Wermelskirchen Vom Hochsitz aus alles im Blick

Wermelskirchen · Karl Friedrich Michel ist ehrenamtlicher Landschaftswächter. Sein Revier Hohenhagen kennt er wie seine Westentasche.

 Die steile Leiter geht's hinauf zum geschlossenen Hochsitz, von dem aus der Landschaftswächter einen weiten Blick hat.

Die steile Leiter geht's hinauf zum geschlossenen Hochsitz, von dem aus der Landschaftswächter einen weiten Blick hat.

Foto: Moll Jürgen

Entlang der frisch gemähten Wiesen durch den Wald schlängelt sich der kleine Geländewagen. Die herbstliche Abendsonne bricht sanft durch die Blätter. Den Weg zum Hochsitz am Hohenhagen könnte Karl Friedrich Michel (79) sicher auch blind finden. Seit über 70 Jahren ist das Stück Natur quasi sein Revier. Als ehrenamtlicher Landschaftswächter hat der Jäger seit rund zehn Jahren auch einen genauen Blick auf Natur und Mensch im Naherholungsgebiet.

 Mit dem Fernglas schaut Karl Friedrich Michel in die Natur. Vor allem am Abend beobachtet er die Tiere. Eine gepolsterte Bank und ein Ofen schaffen auch in der kalten Jahreszeit eine gewisse Aufenthaltsqualität.

Mit dem Fernglas schaut Karl Friedrich Michel in die Natur. Vor allem am Abend beobachtet er die Tiere. Eine gepolsterte Bank und ein Ofen schaffen auch in der kalten Jahreszeit eine gewisse Aufenthaltsqualität.

Foto: jürgen moll

Bereits als kleiner Junge war der Mann mit der Schirmmütze und dem jägertypischen Outfit jeden Tag hier im Wald. Kein Wunder, dass der Schreinermeister im Ruhestand jede Ecke, jedes Blatt und vor allem jedes Tier kennt. Auf den Pirschpfad geht es zu Fuß weiter. Früher ist Michel fast immer zu Fuß gegangen. "Was ich an Schuhsohlen hier verschließen hab", sagt der Jäger mit einem Lachen. Nachdem er eine neue Hüfte bekommen hat, greift er nun öfter auf sein Auto zurück.

Jahrzehntelang war er jeden Abend "im Busch", wie Michel es nennt. Auch heute noch schaut er täglich nach dem Rechten. Nach 45 Jahren als Jagdpächter ist er am Hohenhagen ein bekanntes Gesicht, die Pacht gab er jedoch vor zwei Jahren auf. Der Landschaftswächter klärt die Naturnutzer auf, wie sie sich richtig zu verhalten haben - dass Hunde zum Beispiel zum Schutz von Wildtieren nicht unangeleint laufen dürfen. "Die Leute sind immer bang, dass sie eine Anzeige bekommen. Das Beste ist aber, wenn man ruhig ist und mit Vernunft erklärt", sagt Michel. Zur Aufklärung trägt er Merkblätter der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald bei sich.

Auch das Aufsammeln von Müll gehört für ihn dazu. Sein erster Gang führt ihn deshalb immer an der "Schweinebank", wie er sie nennt, vorbei. Dort fand er sogar schon einen ganzen Kasten Bier, kaputte Regenschirme und anderen Unrat. Verständnis dafür hat er nicht. Für Michel steht der Respekt von Natur und Tierwelt im Fokus. Das versucht er den "Stadtmenschen" zu vermitteln: "Wenn man sich nicht jeden Tag sehen lässt, läuft alles drunter und drüber."

Das Abendlicht taucht den Hochsitz in ein romantisches Licht. Routiniert steigt der Jäger auf und öffnet die Kanzel. Die ist ein wahres Juwel und echtes Unikat. Denn Michel hat sie erst im vergangenen Jahr mithilfe einer "Jagdfreundin" neu gebaut. "Am Hohenhagen ist es immer windig. Da braucht man das schon." Kaum hat er die Tür geöffnet, offenbart sich ein gemütliches, zweites Wohnzimmer: Eine gepolsterte Bank, auf der Michel auch schon Nächte auf der Pirsch verbracht hat, und eine Ablage bieten genug Platz. Ein Ofen sorgt für Wärme. Alles ist vergleichsweise komfortabel.

Sobald die Fensterläden geöffnet sind, begeistert der Panoramablick. Bis zu 300 Meter weit kann Michel von seinem Lieblingshochsitz aus schauen. Damit es windgeschützt bleibt, sind bewegliche Plexiglasfenster eingebaut. Zwischen diesem und dem anderen sichtbaren Hochsitz hat Michel einen Wildacker für Tiere angelegt.

Noch während der Abenddämmerung hoppelt der erste Hase über die Lichtung. Der Mond steht bereits am Himmel, das letzte Rot der Sonne blitzt noch durch die Bäume, da zeigt sich wie aus dem Nichts das erste Reh - drei weitere werden an diesem Abend noch folgen.

"Wir müssen Rehe schießen, das geht gar nicht anders. Die Jagd ist ein Handwerk", erklärt Michel, der immer mit Bedacht zur Natur jagt. Häufig kommt er, wie an diesem Abend, nur zum Beobachten. In seiner über 60-jährigen Jagderfahrung hat er mehr Rehe gerettet als geschossen, etwa durch Fütterungen. Die Tröge hat er gebaut und im Hohenhagen aufgestellt.

Der Naturliebhaber hat viele Geschichten zu erzählen. Und man hört dem sympathischen Mann gerne zu. Sein außergewöhnlichstes Erlebnis: In einer Nacht hat er zehn Rehe, zwei Hasen, zwei Füchse und sieben Dachse auf einmal gesehen.

Wie lange er noch als Landschaftswächter aktiv sein wird, weiß er nicht. "Es macht mir Spaß, rauszugehen, und zu beobachten gibt es jeden Tag was", betont er mit einem Leuchten in seinen Augen. Sein Wunsch: Dass sich noch mehr Menschen engagieren, die viel im Wald unterwegs sind.

Bis 2019 läuft sein Ausweis, vermutlich wird er in seinem Revier noch einige Schuhsohlen verschleißen.

(RP)
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