Wermelskirchen Was junge Komatrinker beeindruckt

Wermelskirchen · Fachleute sprechen sich gegen den Vorschlag der NRW-CDU aus, die Eltern von jugendlichen Komatrinkern mit 100 Euro zur Kasse zu bitten. Was bei Alkoholmissbrauch wirklich beeindrucke, seien Prävention und Schockerlebnisse.

 Der Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen bis hin zum Komatrinken haben erschreckend zugenommen.

Der Alkoholmissbrauch bei Kindern und Jugendlichen bis hin zum Komatrinken haben erschreckend zugenommen.

Foto: George Doyle

Eltern von jugendlichen Komatrinkern sollen 100 Euro zu den Behandlungskosten beisteuern: Dies fordert der gesundheitspolitische Sprecher der Landes-CDU, Jens Spahn. Die Bergische Morgenpost fragt Polizei, fragt Betroffene vor Ort, was sie von diesem politischen Vorhaben halten. Denn die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die wegen Alkoholvergiftung im Krankenhaus behandelt werden müssen, ist seit 2003 in Nordrhein Westfalen um das Doppelte gestiegen.

Der Kreispolizei Rhein-Berg hat in den vergangenen Karnevalstagen der gestiegene Alkoholkonsum Jugendlicher Sorgen bereitet. Dabei hätten die Polizisten aber festgestellt, dass Jugendliche den Karneval genauso wie sonstige Veranstaltungen lediglich nutzten, um sich zum Trinken zu verabreden. Polizeisprecher Peter Raubuch gibt die Einschätzung der Präventionsstelle der Kreispolizei zu Spahns Vorschlag wieder: Dort werde die Anregung mit Skepsis betrachtet.

Geld werde nicht als ein geeignetes Mittel gesehen, mit dem die Eltern auf das Verhalten ihrer Kinder einwirken könnten. Viel wichtiger seien Präventionsmaßnahmen, mit denen auch auf das Umfeld der Jugendlichen und die Eltern eingewirkt werde sowie vor allem der Jugendschutz, sagt Raubuch. Als problematisch sehe es die Polizei auch an, den Bereich Komatrinken derart zu sanktionieren. "Dann müsste man ja in vielen anderen Bereichen auch so verfahren", gibt Raubuch zu bedenken.

Jürgen Salewski, Präventionsfachmann der Suchtberatungsstelle des Diakonischen Werkes, hält ebenfalls nichts davon, die Eltern von Komatrinkern mit 100 Euro zur Kasse zu bitten: "Erstens muss derjenige, der mit einer Alkoholvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert wird, sowieso schon 500 Euro für den Krankenwagen zahlen. Was sollen dann noch die 100 Euro für die Eltern?", fragt sich der Suchtberater. Er wisse aus Erfahrung, dass ein solches Druckmittel nicht hilfreich sein könne. "Es ist viel wirksamer und peinlicher, wenn die Eltern nachts um vier Uhr vom Krankenhaus angerufen werden, dass sie ihr betrunkenes Kind abholen sollen. Das sitzt!", weiß Salewski.

Auch Hartmut Elkemann-Reusch vom Blauen Kreuz hält nichts von dem 100-Euro-Vorschlag. Der erzieherische Effekt sei fraglich, weil man davon ausgehen müsse, dass Eltern überhaupt keinen Einfluss auf ihre Kinder haben, wenn diese alkoholabhängig sind. Es handele sich dabei um ein Persönlichkeitsproblem, das nicht mit 100 Euro gelöst werden könne.

Ein Rettungssanitäter der örtlichen Feuerwehr, der namentlich nicht genannt werden möchte, hat ganz eigene Beobachtungen, wie jugendliche Komatrinker zu beeindrucken sind. "Die meisten bereuen, was sie getan haben, und zwar spätestens dann, wenn die Eltern ins Spiel kommen", weiß der Sanitäter. Selbst zuvor ganz coole Jungs weinten oft bitterlich, wenn Vater oder Mutter ins Krankenhaus bestellt würden. Den nachhaltigsten Eindruck hätten seiner Kenntnis nach aber die männlichen Komatrinker, wenn sie ins Wipperfürther Krankenhaus eingeliefert würden und dort morgens mit einer Windel um den Hintern aufwachten. Dieser Gipfel der Peinlichkeit, dieses Schockerlebnis brenne sich nachhaltig ins Bewusstsein der jungen Trinker ein und habe damit einen wirksamen erzieherischen Effekt, sagt der Sanitäter, der auch selbst Vater von Heranwachsenden ist.

Der Ärztliche Leiter des Krankenhauses, Dr. Volker Launhardt, berichtet, dass junge Komapatienten alle zunächst auf der Intensivstation zur Überwachung aufgenommen werden. Aber nur teilweise zeigten sich die jungen Menschen von dieser Erfahrung beeindruckt: "Manche demonstrieren ihre Coolness. Es gibt aber auch andere, die schämen sich, wenn sie von ihren Eltern abgeholt werden", beobachtet der Chefarzt. Einen Trend könne er am örtlichen Krankenhaus aber nicht feststellen: "Es gibt immer mal wieder solche Fälle — sowohl bei Jungen, als auch bei Mädchen."

(RP/rl)
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