Wermelskirchener Krämerladen hat finanzielle Probleme Aufgeben ist keine Option

Wermelskirchen · Mit dem Krämerladen ist ein Traum für Jochen Schmees in Erfüllung gegangen. Doch jetzt steht er vor großen finanziellen Problemen.

 Jochen Schmees steht in seinem Krämerladen in Wermelskirchen. Für ihn bedeutet das Geschäft Erfüllung, auch bei 70-Stunden-Wochen hat er die Entscheidung der Gründung nie in Frage gestellt. 

Jochen Schmees steht in seinem Krämerladen in Wermelskirchen. Für ihn bedeutet das Geschäft Erfüllung, auch bei 70-Stunden-Wochen hat er die Entscheidung der Gründung nie in Frage gestellt. 

Foto: Annika Lamm

„Wie das für mich wäre, wenn ich zu machen müsste?“, wiederholt Jochen Schmees die Frage und schluckt. Der Inhaber des Krämerladens lässt den Blick langsam über seinen Laden schweifen. „Das wäre sehr schlimm für mich“, sagt er dann leise. Er habe sich zu Beginn gesagt, wenn er jemals an dem Punkt ankommen würde, an dem er sein Erspartes anbrechen müssen, um das Geschäft weiter zu halten, würde er es aufgeben. An diesem Punkt sei er nun bald angelangt. Es ist ernst.

Seit zweieinhalb Jahren gibt es den Krämerladen in Wermelskirchen, mit ihm ist ein Traum von Jochen Schmees in Erfüllung gegangen. „Das ist kein Beruf, das ist eine Berufung“, sagt er und meint es auch so. Wenn Jochen Schmees über Lieferketten spricht, über nachhaltige Produktion, die Herkunft seiner Waren und menschenwürdige Arbeitsbedingungen kommt er richtig in Fahrt. Chiasamen verkauft er zum Beispiel nicht in seinem Laden, erklärt er, weil diese ein wichtiges Nahrungsmittel in den Herkunftsländern seien. Das wolle er den Menschen dort nicht wegnehmen. Und Hanfsamen seien sowieso gesünder, was allerdings nur wenige wüssten. Das Gemüse im Krämerladen ist bewusst ausschließlich saisonal und regional. Jochen Schmees steht voll hinter dem was er tut. Und er will etwas verändern.

Bevor er den Krämerladen eröffnete, war er 14 Jahre lang in der IT-Branche tätig. „Da ging es immer um höher, schneller, weiter. Die Nachhaltigkeit hat mir gefehlt.“ Betriebsbedingt wurde er auf einmal freigestellt, weil der Unternehmens-Standort in Köln geschlossen wurde. Nach der Geburt seiner Tochter, dem ersten seiner vier Kinder, und einer längeren Reise mit seiner Familie in einem ausgebauten Bulli, stand für ihn fest: In den IT-Job möchte er nie wieder zurück.

„Jetzt habe ich hier öfter auch mal 70-Stunden-Wochen, aber die Entscheidung für den Unverpackt-Laden habe ich noch keinen einzigen Tag in Frage gestellt“, sagt Jochen Schmees. In den ersten anderthalb Jahren sei es auch sehr gut gelaufen mit dem Krämerladen. Die von ihm zuvor festgelegten Umsatzziele im ersten Jahr habe er sogar überstiegen. Nach dem ersten Lockdown seien dann viele seiner Kunden verunsichert gewesen, ob er öffnen durfte, es wurde ruhiger. Das habe sich aber wieder eingependelt. „Brutal eingebrochen ist der Umsatz im Frühjahr 2021“, sagt Jochen Schmees. „Ich liege momentan bei 30 Prozent weniger Umsatz als in der Vor-Corona-Zeit.“ Das sei nicht nur bei ihm so, in der gesamten Branche gebe es die Probleme, auch in der Bio-Branche. „Keiner von uns kann sich erklären, woran das liegt“, sagt Jochen Schmees.

Gleichzeitig würde der Strom teurer werden, ebenso die Bio-Zertifizierungen, und auch die Lieferanten erhöhten ihre Preise. „Nudeln kosten derzeit 20 bis 25 Prozent mehr“, sagt Schmees. Ein weiteres Problem: Mindestbestellwerte der Lieferanten von 750 bis 1000 Euro. Diese Mindestbestellwerte zu erreichen sei momentan nicht besonders einfach. Deshalb gebe es in seinem Laden nun mitunter auch den einen oder anderen leeren Platz. „Daran hängt ein ganzer Rattenschwanz“, sagt Jochen Schmees. „Wenn ich die Mindestbestellwerte nicht erreiche, dann kann es sein, dass ich bestimmte Ware länger nicht da habe. Dann sind die Kunden unzufrieden und kaufen diese Produkte woanders ein. Und kommen dann vielleicht gar nicht mehr.“

Geld verdient hat er mit dem Geschäft im gesamten vergangenen Jahr nicht. Gereicht habe es gerade, um neue Ware zu bestellen, die Miete und seine beiden Mitarbeiter und seine Auszubildende zu bezahlen. „Das ist für mich gerade purer Idealismus, diesen Laden zu führen“, sagt Jochen Schmees.

Seine prekäre Lage hat er zuletzt in einem Post auf dem Sozialen Medium Instagram und auf seiner eigenen Webseite erläutert. Es habe viele positive Rückmeldungen gegeben und Verständnis. Und es kamen auch einige Kunden wieder zum Einkaufen, die er länger nicht mehr im Laden gesehen habe. Wie es sich weiter entwickele, sei aber schwer einzuschätzen. Aufgeben ist für Jochen Schmees aber keine Option – noch nicht. „Optimismus muss sein“, sagt er, holt einmal tief Luft und steht dann auf, um einen Kunden zu bedienen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort