Ein Jahr nach der Flut Nach dem Hochwasser neuen Mut gefunden

Solingen / Wermelskirchen · Die Tagespflege und die Wohngruppen der Diakonie in Unterburg wurden im Juli 2021 vom Hochwasser hart getroffen – genauso wie deren Vermieter.

 Ein Jahr nach dem Hochwasser: Eschbach und Wupper fließen wieder in geregelten Bahnen. An vielen Häusern werden noch Arbeiten zur Sanierung und Sicherung umgesetzt.

Ein Jahr nach dem Hochwasser: Eschbach und Wupper fließen wieder in geregelten Bahnen. An vielen Häusern werden noch Arbeiten zur Sanierung und Sicherung umgesetzt.

Foto: Theresa Demski

Das Wasser stieg. Mit jeder Minute schienen Wupper und Eschbach an Geschwindigkeit zu gewinnen, die ersten kleinen Bachläufe suchten sich ihren Weg über die Straße. Und umso dunkler es wurde, desto dramatischer schien die Situation. Die Türen der Tagespflege der Diakonie hatten bereits geschlossen, die Tagesgäste waren längst zu Hause. Ein paar Meter weiter blickten die Mitarbeiter der Demenz-Wohngruppe allerdings seit dem Nachmittag sorgenvoll auf den Fluss und das Wetter. Elf Bewohner und die Pflegekräfte hatten sich bereits in die erste Etage gerettet, im Erdgeschoss stand schon das Wasser. Gegen Mitternacht beschlossen die Einsatzkräfte gemeinsam mit der Diakonie, die Bewohner zu evakuieren – mit Booten der Feuerwehr. „Bewohner und Mitarbeiter sind traumatisiert von dieser Nacht“, hatte Peter Siebel, Geschäftsführer der Diakonie, damals betroffen erklärt.

Am nächsten Morgen deutete sich dann der verheerende Schaden an, den das Wasser auch in den Gebäuden hinterlassen hatte. „Katastrophe“, sagt Helga Schindler, deren Familie insgesamt drei Gebäude an der Eschbachstraße gehören – unter ihnen der Burger Hof und die Burgresidenz. Sie selbst seien im Urlaub gewesen. Sohn und Schwiegertochter hatten schließlich mitgeteilt: „Da ist nichts mehr zu retten.“ 1,78 Meter hoch stand das Wasser in den Gebäuden. „Es war eine Katastrophe“, wiederholt Helga Schindler.

Während die Menschen der Wohngruppe eine Übergangslösung im Malterserstift St. Antonius fanden, musste die Tagespflege ihren Gästen fürs erste schlichtweg absagen. „In den ersten Tagen wussten wir nicht, ob es weitergehen würde“, sagte Peter Siebel später. Und auch Helga Schindler erinnert sich an die Hilflosigkeit direkt nach der Flut. Diakonie-Mitarbeiter und Hauseigentümer machten sich ans Aufräumen. „Im Erdgeschoss mussten wir bis zum Rohbau zurückbauen“, sagt Helga Schindler. Das Wasser hatte sich seinen Weg in jede Ritze der alten Gebäude gesucht, die Böden angehoben, die Elektrik zerstört – das komplette Inventar landete auf dem Müll. „Wir hingen völlig in der Luft“, erzählt Helga Schindler heute. Die Sofortprogramme der Politik schlossen Vermieter nicht ein. Auch die Diakonie begann zu rechnen. „Wir wussten nicht, ob wir das packen“, sagt Helga Schindler. Aber damit es überhaupt weitergehen konnte, damit die Diakonie und das Burger Büdchen eine Perspektive entwickeln konnten, begann Familie Schindler sofort mit dem Wiederaufbau. „Wir liehen uns Geld und dank des Netzwerks unseres Sohnes im Handwerk, konnten wir schnell beginnen“, sagt sie.

 Das Hochwasser am 14./15. Juli 2021 sorgte in Unterburg für verheerende Schäden.

Das Hochwasser am 14./15. Juli 2021 sorgte in Unterburg für verheerende Schäden.

Foto: Peter Meuter
 Das Wasser aus Wupper und Eschbach hatte das Erdgeschoss geflutet und große Schäden verursacht.

Das Wasser aus Wupper und Eschbach hatte das Erdgeschoss geflutet und große Schäden verursacht.

Foto: Jürgen Moll

Die Menschen der Wohngemeinschaft kehrten schnell in ihr vertrautes Umfeld zurück. Anfang September verkündete auch die Tagespflege der Diakonie, sie würde weitermachen. Viele Spenden waren eingegangen, 20.000 Euro Soforthilfe waren geflossen und die Kirchengemeinde Wermelskirchen hatte als größter Gesellschafter ein Darlehen von 150.000 Euro bewilligt. Auch für Familie Schindler zeichnete sich acht Wochen nach dem Hochwasser eine finanzielle Perspektive ab. „Ich habe Briefe an Herrn Lindner und Frau Baerbock geschickt“, erzählt Helga Schindler, „beide haben geantwortet. Und dann wurde das Wiederaufbauprogramm ins Leben gerufen, das auch Hilfe für Vermieter vorsah.“ Ab September konnte sie die dringend benötigten Gelder beantragen. Ein Jahr danach sagt sie: „Wir sind finanziell glimpflich davon gekommen.“

Auch die Diakonie ist schrittweise in einen neuen Alltag zurückgekehrt: 170.000 Euro haben man investiert, sagt Geschäftsführerin Corinna Dräger heute. Fast die Hälfte der Summe sei schließlich durch Spenden gestemmt worden. „Unsere Investitionskosten sind bis zum heutigen Tage noch nicht vollständig erstattet worden“, ergänzt sie mit Blick auf die Fördertopfe. Ein halbes Jahr haben die Renovierungsarbeiten gedauert. Die Mitarbeiter seien alle weiter beschäftigt worden. „Und wir haben uns als Arbeitgeber entschieden, betroffenen Mitarbeitern Supervisionen anzubieten, damit sie diese traumatischen Erfahrungen verarbeiten können“, erzählt Dräger. Am 14. Februar empfing die Tagespflege im Burger Hof wieder die ersten Besucher – nicht ohne Herausforderungen. „Viele Gäste wurden in anderen Tagespflegen untergebracht, in denen sie sich nun auch wohlfühlen“, erzählt die Geschäftsführerin der Diakonie, „eine Nachbelegung der freien Plätze gestaltet sich derzeit schwierig.“

Auch Familie Schindler hat noch mit den Folgen der Flut zu tun: „Noch sind nicht alle Arbeiten abgeschlossen“, sagt Helga Schindler. Deswegen seien aktuell auch Gerüste aufgestellt worden. „Und wir kümmern uns um einen Hochwasserschutz“, sagt sie. Es würden Mauern errichtet und an verschiedenen Stellen Schotts installiert. „Bis zu 60 Zentimeter können uns diese System schützen“, sagt sie, „gegen ein Hochwasser wie im Juli 2021 hätten wir aber keine Chance.“ Also hofft sie darauf, dass der Wupperverband beim nächsten Mal bessere Lösungen findet, um die heimischen Talsperren zu entlasten. „Die Angst sitzt uns aber im Nacken“, sagt Helga Schindler, „sobald es stärker regnet, blicken wir auf die Wetter- und Warn-Apps.“

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