Wermelskirchen Stotterer brauchen viel Mut

Wermelskirchen · Heute ist Welttag des Stotterns. Frank Kirschke-Biller erzählt, wie er damit umgeht, wenn eine Blockade das Sprechen behindert. Seine Ehefrau Sonja, die Logopädin ist, hilft ihm.

Welttag des Stotterns: Stotterer brauchen viel Mut
Foto: Moll, Jürgen (jumo)

Frank Kirschke-Biller erzählt einen Witz: Ein Stotterer verkauft mit Abstand mehr Bibeln an der Haustür als seine Konkurrenten. Sein Chef fragt ihn verwundert, wie er das mache. Der Stotterer sagt: "Ich klingel und sage: 'Gu-gu-guten Tag. Woll-woll-wollen Sie die Bi-bi-bel gleich k-aufen oder so-soll ich sie vor-vor-vorlesen?" Frank Kirschke-Biller ist 49 Jahre alt und stottert seit seiner Kindheit.

Wer ihn nicht kennt und sich mit ihm unterhält, merkt davon erst einmal gar nichts. Das Stottern im Witz hat er simuliert. Das ist nicht nur der Ausdruck einer gesunden Portion Humor, sondern zeugt auch von viel Selbstbewusstsein. Und Mut. Sind Stotterer unintelligent? Von wegen. Sie repräsentieren die Gesellschaft genau so wie die Nicht-Stotterer.

Frank Kirschke-Biller hat Elektrotechnik studiert und wirkt als globaler Manager in der Autoindustrie. Natürlich waren die ersten Schuljahre für ihn, was das Sprechen betrifft, kein Zuckerschlecken. Aber er hat es in den Griff bekommen. "Das Schlimmste dabei ist eine Vermeidungshaltung", sagt er. Er wisse genau, was er sagen will, aber er spüre die "Blockade" - der nächste Laut werde schwierig - schon vorher. Also überlegt er sich schnell eine Alternative, die funktioniert. Das führte früher schon mal zu Auswüchsen: "Ich mag gerne Erdbeereis, aber bei der Bestellung kam das 'E' nicht flüssig." Also hat er immer Schokoladeneis gegessen. Mit der Zeit häuft der Stotterer so einen Vorrat an Ausdrücken, Umgehungen und Synonymen auf, mit denen er die Klippen überwinden kann. Aber das begrenze seine (Rede-)Freiheit, sagt Frank. Er will seine Freiheit bewahren und sich nicht durch das Stottern einschränken lassen. Das Rezept dafür ist: Mut. Es braucht Mut, die Angst zu überwinden, sich als Stotterer zu outen. Aber es hilft ungemein. Weil dann die Gesprächsteilnehmer viel offener damit umgehen können. Sie werden ihn nicht unterbrechen oder das Wort, das er nur mit Mühe herausbringt, von sich aus sagen. Vielleicht meinen sie es gut. Aber dadurch "entmündigen" sie ihn. Sie nehmen ihm sein Wort aus dem Mund. Und degradieren ihn - vermutlich unbewusst - zum Kleinkind. Aber wer will das schon?

Franks Frau Sonja ist Logopädin. Sie hört ihrem Mann mit Anteilnahme zu. Weiß sie doch, dass die Ursachen des Stotterns unbekannt sind. "Es sind Blockaden", sagt sie. "Zum Beispiel hier am Kehlkopf." Sie umfasst ihren mit Daumen und Zeigefinger. Oder die Blockade liege genau vorne zwischen den Zähnen. Und wie kann sie Stotterern helfen? Auf zwei Arten: Sie lehrt ihren Patienten Methoden, die die Symptome reduzieren, etwa bewusst langsamer zu sprechen. Und sie bemüht sich, das Verhalten ihres Patienten zu ändern. Also: "Trau dich!"

Bei Kindern sei es wichtig, ihnen das Gefühl zu nehmen, für dumm gehalten zu werden. Zwischen dem zweiten und vierten Lebensjahr könne ein leichtes Stottern auftreten, aber dann solle man die Kinder einfach aussprechen lassen. Erst wenn die Kinder deswegen die Kommunikation abbrechen, braucht es einen Kinderarzt.

Vermutlich war Tarzan auch ein Stotterer, sagt Frank Kirschke-Biller. Anstatt "Jane, du bist für mich die schönste Frau der Welt" zu sagen, bringe er nur heraus: "Ich Tarzan, du Jane."

(bege)
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