Interview mit Eric Weik „Sparen ist eine Investition in die Zukunft“

Wermelskirchen · Bürgermeister Eric Weik spricht über Bauprojekte, den Umgang mit den Politikern und Wermelskirchens finanziell prekäre Lage.

 Wermelskirchens Bürgermeister Eric Weik

Wermelskirchens Bürgermeister Eric Weik

Foto: Nico Hertgen (Archiv)

Wie fühlen Sie sich auf der Baustelle?

Weik (lacht) Ehrlich gesagt fühle ich mich gut. Heute ist meine Heizung ausgefallen, weil's hier reingeregnet hat und der Heizungsfühler feucht wurde. Wir sind verhüllt. Das hat ein bisschen was von Christo. Das finde ich auch angemessen für das schönste Rathaus in der schönsten Stadt im Bergischen Land. Ich bin froh, dass es voran geht nach so vielen Jahren. Man kann ja schon auf der anderen Seite des Rathauses über dem Eingang sehen, wie es mal wird. Ich kenne bisher nur positive Reaktionen auf die neue Fassade. Tenor ist: Es wird schöner, als es mal war. Ich bin froh, wenn wir das Erbe mit dieser Fassade abgearbeitet haben.

Lässt sich da noch arbeiten? Oder gibt es für Sie oder ihre Mitarbeiter eine Auszeit, wenn's zu laut wird?

Weik Wenn es zu laut wird, kann man das niemandem zumuten. Wir haben verschiedene Regelungen. Eine erhöhte Flexibilität in der Arbeitszeit bedeutet: Jeder kann früher kommen und früher gehen, wenn's zu laut wird. Die lauten Arbeiten finden erst nach 14 Uhr statt. Die Besprechungen werden so gelegt, dass es geht. Ganz selten ist es mal richtig laut. Dann wechseln die Kollegen die Büros. Im Computerzeitalter ist das problemlos möglich.

Musste es wirklich neun Jahre dauern, bis die Arbeiten beginnen konnten?

Weik Ich glaube, dass es zu lange gedauert hat. Aber es waren viele Fragen zu klären. Beginnend bei der Energieeinsparverordnung und der Frage, ob man nur die Fassade erneuern kann oder auch eine neue Heizung eingebaut werden muss? Und wie verhält sich das mit der Dämmung, wie mit den Fenstern? Dann gab es zudem urheberrechtliche Fragen zu klären. Und die Frage: Machen wir eine Übergangs- oder Dauerlösung? Und das Ganze musste finanzierbar sein. Und darüber hinaus galt es abzuwägen, ob Schüler und Lehrer in schadstoffbelasteten Räumen lernen oder arbeiten müssen oder die Rathausfassade repariert werden sollte — dann sage ich, dann mache ich erst mal die Schule. Ja, es dauerte zu lange, aber es gab auch viele andere Fragen und geerbte Baustellen.

Wie gefällt Ihnen die künftige Blechfassade?

Weik Das ist kein Blech, das ist Alu. Ich finde diese vorgehängte Lösung optisch sehr gut, wobei keiner von uns weiß, wie es auf der riesengroßen Fläche des Bürgerzentrums wirkt. Aber der erste Eindruck, den wir von der Probefläche haben, ist sehr gut. Ich glaube, das Rathaus wird deutlich moderner wirken — und vor allem viel sauberer. Der Marmor ist nicht mehr sauber zu bekommen.

In zehn Jahren werden die Bürger sagen: Erst Marmorpalast, jetzt Blechhütte — können Sie damit leben?

Weik Für mich ist es kein Blech. Es wird einen schönen Eindruck machen und nicht mehr die Innenstadt verschandeln.

Im Rat wurde Ihnen keine Entlastung für das Jahr 2012 erteilt. Die Entscheidung wurde verschoben. Können Sie damit leben?

Weik Ach ja, das ist Politik-Gebrumme. Das ist mir nicht wichtig. Damit kann ich gut leben.

Es ging um die fehlerhaften Abrechnungsbescheide. Die Grünen wollen dies erst aufgeklärt haben. Wie ist der Sachstand?

Weik Wir werden das im Rechnungsprüfungsausschuss nichtöffentlich besprechen. Ansonsten ist das ein laufendes Verfahren, zu dem ich derzeit im Interesse städtischer Gelder nichts sage.

Warum geht es da nicht weiter? Die Bürger wollen schon wissen, ob der Stadt ein Schaden von einer Million Euro entstanden und wer dafür verantwortlich ist.

Weik Klar, das ist spannend. Vor allem für die Medien und die Politiker. Meine Aufgabe ist es, Schaden von der Stadt abzuwenden und nicht zu skandalisieren. Das versuche ich gerade.

Werden Sie die Öffentlichkeit informieren? Und wann?

Weik Ja, wenn das Verfahren abgeschlossen ist.

Haben Sie jetzt schon aus dem Vorgang Konsequenzen gezogen?

Weik Dazu äußere ich mich, wenn das Verfahren abgeschlossen ist.

Der Ton wird im Stadtrat rauer. Wohin soll das führen?

Weik Das führt zur nächsten Bürgermeisterwahl. Das führt zu schwierigen Entscheidungen, weil wir einen schwierigen Haushalt haben. Politiker profilieren sich hauptsächlich durch Streit im Stadtrat. Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt.

Die Wunschliste der Politiker ist lang: Hallenbad, Kunstrasen, um nur zwei große Projekte zu nennen — was sagen Sie dazu?

Weik Sparen ist auch eine Investition in die Zukunft der Stadt. Wenn wir nicht aufpassen, schaffen wir es nicht, unseren Haushalt 2021 auszugleichen. Dann werden wir solche Entscheidungen nicht mehr alleine, sondern mit der Kommunalaufsicht treffen müssen. Dann wird für Politiker ein ganz neues Zeitalter anbrechen. In Wermelskirchen sind wir verwöhnt — trotz schwieriger Lage geht es uns ja relativ gut. Sehen Sie unsere Nachbarstadt Burscheid — die kennen das seit Jahren nicht anders als sparen zu müssen. Für uns ist das immer noch eine Umstellung. Wir sollten vorsichtig sein. Noch ist unser Haushalt genehmigungsfähig. Wenn wir den nicht mehr genehmigt bekommen, brechen ganz neue Zeiten an. Ich hoffe deshalb, dass alle so vernünftig sind, dass wir 2021 den Haushaltsausgleich schaffen. Das heißt: Jede Wunschliste muss gekürzt oder eine Einsparung in entsprechender Höhe vorgeschlagen werden.

Wird der "Pakt der Vernunft", zu dem Sie in der letzten Wahlperiode aufgerufen haben, halten?

Weik Ja. Wir haben jeden Haushalt in den vergangenen Jahren — nach viel oder auch nach weniger Streit — einstimmig oder mit großen Mehrheiten verabschiedet bekommen. Den meisten Politikern im Stadtrat ist am Ende bewusst, die beste Entscheidung für die Stadt treffen zu müssen. Deshalb ja — den Pakt der Vernunft gibt es, gerade wenn es ernst wird.

Die wichtigsten Entscheidungen — Fassade, Schullandschaft, PCB — sind im vergangenen Jahr fast einstimmig beschlossen worden. Wird es solche Abstimmungsergebnisse künftig mit der neuen bürgerlichen Verbindung auch geben?

Weik Ja klar. Wir haben Entscheidungen in der vergangenen Wahlperiode ja auch mit den Stimmen von CDU und SPD, Bürgerforum, WNKUWG, FDP getroffen — warum soll das nicht zukünftig auch so sein? Es ist wichtig, dass man am Ende der Diskussion, auch wenn man aus verschiedenen Richtungen kommt, eine gemeinsame Plattform findet und dass es parteiübergreifende Vernunft gibt. Das hat es in der letzten und der vorherigen Wahlperiode gegeben — ich bin ja immerhin im elften Jahr Bürgermeister. Das wird auch jetzt wieder klappen.

Ihr Verhältnis zu Christian Klicki ist nicht von Freundschaft geprägt. Er will sie weghaben — das sagt er offen. Wie leben Sie damit?

Weik Das ist alles nicht neu. Die CDU hätte gern einen eigenen Bürgermeister, weil sie aus der Zeit kommt, als früher im Stadtrat und in der CDU-Fraktion entschieden wurde, wer Bürgermeister wurde. Das entscheiden jetzt die Bürger. Das entscheidet nicht Herr Klicki. Deshalb ist mir seine Meinung ganz egal. Das ist sein Job, einen eigenen Bürgermeisterkandidaten aufzustellen. Er hat ja nicht einmal einen Kandidaten. Ohne Kandidat gibt es auch keinen Bürgermeister. Ich finde nicht, dass der Bürgermeister mit dem CDU-Fraktionsvorsitzenden befreundet sein sollte. Ich jedenfalls suche auch keine Freundschaft. Ich freue mich, wenn der junge Herr Klicki einen ordentlichen Umgangston findet.

Wie wollen Sie mit der CDU, immerhin die größte Fraktion im Stadtrat, 2015 weiterarbeiten?

Weik So wie in den vergangenen Jahren — offen, ehrlich und zuverlässig. Das gilt aber auch für alle anderen Fraktionen. Warum soll ich mit der CDU anders umgehen? Die CDU nennt sich Volkspartei und ist heute gerade einmal bei 35 Prozent. Früher hatte sie über 50 Prozent.

Ihre einstige Hausmacht ist weggebrochen — kann man da noch eine Verwaltung lenken, also die Stadt aus den Schulden herausführen?

Weik Eine Hausmacht gibt es nicht mehr. Es gibt jetzt neue Bündnisse. Das spielt für mich eigentlich keine Rolle. Die ersten fünf Jahre meiner Amtszeit hatte ich auch keine eigene Mehrheit im Stadtrat. Und trotzdem haben wir alle wichtigen Entscheidungen mit großen Mehrheiten beschlossen. Ich sehe da kein Problem.

Kann man da noch Leuchttürme setzen?

Weik Muss man ständig. Wir müssen weiterhin im Wettbewerb der Städte dafür sorgen, dass Wermelskirchen Punkte macht. Wir sind am Rand des Speckgürtels von Köln. Es wird angesichts der demografischen Entwicklung nur wenige Gewinner geben. Dazu gehört Köln. Je weiter man von Köln weggeht, umso schwieriger wird's. Wir könnten noch davon profitieren, Remscheid wohl nicht mehr. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass möglichst viele Menschen Wermelskirchen kennenlernen und erfahren, dass es der richtige Ort ist zum Leben, zum Lernen, zum Arbeiten. Das müssen wir jedem erzählen.

Was ist die Herausforderung 2015?

Weik Wir werden den Innenstadt-Umbau 2015 abschließen mit dem Ende des Umbaus Obere Remscheider Straße und dem Start für den Neubau Busbahnhof. Dann ist ein über zehn Jahre währender Umbauprozess zu Ende, der die Stadt die nächsten Jahrzehnte prägen wird. Was mit dem Start Schwanenplatz unter meinem Vorgänger begonnen hat, sich dann mit der Eich, der Kölner und Telegrafenstraße sowie Markt fortsetzte, war ein Riesending für unsere Stadt. Ich bin mir ganz sicher, dass das eine gute Entscheidung für unsere Stadt war. Das hat auch meine bisherigen elf Jahre Amtszeit geprägt. Diese ganze Umbaumaßnahme hat viel Kraft in der Verwaltung gekostet. Dass der Umbau zum Abschluss kommt, ist gut für die Stadt.

Ist eine Feier geplant?

Weik Das entscheiden wir, wenn der Abschluss erfolgt ist.

Gibt es weitere Herausforderungen?

Weik Natürlich. Da ist die Waldschule. Eine neue Schule — welche Stadt kann das heute noch in diesen schwierigen finanziellen Zeiten? Die Kinder werden, wenn alles klappt, nächstes Jahr schon am Vogelsang zur Schule gehen. Das ist etwas Besonderes. Und wir werden mit dem Umbau des neuen Schulzentrums Ost, also der neuen Sekundarschule, beginnen — mit dem Abriss der Grundschule Ost und der Turnhalle. Die Submission für die Planung hat bereits begonnen. Wir vergeben den Auftrag für die neue Planung. Ich bin gespannt, was da an Ideen kommt. Dann haben wir die Jubiläen 40 Jahre Loches und 25 Jahre Forst. Im Mai feiern wir mit den Lochois in Wermelskirchen, im Juli reisen wir nach Forst.

Wie sieht es mit der Rhombus-Brache und dem Loches-Platz aus?

Weik Natürlich wird uns das Thema Rhombus und Loches-Platz beschäftigen. Wir haben vor kurzem ein Gutachten in Auftrag gegeben, um wichtige Fragen zu klären: Was passiert, wenn vor dem Hotel "Zur Eich" an der sensiblen Kreuzung Eich/Telegrafenstraße/Brückenweg mehrere Tausend Fahrzeuge täglich zu einem möglicherweise anzusiedelnden Vollsortimenter auf den Loches-Platz rein- und rausfahren? Was passiert dann überhaupt mit der Innenstadt? Schafft der Kreisel Jörgensgasse diesen Verkehr? Das ist alles nicht dafür ausgelegt. Ich habe große Bedenken. Das ist ja bekannt. Auch wegen der Kirmes. Aber wir schauen jetzt erst mal, was mit dem Verkehr machbar ist. Diese Bedenken habe ich immer geäußert. Aber keiner wollte es hören.

Wie groß wäre die Verkehrsbelastung durch einen Vollsortimenter?

Weik Ich rechne mit 4000 bis 8000 Autos täglich. Vollsortimenter stehen sonst in den Vororten an den Autobahnen oder Ausfallstraßen. Die sind enorm groß. Ein Rewe auf dem Loches-Platz — das würde den Platz umhauen. Dann ist da nichts mehr mit Kirmes und nichts mehr mit Parken.

Was wird aus der Rhombus-Fläche?

Weik Rhombus bleibt für mich ein Thema. Es ist ein Schandfleck in unserer Stadt, den wir entwickeln müssen. Wir müssen den Eigentümern helfen. Das muss dort nicht der große Vollsortimenter sein, obwohl ich das für eine gute Idee halte, aber das hat die Politik ja abgelehnt. Aber Rhombus darf nicht weitere 20 Jahre so stehenbleiben.

Zum Loches-Platz gehört auch Parken…

Weik Ja, das Thema Parken müssen wir in den Griff bekommen. Und das hat eben auch wieder mit dem Loches-Platz zu tun. Wir brauchen Möglichkeiten, in der Nähe der Innenstadt tagsüber Parkraum zu schaffen — und zwar für Menschen, die in der Stadt leben, die als Kunden einkaufen wollen und die dort arbeiten. Die müssen irgendwo ihr Auto abstellen können. Im Moment ist es zu wenig. Das hat nichts mit Ideologien zu tun — wir wollen, dass die Menschen in unsere Stadt kommen. Dass der Einzelhandel in unserer Stadt funktioniert. Uhles Parkplatz bringt Entlastung — wenigstens für Kunden, die dort einkaufen. Wir brauchen aber auf dem Loches-Platz die Möglichkeit, ganztägig dort kostenfrei parken zu können. Das geht mit einem Vollsortimenter nicht. Deshalb glaube ich, dass dies schwierig wird. Und wir reden über eine über 400-jährige Traditionsveranstaltung — die Kirmes. Die müssen wir erhalten. Schauen wir mal, was daraus wird. Es sind große Herausforderungen für die nächsten Jahre. Der Einzelhandel funktioniert, wir haben relativ wenig Leerstände. Wichtig ist mir: Wir sollten noch mehr Leben hinkriegen in Richtung Schwanenplatz. Da müssen aber alle Beteiligten mitziehen — Hauseigentümer, Vermieter. Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen.

Wie ist Ihre Lebensplanung?

Weik Sie sprechen da sicher den 13. September an, also den Wahltermin für den Bürgermeister. Der Termin ist noch so lange hin. Dazu werde ich mich rechtzeitig erklären. Aber jetzt noch nicht.

Udo Teifel führte das Gespräch.

(RP)
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