Kulturstätten in Wermelskirchen Die Jugend rockt im „Punk-Wohnzimmer“

Wermelskirchen · Das Autonome Jugendzentrum (AJZ) ist für viele wie ein zweites Zuhause. Es ist ein Veranstaltungsort mit Strahlkraft – stets abseits vom Mainstream.

 Im Jugendzentrum Bahndamm tragen die Fans die Musiker gerne einmal auf Händen: hier Marco Scarra, Bassist der Wermelskirchener Punk-Rock-Cover-Band „Rita Leen“.

Im Jugendzentrum Bahndamm tragen die Fans die Musiker gerne einmal auf Händen: hier Marco Scarra, Bassist der Wermelskirchener Punk-Rock-Cover-Band „Rita Leen“.

Foto: Stephan Singer

In den 1980er Jahren gehörte ein Slogan zu den Sprüchen in Jugendkreisen: „Trau‘ keinem über 30.“ Im kommenden Jahr blickt das Autonome Jugendzentrum (AJZ) Bahndamm auf sein 30-jähriges Bestehen zurück. Als Veranstaltungsort für Konzerte und Disco-Party-Abende hat sich der Bahndamm zu einer Kulturstätte gemausert, die Strahlkraft besonders im Bereich von Punk-Rock, aber auch von Reggae, Dancehall und Metal hat. Wermelskirchens Musik-Export Nummer eins „Skin of tears“ hat seine Wurzeln im Bahndamm, heutige Größen oder gar Legenden wie „Green Day“ oder „NOFX“ standen bereits im Bahndamm auf der Bühne.

Der Vorstand der Jugendinitiative Wermelskirchen, die als eingetragener Verein Träger des AJZ in dem von der Stadt gemieteten Haus ist, war in der Zeit der Bahndamm-Entstehung gerade erst geboren oder noch in „Planung“: die 30-jährige Svenja Wallbrecher, der 25-jährige Tobias Wittmann und der 28-jährige Jan Heumann. Alle drei bezeichnen den Bahndamm als ihr „Wohnzimmer“, als ihr „zweites Zuhause“. „Das ist für mich schon ein wenig mit Familie vergleichbar. Man hilft sich hier gegenseitig und das schafft Harmonie“, beschreibt Svenja Wallbrecher. Alleine steht das Trio mit dieser Einschätzung nicht, denn rund 40 Personen zwischen 20 und 60 Jahren gehören zum „harten Kern“, packen regelmäßig mit an. Die Grenzen zwischen Handwerkern, Veranstaltern, DJ‘s, Thekenhelfern und Musikern sind dabei fließend – die meisten mehrere dieser Funkionen ein.

 Tobias Wittmann, Svenja Wallbrecher und Jan Heumann (v.l.)

Tobias Wittmann, Svenja Wallbrecher und Jan Heumann (v.l.)

Foto: Stephan Singer

Abgesehen von den Sommerferien, die für Renovierungen genutzt werden, vergeht kein Wochenende, an dem im Bahndamm nicht mindestens eine Veranstaltung stattfindet. Das Markenzeichen für Konzerte und Partys: Stets ein wenig abseits vom Mainstream und immer aus den eigenen Reihen organisiert. „Die Menschen, der Zusammenhalt und der Einsatz machen es aus“, meint Svenja Wallbrecher. „In den Veranstaltungen steckt Herzblut – dabei macht keiner Geld. Das ist das, was anderen Locations fehlt“, sagt Tobias Wittmann. Deshalb sehen sie die Entwicklung im „Haus Eifgen“ mit der Kulturinitiative mit Freude, wie Jan Heumann feststellt: „Da läuft das ähnlich, wenn auch mit anderen Musikrichtungen.“

Neben der „Kneipe“ mit Kicker und Billard sowie dem Veranstaltungssaal, verfügt der Bahndamm im Obergeschoss über ein Büro, eine Küche und Schlafräume für Musiker auf Tournee und im Keller über drei Proberäume, in denen zehn Bands üben. „Einst stand der Bahndamm wohl eher für Subkultur, heute sind wir eindeutig eine Kulturstätte“, sagt Svenja Wallbrecher. Und Tobias Wittmann fügt an: „Auch Subkultur ist Kultur“.

Wittmann, selbst Schlagzeuger, kam als 15-Jährger erstmals in den Bahndamm zum Proben. Aus seiner Aktivität als Musiker entwickelte sich sein Engagement für das AJZ, ähnlich ist es bei Gitarrist Jan Heumann: „Live-Musik stirbt aus, dagegen wollen wir arbeiten.“ Nur das nicht auf Kommerz ausgerichtete Konzept mache es möglich, Spartenmusik auf die Bühne zu bringen. „Wir würden am liebsten nur fünf Euro Eintritt nehmen. Das geht aber nicht mehr, um auf Plus-Minus-Null zu kommen. Aber bei uns kostet der Eintritt die Hälfte von dem, was er in Köln kostet“, vergleicht Jan Heumann.

Dass die Akteure, Initiatoren und Veranstalter aus Reihen der Bahndamm-Gänger stammen, entspricht einem typischen Gedanken des Punk: „Do it yourself“. „Wer eine eine Veranstaltung machen möchte und es Sinn macht, kann das im Bahndamm tun“, ermuntert Tobias Wittmann Jugendliche zum Engagement: „Probleme lösen sich schnell, weil jeder von uns mitmacht – selbst wenn er an dem Abend nur Gast ist.“

Das Flair habe ihn als Musikbegeisterten sofort gepackt, erinnert sich Jan Heumann: „Tipps von erfahreneren Musikern haben meinen Horizont erweitert.“ In den Bahndamm kämen Bands, die sonst auf Festivals spielen. Heumann nennt den Schlagzeuger der „Toten Hosen“, Stephen George Ritchie, als Beispiel. Und: die Band „Green Day“. Deren Auftritt in Wermelskirchen gilt bis heute als legendär.

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