Leben mit Wahrzeichen Wenn Heimatgefühl eine Melodie bekommt

Wermelskirchen · Wenn die Bergischen Fuhrmänner Liedwünsche annehmen, dann will das Publikum oft das „Bergische Heimatlied“ hören. Das hat es in sich.

 Das Bergische Heimatlied ist mehr als 120 Jahre alt und rührt das Publikum bis heute zuweilen zu Tränen.

Das Bergische Heimatlied ist mehr als 120 Jahre alt und rührt das Publikum bis heute zuweilen zu Tränen.

Foto: Theresa Demski

Peter Rinne (Foto: Theresa Demski) kennt diese Augenblicke – wenn er als Bergischer Fuhrmann auf der Bühne steht, die sieben Männer mit ihren starken, tiefen Stimmen das Bergische Heimatlied anstimmen und im Publikum plötzlich ein erstes Tränchen im Augenwinkel auftaucht. „Das Lied ist bei vielen Menschen mit einer großen Emotionalität verbunden“, erzählt Rinne, der nicht nur die Fuhrmänner, sondern auch den MGV Niederwermelskirchen und den Posaunenchor in Neuenhaus leitet.

Auch deswegen gehört das Lied zum festen Repertoire fast jedes Männerchores im Bergischen Land. „Spätestens bei der letzten Zeile stimmt das Publikum dann mit ein“, erzählt Rinne. Da ist meine Heimat, mein Bergisches Land. Viele Zuhörer seien aber auch über die vertraute Zeile hinweg textsicher

Wenn die Bergischen Fuhrmänner – die einst antraten, um es wie ihre Namensgeber zu machen und in diesem Falle das kulturelle Gut unter die Menschen zu bringen – das Lied anstimmen, dann singen sie meist drei der insgesamt sechs Strophen. „In der klassischen Komposition“, sagt Peter Rinne und wirft einen Blick in die Geschichte des Liedes. Als sich 1892 der Oberpräsident der preußischen Rheinprovinz Berthold von Nasse und der Düsseldorfer Regierungspräsident in Solingen ankündigten, sollte der Solinger Sängerbund ein Heimatlied anstimmen. Aber es gab keines. Also machte sich Rudolf Hartkopf, Hausdichter des Sängerbundes, an die Arbeit und dichtete das Bergische Heimatlied – während Musikdirektor Caspar Josef Brambach die Melodie beisteuerte.

 Peter Rinne dirigiert den MGV Niederwermelskirchen, die Fuhrmänner und den Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Hilgen-Neuenhaus.

Peter Rinne dirigiert den MGV Niederwermelskirchen, die Fuhrmänner und den Posaunenchor der Evangelischen Kirchengemeinde Hilgen-Neuenhaus.

Foto: Theresa Demski

„Musikalisch ist das Lied eher schlicht“, sagt Rinne, „so wie auch andere Volkslieder“. Ein langsamer Drei-Viertel-Takt, drei Akkorde – Tonika, Dominante und Subdominante – und das Kunststück ist vollbracht. Die Strophen allerdings haben es in sich: „Sie sind natürlich ein Spiegel der Zeit“, sagt Rinne. Und auch deswegen werden heute längst nicht mehr alle gesungen. Die Kaiserstrophe, die nachträglich auf den Wunsch des Oberpräsidenten gedichtet wurde, sei gar nicht mehr zeitgemäß, sagt Rinne – zu kämpferisch. Und auch wer bei den anderen Strophe genau hinsehe, empfinde heute wohl zuweilen Befremden. „Aber gleichzeitig trägt es eben auch ein Stück Kulturgeschichte in sich“, sagt der Dirigent. Rauschende Wälder, der Amboss, das Bächlein und die Eiche, die Wupper und die Hämmer, blühende Täler und lachende Dörfer: Es sei die Geschichte des Handwerks, die auf die Schönheit der Natur und die in dem Lied auf die Mentalität der Menschen treffe – vor allem, wenn sich Chöre bei Konzerten und Auftritten in Wermelskirchen auf Strophe eins, zwei und fünf konzentrieren.

Sowohl der MGV Niederwermelskirchen als auch die Fuhrmänner singen das Lied in vier Stimmen – zweimal Tenor und zweimal Bass. „Der Posaunenchor sorgt mit seinem Bergischen Heimatmarsch gelegentlich für überraschte Blicke im Publikum“, erzählt Rinne. Dort nämlich folgen auf Kompositionen von Carl Remy im vierten Teil, dem Trio, plötzlich Auszüge aus dem Bergischen Heimatlied – unerwartet, aber deutlich erkennbar. Ohnehin habe es in den vergangenen Jahren immer mal wieder Abwandlungen des Stückes gegeben – etwa wenn die Bigband des Westdeutschen Rundfunks eine Swing-Version anstimmte und auch kurzerhand den Text modernisierte oder die Solinger Rockband „The Lonestars“ 2005 die vertraute Melodie mit Rock ’n’ Roll aufmischte. Trotzdem habe es das Lied eher nicht bis in die jüngere Generation geschafft, sagt Peter Rinne. Jungen Leuten müsse man das Heimatlied erklären.

Das passiert bei älteren Semestern mit Wurzeln im Bergischen Land nicht – ganz im Gegenteil. „Da werden mit dem Lied Erinnerungen und Bilder lebendig“, sagt Rinne. Dann bekommt Heimatgefühl eine Melodie.

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