Theater in Wermelskirchen „Das Film-Eck ist so wunderbar geschichtsträchtig“

Interview | Wermelskirchen · Schauspielerin Heike Feist spricht über das Textlernen und den Reiz von realen Figuren als Schreibvorlagen. Donnerstag tritt sie in Wermelskirchen auf.

 Heike Feist spielt morgen im Film-Eck in Wermelskirchen das Stück „Im Bett mit Tucholsky“.    Foto: Kulturverein Wermelskirchen

Heike Feist spielt morgen im Film-Eck in Wermelskirchen das Stück „Im Bett mit Tucholsky“. Foto: Kulturverein Wermelskirchen

Foto: Kulturverein Wermelskirchen

Frau Feist, worauf können sich die Zuschauer im Film-Eck freuen?

Heike Feist Auf einen Womanizer nebst sechs Frauen, die von einer einzigen Frau gespielt werden. Wir sind ja nun schon zum zweiten Mal im Film-Eck. 2019 waren wir mit „Schöner scheitern mit Ringelnatz“ da und hatten eine wunderbare, ausverkaufte Vorstellung. Und auch dieses Mal haben wir wieder einen Künstler im Gepäck, der es in sich hat – Kurt Tucholsky. Ein Dichter, aber auch ein Verführer. Und mit dem gehen wir ins Bett, denn dieses Mal heißt es „Weiberheld – Mit Tucholsky ins Bett“.

Warum haben Sie sich gerade Kurt Tucholsky und seinen Frauen gewidmet?

Feist Ich las in vielen Biographien, dass Tucholsky als kleiner, dicker Mann, der kein Schönling war, beschrieben wurde - und doch hatte er wahnsinnig tolle Frauen. Da stellte ich mir die Frage: Wie hat er das gemacht? Wieso sind die Frauen ihm verfallen? Darauf wird es im Laufe des Abends sicher die ein oder andere Antwort geben.

Sie haben noch andere Quasi-Biographien fürs Theater geschrieben – was reizt Sie an diesen Figuren?

Feist Es sind ja keine fiktiven Figuren – es sind Menschen, die wirklich gelebt haben. Und diese möchte ich von ihren scheinbaren Sockeln holen, sie als Mensch erzählen. Nicht über Lebensdaten oder bedeutende Werke, sondern mit alltäglichen Problemen, Nöten, Fragen und Sehnsüchten, die einem im Laufe des Abends das Gefühl geben, einen langjährigen Bekannten zum ersten Mal wirklich kennenzulernen. Die Abende sind so geeignet für Kenner, Nicht-Kenner und absolute Liebhaber. Gleichzeitig steht über jedem Stück ein Thema, das auch die jeweilige Persönlichkeit ausgemacht hat, und das der Zuschauer zumeist aus eigenem Erleben kennt: Ängste, persönliches Scheitern, Liebe, Betrug und Einsamkeit oder die Stellung der Frau in Bezug zum Mann.

Was gefällt Ihnen besser – solo auf der Bühne oder mit Spielpartner?

Feist Beides. Solo heißt, das Publikum ist dein Partner. Man selbst bestimmt den Rhythmus. Es sind ganz unterschiedliche Genres. Bei „Cavewoman”, meinem Solostück. ist die Sprache viel lockerer, es gibt viele Improvisation. Bei meinen anderen Stücken arbeiten wir mit Original-Texten von Ringelnatz, Tucholsky und Hildegard von Bingen. Da kann man nicht soviel improvisieren. Man muss dem Partner die Stichworte genau geben – sonst bringt man sich gegenseitig raus.

Das Schreiben ist ein ganz anderer Prozess als das Spielen – liegt Ihnen beides gleich stark?

Feist Das kann man nicht vergleichen. Es sind völlig andere Prozesse. Beim Schreiben fällt mir das lange Sitzen am Computer nicht leicht. Danach muss ich zur Physiotherapie. Ich bekomme Flausen, wenn ich zu lange sitzen muss. Ich muss mich bewegen. Und das nutze ich aus. Wenn ich mal mit einer Szene nicht weiterkomme, dann stehe ich auf und spiele bis dorthin und improvisiere, was das scheinbare Gegenüber jetzt antworten würde.

Sie waren bereits 2019 in Wermelskirchen. Wie gefällt Ihnen das Film-Eck?

Feist Es ist ein Ort, am dem liebevoll Kunst betrieben wird. Das Film-Eck ist so geschichtsträchtig, die Dielen knarren, und wenn man die Augen schließt, sieht man förmlich wie jahrzehntelang Leute hineinströmten, um Kunst und Kultur zu genießen. In den Chef Peter Scheben habe ich mich schockverliebt. Ein Mensch, der liebt, was er tut. Der die Kunst und vor allem seine Künstler liebt. Er war auch derjenige, der mich Anfang Mai angerufen und angeboten hat, die Hälfte der Gage schon jetzt zu überweisen, damit wir unsere Miete zahlen können. Die staatlichen Hilfen für soloselbstständige Künstler kommen ja nicht an, wir werden auf Hartz 4 verwiesen. Nach diesen Telefonat mit Peter Scheben habe ich eine Träne verdrückt.

In Ihren Stücken stehen Sie bisweilen zwei Stunden auf der Bühne. Wie lernt man so viel Text?

Feist Das frag ich mich auch immer wieder. Textlernen fällt mir echt schwer. Deshalb sag ich immer: Augen auf bei der Berufswahl. Ja, beim Lernen gibt es so manchen Wutanfall und viel heiße Schokolade zur Beruhigung.

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