotherapeutischen Praxis auf der Eich.

Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Silvina Himmelrath kennt Menschen, die den Corona-Shutdown als Erleichterung empfanden. „Ich spreche von Personen, die zuvor das Gefühl hatten, immer etwas machen zu müssen“, erklärt die Diplom-Psychologin, die seit 2013 eine Praxis für Psychologische Psychotherapie auf der Eich betreibt: „Solche Menschen haben oft das Gefühl, im Alltag kaum noch zur Ruhe zu kommen.“ Und nun habe die Pandemie mit all ihren Beschränkungen „von oben verordnet für eine Entschleunigung gesorgt“. Etwas, wozu „manche Patienten von selbst nur nach vielen und langen Therapie-Sitzungen den Mut gehabt hätten“.

Ähnlich verhalte es sich mit der Kontaktsperre: „Für das Gros der Menschen war sie gewiss eine absolut neue Situation und auch eine Belastung.“ Dennoch weiß Himmelrath von „Patienten, die genau diese Restriktion als etwas im Prinzip Wunderbares erlebten“. Für die erfahrene Psychologin, die argentinische Wurzeln hat, aber schon seit Studienzeiten in Deutschland lebt, kommt das nicht überraschend: „Es gibt viele erwachsene Menschen, die sich zum Beispiel verpflichtet fühlen, ihre Eltern regelmäßig zu treffen, obwohl die Begegnungen als enormer Stress empfunden werden.“ Nun dürfen diese Menschen auf Distanz gehen, „ohne sich schuldig zu fühlen“. Das sei „eine erste Erleichterung, auch wenn der dahinter liegende Konflikt damit nicht gelöst ist“. Himmelrath sind weitere Beispiele dafür bekannt, „wie die Corona-Krise bei Patienten zunächst positive Effekte herbeigeführt hat“. Für die Mehrheit und insbesondere für Menschen mit Angststörungen oder Depressionen dürfte die Pandemie mit all ihren Konsequenzen „jedoch ein eher schwerwiegendes Problem“ sein: „Weil Menschen in Krisensituation eigentlich mit dem Bedürfnis nach Bindung und Nähe reagieren.“ In der verordneten Isolation gehe genau das nicht: „Wer es bisher gewohnt war, Ängsten vor dem Alleinsein etwa mit einen spontanen Gang in die Stadt und einem Aufenthalt im Café zu begegnen, kann sich nun schlagartig abgeschnitten fühlen.“ Für Menschen, die zur Depression neigen, könne hieraus „eine gefährliche Situation“ erwachsen. Hochbelastend werde die Krise aber auch, „wenn mit anhaltendem Shutdown die Existenzängste zunehmen oder die forcierte Verlagerung des Lebens in den familiären Bereich Menschen an ihre psychischen Grenzen führt“.

Himmelrath rechnet fest mit Patienten, „die die Corona-Krise erst noch hervorbringen wird“. Für diese Menschen, aber auch für all diejenigen, die bereits vor den Restriktionen in Therapie waren, sei es gut und wichtig, dass Psychotherapeuten auf der Liste der systemrelevanten Berufe stehen und „die Türen zunächst einmal grundsätzlich offenstehen“. Indes seien „die Praxen mitunter schon vor der Pandemie gut gefüllt gewesen“. Dennoch sei es möglich, „sich auch jetzt bei Bedarf um einen Therapieplatz zu bemühen“. Erstgespräche mit neuen Patienten würden allerdings in der Praxis stattfinden: „Video-Sprechstunden, von denen schon einige Patienten Gebrauch machen, gibt es nur für Menschen, die bereits in Therapie sind.“ Erstgespräche, bei denen „der Psychologe oder die Psychologin entscheiden muss, ob eine psychische Erkrankung vorliegt oder ob es sich vielleicht nur um normale Phasen der Kummer oder auch der Trauer handelt“, seien auf digitalem Wege nicht möglich und auch nicht erlaubt. Himmelrath findet das gut: „Immerhin ist es eine enorme Verantwortung, einen Menschen als krank einzustufen.“ Sie stelle sich dieser Verantwortung gerne, könne das wegen ihrer Zulassung aber nur für Erwachsene tun: „Für Kinder und Jugendliche gibt es Kolleginnen und Kollegen, die auf jüngere Patienten spezialisiert sind.“

Wer auch immer erstmals einen Psychotherapeuten aufsucht, sollte eines wissen: „Die Krankenkassen bezahlen nur Psychotherapien, bei denen es nicht um Selbsterfahrung oder den Wunsch geht, sich selbst besser kennenzulernen.“ Auch das findet Himmelrath grundsätzlich richtig: „Wir sind für Menschen da, die leiden und psychisch erkrankt sind.“ Therapie als Lifestyle werde daher nicht von den Krankenversicherungen übernommen und „muss selbst bezahlt werden“.

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