Kay Boenig "Wald ist für den Klimaschutz unverzichtbar"

Wermelskirchen · Kay Boenig ist als Leiter des Regionalforstamts Bergisches Land für die Wälder in der Region zuständig. Im BM-Interview spricht er über den Zustand der bergischen Bäume und wofür das Holz verwendet wird. Sein Appell: "Wir müssen den Wald fit für den Klimawandel machen."

 Diese Fichten an der Vorsperre Große Dhünn-Talsperre gehören zur häufigsten Baumart der Region, die ein Drittel des Bestands ausmacht und hier bereits seit 200 Jahren angebaut wird.

Diese Fichten an der Vorsperre Große Dhünn-Talsperre gehören zur häufigsten Baumart der Region, die ein Drittel des Bestands ausmacht und hier bereits seit 200 Jahren angebaut wird.

Foto: Teifel, Weitzdörfer

Herr Boenig, wie wichtig ist der Wald für das Bergische Land?

Kay Boenig: "Wald ist für den Klimaschutz unverzichtbar"
Foto: Regionalforstamt

Boenig Der Wald ist neben der Landwirtschaft die flächenmäßig bedeutsamste Landnutzung im Bergischen Land. Die Wälder werden überwiegend wirtschaftlich genutzt und stellen für den heimischen Holzmarkt jährlich bis zu 250.000 Kubikmeter Holz zur Verfügung. Damit sind sie auch eine Einnahmequelle im ländlichen Raum - der jährliche Umsatz für das Ernten und Verarbeiten von Holzprodukten liegt bei rund einer Milliarde Euro. Der Wald ist darüber hinaus ein wichtiger Faktor für den Tourismus. Zudem sind die Bäume für den Boden, für den Trinkwasserschutz und nicht zuletzt für den Klimaschutz unverzichtbar, Lebensraum für viele bedrohte Tier- und Pflanzenarten und wichtiger Erholungsraum für die Bürger.

Können Sie kurz den Zusammenhang zwischen Wald und Klima erläutern?

Boenig Wald ist einerseits vom Klima, andererseits vom Klimawandel betroffen, weil sich Stürme und Trockenperioden häufen. Er ist aber auch ein wichtiger Faktor für den Klimaschutz, weil im Wald und in den aus ihm genutzten Holzprodukten Kohlenstoff gespeichert ist und so der Atmosphäre entzogen wird. Optimal ist dafür ein vorratsreicher Wald, dessen Holz genutzt wird.

Wie ist es um den Wald im Bergischen bestellt?

Boenig Einen guten Überblick gibt die Landeswaldinventur von 2014. Demnach nehmen die Bergischen Wälder mit 76.400 Hektar etwa 35 Prozent des Forstamtsgebietes ein (Kreise Oberberg, Rhein-Berg, Mettmann, kreisfreie Städte Leverkusen, Solingen, Remscheid, Wuppertal). Der Anteil heimischer Laubhölzer, insbesondere der Buche, hat zugenommen. Das Laubholz bedeckt 61 Prozent der Fläche. Ökologisch und ökonomisch hochwertige Mischwälder nehmen 80 Prozent der Waldfläche ein, 72 Prozent wurden als naturnah aufgebaut eingestuft.

Gibt es Probleme in den Wäldern?

Boenig Einige Waldbesitzer legen gegen unseren Rat ökologisch nachteilige Kahlschläge an, viele Flächen werden ebenfalls gegen unseren Rat nicht wieder aufgeforstet. Einige Gemeinden und Kreise planen für die Ausweisung von Gewerbegebieten, Wohnbauflächen und Verkehrsflächen mehr Wald als bisher zu roden. Auch deshalb müssen wir den Wald für den Klimawandel fit machen. Außerdem ist die Häufung der Winterorkane ein großes Risiko.

Welche Schäden entstehen dadurch?

Boenig Die Stürme verursachen Windwürfe und Windbruch in den Wäldern. Häufig kommt es zu Folgeschäden durch Käfer oder Pilze. Auch das Holz wird durch Bruch oder sich rasch einstellende Fäule teils entwertet. Bei großen Schadmengen können die Preise verfallen. Es entstehen zudem Kahlflächen, die aufwendig aufgeforstet werden müssen. Durch die hiesige Gemengelage beeinträchtigen Windwürfe im Wald in der Regel auch die Infrastruktur und können im Einzelfall auch zur Gefahr für Häuser und Menschen werden.

Wie schnell entwurzelt ein Baum?

Boenig Im Allgemeinen halten unsere Waldbäume Windgeschwindigkeiten bis zu 100 km/h stand. Ab Baumhöhen von 25 Metern kommt es darauf an, ob die Bäume noch belaubt oder benadelt sind und ob die Böden nass und damit weich sind. Sturmböen von 130 km/h, wie bei Friederike, oder gar 180 km/h, wie bei Kyrill, können auch die als sturmfest geltenden Buchen und Eichen kaum standhalten.

Bereiten Ihnen auch die wachsenden Wildschweinbestände Sorgen?

Boenig Die Wildschweine sind für den Wald nützliche Tiere. Sie verteilen beim Fressen Eicheln und Bucheckern im Wald und bereiten durch ihr Wühlen den Boden für die Keimung der jungen Baumschösslinge. Zu Schaden gehen sie in der Landwirtschaft, zum Beispiel auf Wiesen und in Maisäckern. Zu hohe Wildschweinbestände sind ein großes Risiko hinsichtlich der Einschleppung der gefährlichen Afrikanischen Schweinepest, die Haus- und Wildschweinbestände dahinraffen würde.

Welche Bäume wachsen hier hauptsächlich?

Boenig Überwiegend heimische Baumarten - neben Buchen und Eichen auch Birken. Die wichtigste Baumart ist die seit 200 Jahren im Bergischen Land angebaute Fichte, die auch den überwiegenden Teil des Nutzholzes liefert. Baumarten, die viel Wärme und sehr fruchtbaren Boden brauchen, wie Linde und Esche, wachsen im Bergischen nur an wenigen geeigneten Standorten.

Wem gehören die Bäume?

Boenig Das Regionalforstamt ist mit 72 Prozent eines der privatwaldreichsten in NRW. Eine Besonderheit ist der Kleinprivatwald in der Hand von etwa 30.000 Waldbesitzern, die im Durchschnitt nur 1,5 Hektar Wald ihr Eigen nennen, oft noch auf mehrere Parzellen verteilt. Dieser Wald lässt sich nur gemeinsam bewirtschaften. Darum hat sich ein großer Anteil dieser Waldbesitzer in Forstbetriebsgemeinschaften organisiert, die wiederum zum größten Teil vom Regionalforstamt beförstert werden. Elf Prozent des Waldes ist im Besitz des Landes, 16 Prozent im Besitz der Kommunen, der Kreise und der Wasserverbände.

Was ist besser - Mischwald oder Monokulturen?

Boenig Wir empfehlen den Waldbesitzern den Aufbau von gemischten Wäldern, möglichst aus Laub- und Nadelhölzern. Diese Vielfalt verbessert die Stabilität und Anpassungsfähigkeit von Wäldern. Diesem Ideal entsprechen fast alle Kulturen, die nach Kyrill entstanden sind. Reinbestände aus nur einer Baumart nehmen nur noch 20 Prozent der Fläche ein. Es wird angestrebt, zusammen mit Waldbesitzern auch diese Wälder mit Buchen oder Douglasien anzureichern.

Wofür wird das Holz verwendet?

Boenig Das Nadelstammholz wird überwiegend als Bau- oder Konstruktionsholz verwendet, das Laubstammholz überwiegend für die Möbel- und Parkettherstellung. Eine weitere wichtige Verwendung ist das Holz zur energetischen Nutzung, noch ganz überwiegend Brennholz.

Wie sieht ein normaler Tag in der Forstpflege aus?

Boenig Morgens findet die Einweisung und Kontrolle von Forstunternehmern auf den verschiedenen Waldbaustellen statt. Vormittags geht es an die Gütesortierung und das Aufmessen von Waldholz sowie die Beratung eines Waldbesitzers im Bestand zu einer Pflegemaßnahme. Mittags werden Büroarbeit und Dokumentation erledigt, nachmittags Pflanzenlieferungen verteilt und die Pflanzer eingewiesen. Am späten Nachmittag werden Anrufe von und mit Waldbesitzenden und Bürgern erledigt. Es ist aber auch mal der eine oder andere Tag für Waldjugendspiele mit Schulkindern oder bei schlechtem Wetter für eine Waldwertschätzung drin. Alles in allem ist der Tag sehr vielseitig. Und der Förster muss heute nicht nur Waldfreund sein, sondern auch mit verschiedensten Menschen gut zurechtkommen.

DAS INTERVIEW FÜHRTE WOLFGANG WEITZDÖRFER.

(RP)
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