Wermelskirchen Über Demenz spricht man nicht

Wermelskirchen · Wenn Angehörige Demenzkranke zu Hause pflegen, dann fühlen sie sich oft allein gelassen. Der Arbeitskreis Revivio informiert deshalb die Angehörigen in einer Seminarreihe über zahlreiche Hilfsmöglichkeiten.

Immer mehr Menschen erkranken im Alter an Demenz. Und trotzdem ist sie als eine der häufigsten Alterserkrankungen ein Tabuthema – auch in Wermelskirchen: Das wissen pflegende Angehörige. Und das erleben die Ansprechpartner vor Ort, die zahlreiche Hilfsangebote für Betroffene und Angehörige bereithalten, sich aber immer noch wieder neu bekannt machen müssen.

Wenn Eltern zu Kindern werden

"Über Demenz spricht man nicht, sie ist immer noch ein Tabu", weiß Sozialdezernent Jürgen Graef aus persönlicher Erfahrung. Er hat seine demenzkranke Mutter gepflegt und miterlebt, wie es ist, wenn sich ein nahestehender Mensch grundlegend verändert: "Für mich als Kind war meine Mutter immer der Fels in der Brandung, doch dann wurde sie plötzlich zum Kind", schildert er eine Erfahrung, die alle Angehörige von Demenzkranken teilen.

Und um dieses Teilen von Erfahrungen und Leid, vor allem aber auch um Wege, das Leben für den Kranken und den Angehörigen zu erleichtern, geht es in der Seminarreihe des Arbeitskreises Revivio. In fünf Kompaktseminaren geben Tagepflege, Haus Vogelsang, Wohnberatung, das Demenz-Servicezentrum, Hospizverein und Gesprächskreis für pflegende Angehörige wichtige Einblicke in die breite Palette von Hilfsmöglichkeiten für Angehörige. Und sie laden auch die Demenzkranken ganz bewusst mit ein, denn sie wissen dass die Angehörigen sich oft so gut wie gar nicht von zu Hause wegbewegen können, wenn sie keine Betreuung für die Demenzkranken haben. Zu den Seminarstunden werde diese dann aber professionell betreut.

Was es bedeutet, an Demenz erkrankte Angehörige zu pflegen, darüber berichteten gestern auch freimütig Werner Stolze und Gudrun Tesche, die aber mittlerweile durch den Arbeitskreis Revivio Ansprechpartner, den Erfahrungsaustausch und Hilfen gefunden haben.

"Wie in einem Gefängnis"

"Ich fühle mich wie in einem Gefängnis", gibt Gudrun Tesche zu, die ihre demenzkranke Mutter bei sich zu Hause pflegt. Das ganze Leben sei auf den Kopf gestellt, die gesamte Zeit, alles drehe sich nur noch um die Pflege: "Wir haben schon lange keinen Urlaub mehr gemacht", berichtet sie. Werner Stolze hatte seine demenzkranke Frau zunächst zwei Jahre lang noch zu Hause gepflegt, bis er selbst darüber erkrankte: "Ich konnte keine Nacht mehr schlafen", berichtet er. Auf ärztlichen Rat zog er dann gemeinsam mit seiner Frau ins Betreute Wohnen von Haus Vogelsang: "Wir sind über 50 Jahre verheiratet, ich habe meine Frau nicht alleine ins Altenheim ziehen lassen, obwohl mich viele Bekannte schief angesehen haben", gibt Werner Stolze zu.

Und er sagt heute: "Diese Entscheidung war genau richtig. Ich kann wieder schlafen, bin wieder gesund." Und für seine Frau werde jetzt auch gesorgt, wenn er sich mal Zeit für sich selbst nehme.

(RP)
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