Sicherheit in Wermelskirchen So schützt die Verwaltung die Mitarbeiter vor Gewalt

Wermelskirchen · Verbale Übergriffe gegen städtische Mitarbeiter sind an der Tagesordnung. Körperliche Gewalt hält sich noch in Grenzen, wird aber mehr. Um Verwaltungsangehörige zu schützen, ist die Stadt Wermelskirchen dem NRW-Netzwerk „Sicher im Dienst“ beigetreten.

 Seit dem jüngsten "Sicher im Dienst"-Treffen gehört Wermelskirchen zu dem Netzwerk (v.l.): Landrat Stephan Santelmann, Bürgermeisterin Marion Lück, NRW-Innenminister Herbert Reul und der Overather Bürgermeister Christoph Nicodemus.

Seit dem jüngsten "Sicher im Dienst"-Treffen gehört Wermelskirchen zu dem Netzwerk (v.l.): Landrat Stephan Santelmann, Bürgermeisterin Marion Lück, NRW-Innenminister Herbert Reul und der Overather Bürgermeister Christoph Nicodemus.

Foto: IMNRW / Jochen Tack

Es ist ein schwarzes Ein-Hand-Klappmesser, das Ordnungsamtsleiter Arne Feldmann vorzeigt: „Das haben wir einem 16-Jährigen auf der Herbstkirmes abgenommen. Sehr gefährlich, denn im Dunkeln ist diese Waffe kaum zu erkennen.“ Wegen solcher Vorfälle trage das Team des Kommunalen Ordnungsdienstes im Einsatz Schutzwesten, denn: „Es ist unsere Verantwortung, dass die Kollegen nach Feierabend gesund heimkommen – das sind wir nicht zuletzt deren Familien schuldig.“ Die Schilderung des Ordnungsamtsleiters ist nach dessen Angaben ein Beispiel für die Gefahren, denen Mitarbeiter der Stadt im Dienst ausgesetzt sind: „Die Sache mit dem Messer ist sicherlich nicht alltäglich, aber wir wissen eben nie, wann und wo etwas passiert.“

Um die städtischen Mitarbeiter noch besser als bisher gegen verbale und körperliche Gewalt zu wappnen, ist die Stadt Wermelskirchen dem NRW-Netzwerk „Sicher im Dienst“ beigetreten. „Dieses Präventionsnetzwerk hat sich zum Schutz von Beschäftigten im öffentlichen Dienst gegründet, weil sich die Lage verändert hat. Über 500 Behörden und Organisationen gehören ihm bereits an“, sagt Bürgermeisterin Marion Lück, die beim jüngsten „Sicher im Dienst“-Treffen die Beitrittsurkunde unterzeichnete. Die Bürgermeisterin stellt fest: „Die Hemmschwellen sind gesunken. Es ist eine Verrohung innerhalb der Gesellschaft zu beobachten, auch wenn das nicht für die Mehrheit der Menschen gilt.“ Innerhalb des Netzwerkes herrsche ein reger Erfahrungsaustausch, die Ideen und Vorschläge für Präventionsmaßnahmen seien auf Innen- als auch Außendienst oder genauso Mandatsträger wie Stadtratsangehörige zugeschnitten.

Die Gewährleistung von Sicherheit im Dienst betreffe demnach einen beträchtlichen Teil der städtischen Mitarbeiter: allen voran Ordnungsamt, Feuerwehr und Rettungsdienst, aber genauso Jugend- und Sozialamt, Abgaben-Erhebung, Vollstreckung, Bürgerbüro oder auch das Bauamt, wenn es beispielsweise um die Beseitigung von nicht genehmigten Bauten gehe.

„Das Wort ‚Nein‘ ist nicht beliebt“, stellt Wermelskirchens Sozialamtsleiterin Tanja Dehnen fest: „Wir hatten schon immer verbale Übergriffe – das kommt bei uns nicht täglich vor, aber immer mal wieder.“ Dazu gesellten sich manchmal „fliegende Stühle oder Tische“. Das Sozialamt habe sich auf die Situation eingestellt, erläutert Tanja Dehnen: „Unter anderem sind unsere Arbeitsplätze nach dem ‚Aachener Modell‘ begutachtet.“ Dabei gehe es unter anderem um Fragen, wie die Ausrichtung des Schreibtisches im Raum ist und wo die schnellste Fluchtmöglichkeit besteht. Und das Sozialamt halte eine Zwischentür grundsätzlich geschlossen, was zur Folge hat, dass Besuch zwangsläufig immer von einem Mitarbeiter eingelassen wird. Zudem ist Regel bei der Verwaltung: Die räumliche Anordnung an kritischen Arbeitsplätzen soll stets so sein, dass kein Mitarbeiter alleine mit einem Besucher ist. „Die Sammlung von Ideen und Vorgehensweisen sowie genauso die Erfahrungswerte, welche Maßnahmen erfolgreich und welche weniger erfolgreich sind, die wir in dem Netzwerk ‚Sicher im Dienst’ austauschen, bringen viel“, ist Tanja Dehnen überzeugt.

Generell verschwimme die Grenze zwischen der Wahrnehmung bei Social Media im Internet, wo anonym agiert werden könne, und dem wahren Leben, berichtet Arne Feldmann von den Erfahrungen des Ordnungsamtes: „Die ist nicht mehr im Kopf. Das führt zu mehr und mehr sinkendem Respekt.“ Sicherlich seien die Probleme in Wermelskirchen längst nicht so gravierend wie in Großstädten, aber, so Feldmann: „Das Wasser im Topf ist überall gleich, in der Großstadt ist der Topf nur größer.“ Und Arne Feldmann macht noch einen Unterschied zwischen dem ländlichen Raum und den Großstädten aus: „Auf dem Land ist die Anonymität der Mitarbeiter weniger gegeben, was natürlich ein Nachteil ist.“ Deshalb setze das Ordnungsamt speziell am Wochenende gerne Teilzeitkräfte, die von außerhalb Wermelskirchens stammen, ein. Den Hintergrund erläutern Marion Lück, Tanja Dehnen und Arne Feldmann unisono: „Aussagen, wie ‚Ich weiß, auf welche Schule dein Kind geht’, sind nicht hinnehmbar.“

Der Ordnungsamtsleiter schildert einen anderen Fall: „Bei der Kontrolle durch einen Schornsteinfeger, der routinemäßig die Gastherme prüfen sollte, wollte der Bewohner erst den Schornsteinfeger und später uns nicht einlassen. Das ging so weit, dass die Feuerwehr unter Vollschutz die Tür aufsägen musste – der Mann warf mit Messern nach uns.“ Deshalb sei der dauerhafte Eigenschutz im Dienst so wichtig, denn mit so etwas rechne niemand, weil man ja „mit solchen Personen normalerweise keinen Kontakt hat“.

Alle Mitarbeiter des Ordnungsamtes durchlaufen halbjährlich ein Deeskalationstraining, berichten die Bürgermeisterin und Arne Feldmann: „Dabei haben auch schon Mitarbeiter aus anderen Ämtern mitgemacht.“ Bei allem Wissen um die zunehmende Verrohung sollten die Mitarbeiter das Vertrauen in die Menschen behalten können, unterstreicht Bürgermeisterin Marion Lück: „Das Training und das Schärfen des Blickes für mögliche Gefahrensituationen stärken die Verwaltungsangehörigen.“ Bei der Stadt Wermelskirchen gelte daher: „Null Toleranz gegenüber Gewalt. Straftaten werden konsequent verfolgt, alles wird zur Anzeige gebracht.“

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