Serie Gotteshäuser Kirche voller Hoffnung und Symbolik

Wermelskirchen · In St. Michael können sich Besucher auf Spurensuche begeben und neue Geschichten erleben.

 Staunen über die vier großen, restaurierten Holzfiguren der Kirchenväter in St. Michael, die so viele besondere Details haben.

Staunen über die vier großen, restaurierten Holzfiguren der Kirchenväter in St. Michael, die so viele besondere Details haben.

Foto: Hogekamp, Lena (hoge)

Die Tür führt ins Nirgendwo. Wer den Blick am Turm der Katholischen Kirche St. Michael hochwandern lässt, entdeckt einen Zugang in luftiger Höhe – samt Klinke und Schloss. Sie führt zu den Glocken und zum Uhrwerk, aber wer sie nutzen will, der muss eine Leiter mitbringen. „Der Glockenbauer weiß schon Bescheid“, sagt Pfarrer Michael Knab, der vom Fuß des alten Turms Richtung Spitze blickt. Das Bauwerk, das einige Meter vor der modernen Kirche steht und heute keine Verbindung mehr zu dem Gotteshaus hat, ist denkmalgeschützt – und es erzählt eine Geschichte.

 Bunte Kunst: ein Kirchenfenster in der katholischen Kirche von Sankt Michael.

Bunte Kunst: ein Kirchenfenster in der katholischen Kirche von Sankt Michael.

Foto: Hogekamp, Lena (hoge)

Denn nicht immer führte die Tür am Turm ins Nichts. Damals, Anfang des 19. Jahrhunderts, wuchs die Zahl der Katholiken in Wermelskirchen wieder. Mit der Reformation hatten die Katholiken ihre Kirche am Markt verloren, etwa 60 Jahre später baute die Gemeinde an der heutigen Carl-Leverkus-Straße eine neue Kirche. Die fiel gleich zweimal Bränden zum Opfer und wurde schließlich zu klein. 1838 begannen die Arbeiten für den neugotischen Bau an der Kölner Straße. Von ihm ist heute nur noch der Turm übrig – denn 1962 bauten die Katholiken wieder neu. Die Spuren der Vergangenheit allerdings seien wie Zitate erhalten geblieben, sagt Knab. „Sie erzählen, was vorher war und sind ein Teil unserer Geschichte“. Und dazu zählt nicht nur die Platte mit dem Opferlamm-Bild, die einst einen Platz in der Kirche hatte und nun im alten Portal im Turm untergebracht ist. Auch ein altes Holzkreuz, der Taufbrunnen und die Beichtstühle wurden in den 1960er Jahren aus der alten Kirche übernommen.

Das Gesicht des Gebäudes allerdings veränderte sich damals grundlegend. Symbolstark ist die Kirche St. Michael geblieben – und wer sich mit Pfarrer Knab auf eine Reise durch die Kirche macht, genau hinsieht und seinen Erzählungen lauscht, der lernt viel über katholische Kirchengeschichte, über persönliche Glaubensbekenntnisse und über Symbolik, die Mut machen will zum Leben.

 Verzierungen am Altar: Um den Stein spannt sich ein bronzenes Netz.

Verzierungen am Altar: Um den Stein spannt sich ein bronzenes Netz.

Foto: Hogekamp, Lena (hoge)

Als Michael Knab die schwere Tür zur Kirche öffnet, zögert er. „Viele sehen gar nicht mehr hin“, sagt er und deutet auf die Häuserfront der Kölner Straße, die in einem Kunstwerk auf dem Bronzeportal Platz gefunden hat. Auch die Türgriffe im Windfang werden oft genutzt und selten hinterfragt: Wer genau hinsieht, entdeckt den Namenspatron der Kirche, St. Michael, der die Seelenwaage in der Hand hält und auf einen Strauchelnden im Dornengestrüpp hinweist – 42 Begriffe um Schuld und Scheitern hat der Künstler dort untergebracht. Und die scheinen mit dem Schritt in den Kirchraum in den Hintergrund zu treten: „Wir haben eine Wegekirche“, sagt Knab, „der Gang führt hinauf zum Berg des Herrn.“ Der wurde in den 1980er Jahren grundlegend umgestaltet. Seitdem steht der Altar viel näher bei der Gemeinde. Und auch er ist einen zweiten Blick wert. Um den Stein, der noch aus dem alten Altar stammt, spannt sich ein bronzenes Netz. Viele Gesichter von alten und jüngeren Kirchenvätern gestaltete der Künstler und brachte sie in diesem Netz unter. Heilige, Kardinäle, der Künstler selbst. „Jeder Mensch kann Teil dieses Netzes Christi und dort gehalten und geborgen sein“, erklärt Knab und weist dann nicht nur auf die fünf Salbstellen am Altar hin, sondern auch auf das Kreuz, das an die Reliquie im alten Stein erinnert. Dann schweift sein Blick hinauf in den Altarraum, der den Bug des Kirchenschiffes bildet. „Ein Kreuz ohne Corpus“, sagt er und schmunzelt, „eigentlich völlig untypisch für eine katholische Kirche.“ Und tatsächlich: Das Bronzekreuz ist ein Geschenk der evangelischen Gemeinde zur Einweihung des Gottesraumes 1967. „Wir haben auch heute noch eine gute Verbindung“, sagt Knab und geht dann zurück in den großen Kirchraum. Man könnte hier ewig staunen – über die vier großen, restaurierten Holzfiguren der Kirchenväter, die so viele besondere Details haben; über das Sakramentsfenster daneben, das in vielen Farben glitzert und über die Sakristei mit Bildern von Papst und Bischof und unzähligen Gewändern für Festtage und Alltag. Beim Rausgehen verweist Pfarrer Knab noch auf den Kreuzweg, den Künstler Günter Lilge gestaltet hat – der Weg hat in St. Michael 15 statt nur 14 Stationen. Er endet nicht wie üblich bei der Grablegung – sondern mit der Auferstehung. In St. Michael ist die Hoffnung Programm.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort