Kultur in der Kirche in Unterburg Zweimal ausverkauftes Haus zur Premiere

Unterburg · Die Künstler von „Blickwinkel Art“ sorgten in der Unterburger Kirche am Sonntag für den Beginn eines neues Kapitels: Nach dem Hochwasser wird das Gotteshaus als Kultur- und Begegnungsort neu belebt.

 Blechblasklänge treffen auf elektronische Musik: Christopher Collings und Juan Juan von „Blickwinkel Art“ gastierten in der Burger Kirche.

Blechblasklänge treffen auf elektronische Musik: Christopher Collings und Juan Juan von „Blickwinkel Art“ gastierten in der Burger Kirche.

Foto: Theresa Demski

Das letzte Tageslicht fällt durch die großen, unbemalten Kirchenfenster. Im goldenen Kronleuchter, der tief von der Decke hängt, reflektiert das gelbe Licht vom Mischpult. Und aus den vier Lautsprechern, die in den Ecken des alten Kirchenraums einen Platz gefunden haben, schleicht sich schon jetzt gelegentlich eine Vogelstimme. Für das alte Gotteshaus in Unterburg dürfte es genauso wie für die Menschen eine Premiere sein, was an diesem Abend geschieht. „Ich weiß nicht, was mich erwartet“, sagt Birgit Siekmann. Und ähnlich gehe es auch den Künstlern selbst, fügt sie dann schmunzelnd hinzu. „Wir erleben experimentelle Kunst, die sich immer wieder verändert“, erklärt sie. Birgit Siekmann gehört zu einer kleinen Gruppe von Unterburgern, die gemeinsam mit der Evangelischen Kirchengemeinde in Wermelskirchen den besonderen Ort im Tal neu beleben wollen – und dabei auf die Kultur setzen. Ein Ort, der Raum für Musik und Fest, für neue Ideen und wertvolle Begegnungen bietet, soll in der Unterburger Kirche entstehen. Das hat die Gemeinde nach dem Hochwasser gemeinsam mit den Menschen in Unterburg beschlossen.

Am Sonntagabend beginnt dieses neue Kapitel – mit zwei ausverkauften Veranstaltungen. „Willkommen in Unterburg. Willkommen im besonderen Gotteshaus“, sagt Birgit Siekmann noch und dann überlässt sie die Bühne den Künstlern von „Blickwinkel Art“.

Juan Verdaguer sitzt bereits am Mischpult in der Mitte des Raums – umgeben von den Zuhörern. Die Geräusche aus den Lautsprechern werden lauter, der Zuhörer wähnt sich in der Krone eines Baumes, im Dschungel, wo auch immer ihn die Phantasie hinführt. Mit konzentrierten Griffen des Künstlers am Mischpult gesellen sich Klänge und leise Melodien dazu, die durch die Kirche zu wandern scheinen – von Lautsprecher zu Lautsprecher, von Ecke zu Ecke. Surround-Sound-Erlebnis nennen die Künstler diesen Effekt. Und plötzlich gesellen sich Trompetentöne dazu. Elektronisch oder live? Das bleibt dem Zuhörer fürs erste verborgen. Das gleiche gilt für die Glockenklänge, die sich im Hintergrund zu der ungewohnten Geräuschkulisse gesellen. Dann sucht sich Christopher Collings mit seinem Blechblasinstrument einen Weg von der Empore aus an das zweite Mischpult im Kirchenraum.Elektronische Musik trifft auf Blechblasklänge. Und an der Decke des alten Gebäudes, das in seiner Geschichte manches gesehen und erlebt hat, beginnt eine Lichtprojektion. Die Zuschauer legen die Köpfe in den Nacken und scheinen an den Mauern des Kirchturms hinaufzublicken in die Krone eines Baumes.

Die Bilder bewegen und verändern sich und ermöglichen dem Zuschauer gleichzeitig eine neue Perspektive in diesem geschichtsträchtige Raum. Mal scheinen sie in einen Sternenhimmel zu blicken. Ein anderes Mal wirkt es fast so, als wolle der Blick in die Baumkrone den Tiergeräuschen auf die Spur kommen wollen. Dazu zaubert Christopher Collings – mit Trompete, Horn und Didgeridoo, mit elektronischer Verstärkung und einem Loop, der es ihm möglich macht, sein Instrument mehrstimmig erklingen zu lassen. Er musiziert, nimmt auf, spielt ab. Und Juan Verdaguer arrangiert dazu elektronische Musik, die sich auch des Glockenklangs bedient. Die Klänge sind längst nicht immer harmonisch, Christopher Collings verlangt seinem Instrument alles ab, die höchsten und die tiefsten Töne und auch jene Klänge, die ein Blasinstrument bisher selten hergegeben haben dürfte. Was der Zuhörer daraus macht, was er erlebt und an der Kirchendecke sieht, das bleibt ihm am Ende selber überlassen. Auch ob er sich auf die besondere Performance einlässt.

Inzwischen ist es draußen dunkel geworden – und auch in der Kirche gibt es kaum künstliches Licht. Erst als die Klänge verhallen und vom Applaus der Zuhörer abgelöst werden, schaltet irgendjemand das Licht ein. Die Veranstalter haben vor der Kirche Laternen aufgestellt, gleich kommen die Besucher für die zweite Show. Birgit Siekmann blickt sich still in der Kirche um. Die Premiere ist gelungen. Und für die alten Mauern dürfte es nicht die letzte Begegnung mit neuen Ideen gewesen sein.

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