Wermelskirchen Sichere Finanzierung für Beratungsarbeit gefordert

Wermelskirchen · Die AWO-Schuldnerberatung in Wermelskirchen wünschte sich eine politisch-ganzheitliche Strategie, um besonders die Armut von Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen.

Einen Rechtsanspruch auf ausreichende, niedrigschwellige und offene Beratungsangebote für überschuldete Menschen fordert die AWO-Schuldnerberatung Wermelskirchen. "Wenn Menschen in finanzielle Not geraten, brauchen sie - unabhängig von der Einkommenssituation - Unterstützung. Denn Überschuldung destabilisiert die Betroffenen in verschiedener Weise, nicht nur durch oft ungeklärte rechtliche, wirtschaftliche und soziale Fragen, sondern auch in psychischer und gesundheitlicher Hinsicht", sagt Jutta Paulig anlässlich der bundesweiten Aktionswoche Schuldnerberatung. Nicht selten entstehe ein Teufelskreis, den die Betroffenen oft ohne Begleitung nicht durchbrechen könnten. Jutta Paulig und Constanze Hempel sind die Schuldner- und Insolvenzberaterinnen der AWO Schuldnerberatung Wermelskirchen.

Verschuldung ist kein Einzelfall. Nach Angaben der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AGSBV) haben 647.136 Personen wegen finanzieller Probleme im Jahr 2015 in einer der 1400 Schuldner- und Insolvenzberatungsstellen in Deutschland das Beratungsangebot in Anspruch genommen. In Wermelskirchen jährlich etwa 150 Personen. Die Schuldenhöhe der beratenen Personen betrug bundesweit durchschnittlich 34.400 Euro, was etwa dem 33-fachen ihres Monatseinkommens entspricht. Hauptursachen für die Überschuldung waren Arbeitslosigkeit, längerfristiges Niedrigeinkommen, gesundheitliche Probleme, Trennung oder Tod des Partners.

Notwendig sei auch der politische Wille, die finanzielle Kompetenz von Erwachsenen, Kindern und Jugendlichen zu entwickeln und zu stärken. Das helfe, die Problematik von Ver- und Überschuldung langfristig zu reduzieren. "Zudem muss die Finanzierung der Schuldnerberatung gesichert werden, damit dieses auf nachhaltige Stabilisierung zielende Angebot greift", sagt Hempel. Die AWO-Schuldnerberatung hält es zudem für erforderlich, den Schuldnerschutz zu stärken. Das 2010 eingeführte Pfändungsschutzkonto erfülle eine wichtige Schutzfunktion für Überschuldete.

Aus der Erfahrung in der Praxis hält es die AWO-Schuldnerberatung auch für notwendig, die bedarfsdeckende Existenzsicherung zu gewährleisten. Viele Ratsuchende, so die Beobachtung, seien in prekären Beschäftigungsverhältnissen sogenannte "Aufstocker". Eine ganzheitliche, politikfeldübergreifende Strategie sei erforderlich, um insbesondere Armut von Kindern und Jugendlichen zu bekämpfen. Und Ratsuchende mit niedrigem Einkommen dürften nicht länger gezwungen sein, bei größeren Reparaturen oder der Anschaffung einer Waschmaschine oder eines Kühlschranks Finanzierungsangebote zu nutzen oder Darlehen beim Jobcenter aufzunehmen.

Die AWO-Schuldnerberatung fordert zudem, dass der Anteil für Strom im Regelbedarf der Grundsicherung höher bemessen werden muss. "Die Grundversorgung mit Energie gehört zur Existenzsicherung. Die gestiegenen Kosten für Energie führen dazu, dass immer mehr Menschen mit niedrigem Einkommen ihre Strom- und Heizkostenrechnung nicht mehr bezahlen können und sich verschulden."

Schließlich müsse der Gesetzgeber eine Regelung finden, damit verschuldete Menschen, die Beitragsrückstände bei ihrer gesetzlichen Krankenkasse oder in der privaten Krankenversicherung haben, dennoch Zugang zum Leistungsumfang der Regelversorgung erhalten, so die Schuldnerberaterinnen. Zudem müsse es für so genannte Kleinselbstständige einen bezahlbaren Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung geben.

(tei.-)
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