Schuldnerberatung Wermelskirchen Sprunghafter Anstieg bei Insolvenzanträgen

Wermelskirchen · Die Folgen der Corona-Pandemie fallen bei der Schuldnerberatung bislang geringer aus als befürchtet. Allerdings richtet sich ein sorgenvoller Blick auf die zur erwartenden Auswirkungen der derzeitigen Preisexplosionen.

 Constanze Hempel (l.) und Jutta Paulig von der Awo-Schuldnerberatung Wermelskirchen.

Constanze Hempel (l.) und Jutta Paulig von der Awo-Schuldnerberatung Wermelskirchen.

Foto: Jürgen Moll

An die 100 Anträge für Verbraucherinsolvenzen – auch Privatinsolvenzen genannt – leitete die Wermelskirchener Schuldnerberatung im vergangenen Jahr ein. Das ist „relativ viel“, wie Jutta Paulig sowie Constanze Hempel im Ausschuss für Soziales und Inklusion berichteten. In den Vorjahren waren es stets zwischen 30 und 40 gewesen.

Der sprunghafte Anstieg der Insolvenzanträge im vergangenen Jahr hat weniger mit den Auswirkungen der Corona-­Pandemie zu tun, sondern vielmehr mit einer Gesetzesänderung auf Bundesebene. Seit dem Jahreswechsel 2020 / 21 beträgt die Laufzeit einer Privatinsolvenz, die 1999 in Deutschland eingeführt wurde, nicht mehr sieben, sondern nur noch drei Jahre. „Deutschland hatte mit der Dauer von sieben Jahre im europäischen Vergleich eine sehr lange Laufzeit. Die Verkürzung auf drei Jahre sorgt für eine Anpassung an die europäischen Nachbar­länder“, erläuterte Jutta Paulig.

Wie die beiden Schulderberaterinnen darstellten, habe sich die Gesetzesnovelle abgezeichnet, weshalb viele Insolvenzanträge nicht Ende 2020, sondern erst in 2021 gestellt worden seien. Deshalb sei der Anstieg ein Einmaleffekt. Rückblickend auf das vergangene Jahr stellte Jutta Paulig fest: „Es sind durch Corona nicht so viele Menschen zu uns gekommen, wie anfangs befürchtet.“ Aber: „Die Auswirkungen der Pandemie sind nicht vorbei. Es wabert im Hintergrund.“

Die Schuldnerberatung, die sich in Trägerschaft der Arbeiterwohlfahrt (AWO) befindet, geht davon aus, dass sich die explosionsartige Erhöhung der Wohnneben- sowie der Lebenshaltungskosten negativ auswirken werden und zahlreiche Menschen in finanzielle Bedrängnis bringen.

In 2021 führten die Schuldnerberaterinnen, deren Büro sich über dem Restaurant „Bergischer Löwe“ am Markt befindet, 387 laufende Beratungen durch – 115 davon waren Neuaufnahmen. Wie Constanze Hempel und Jutta Paulig beschrieben, kämen die hilfesuchenden Kunden aus allen „Alters- und Bildungsstrukturen der Gesellschaft“: „Die jüngste ist 21, der älteste 82 Jahre alt.“

Leider sei in der Regel das „Kind schon in den Brunnen gefallen“, wenn sich die überschuldeten Menschen an die Beratung wendeten. „Das ist menschlich nachvollziehbar. Unter dem Strich wäre es meist besser gewesen, wenn sich die Betroffenen früher bei uns gemeldet hätten“, berichtete Jutta Paulig aus der Erfahrung der täglichen Arbeit der Schuldnerberatung.

Jutta Paulig und Constanze Hempel sind mit jeweils 30 Wochenstunden aktiv, hinzu kommt zur Unterstützung eine Verwaltungskraft mit 25 Arbeitsstunden pro Woche. Die 1998 ins Leben gerufene Schuldnerberatung in Wermelskirchen ist anerkannte Stelle zur Einleitung von Privatinsolvenzen und blickt im kommenden Jahr auf ihr 25-jähriges Bestehen zurück. „Von unserer Arbeit profitiert die Allgemeinheit, denn unsere Unterstützung bringt innerhalb unseres Systems ein Gefüge wieder ins Gleichgewicht, was ins Ungleichgewicht geraten ist“, betonte Constanze Hempel.

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