Chorleben in Wermelskirchen Seit 70 Jahren leiht er Chören die Stimme

Hünger · Manfred Zimmer hat viele Chöre miterlebt. Inzwischen ist der 85-Jährige jahrzehntelang im Deutschen Chorverband. Jetzt bereiteter sich mit seinem MGV Niederwermelskirchen auf die Weihnachtskonzerte vor.

Manfred Zimmer übt derzeit im Chor die Weihnachtslieder für Dezember ein.

Manfred Zimmer übt derzeit im Chor die Weihnachtslieder für Dezember ein.

Foto: Jürgen Moll

In diesen Tagen beginnen die Proben für die Weihnachtslieder. Während es draußen noch mal über 30 Grad werden könnte, stimmt Manfred Zimmer „Stille Nacht“ und „Fröhliche Weihnacht“ an. „Im September beginnen die Proben für Weihnachten“, sagt der 85-Jährige, „jedes Jahr.“ Das war damals so, als Manfred Zimmer gerade seine Lehre zum Gärtner begonnen hatte und mit seinen Freunden in Hünger zum ersten Mal beim Evangelischen Männerchor auftauchte. Und das ist heute so, 70 Jahre später, wenn er sich mit dem Auto auf den Weg nach Neuenhaus macht und seinen Platz im zweiten Tenor beim MGV Niederwermelskirchen bezieht. Die meisten der Weihnachtlieder sind ihm inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen. „Sie sind da. Im Hinterkopf“, sagt er.

Das gilt für viele Melodien und Texte, die Manfred Zimmer in den vergangenen 70 Jahren mit den Chören dieser Stadt geprobt und gesungen hat. „Ich konnte nie Noten lesen“, sagt er, „das kann ich heute noch nicht.“ Aber natürlich sehe er heute ein Notenblatt ganz anders als damals mit 14. Kaum einer hat so lange durchgehalten wie Manfred Zimmer – und dafür bedankte sich der Deutsche Chorverband nun mit einer besonderen Urkunde. Nach den Auszeichnungen für 25 und 50 Jahre, 60 und 65 Jahre in den Reihen der Sänger, bekam er jüngst die Urkunde für 70 Jahre im Deutschen Chorverband. „Die Zählung hat damals begonnen, als ich in den Evangelischen Männerchor Hünger eintrat“, erzählt er. Genau genommen ist das schon 71 Jahre her.

Es habe 1951 keinen Fernseher in den Wohnzimmern gegeben, wenig Ablenkung für die Jungs, die tagsüber in die Lehre gingen. „Abends haben wir dann halt im Männerchor gesungen“, erzählt Zimmer. Und weil er ohnehin gerne Wanderlieder und Volkslieder trällerte, nahm er die Einladung seiner Freunde zur Probe gerne an. „Das war eine tolle Gemeinschaft“, sagt Manfred Zimmer und erzählt von dem Tag seiner kirchlichen Trauung 1961 in Hagen. „Plötzlich stand unser Chor aus Hünger in der Kirche. Das war einfach sagenhaft, eine riesige Überraschung“, sagt er. Nur fünf Jahre später allerdings musste der Chor das Ende seiner Geschichte besiegeln, der Nachwuchs fehlte. Viele der Sänger wechselten danach zum weltlichen Chor in Hünger: zum MGV Concordia Hünger. „Eigentlich änderte sich nicht viel“, sagt Zimmer, „wir sangen Choräle und Volkslieder und wir kannten uns.“

Schnell fand er wieder seinen Platz im 2. Tenor. „Die schrägste Stimme“, sagt er und lacht. Aber er habe immer gute Sänger um ihn herum gehabt, mit denen er die Stimme gemeinsam hielt. 32 Jahre sang er bei der Concordia, bis sie 1998 die Tore schloss. „Der zweite Chor, der keine Sänger mehr fand“, sagt Manfred Zimmer, „aber ich wusste: Ich will weiter singen.“ Also trat er dem Männerchor 1848 in Wermelskirchen bei: Der Weg zur Probe wurde etwas länger und die Proben wurden etwas anspruchsvoller. „Wir haben wirklich schwere Lieder gesungen“, erinnert er sich und erzählt von den großen, legendären Konzerten mit prominenter Unterstützung. Damals kam etwa Angelika Milster ins Bürgerzentrum, um mit dem stattlichen Männerchor zu singen. Hunderte hörten zu. Von Aufregung keine Spur – schließlich hatte Manfred Zimmer damals schon fast ein halbes Jahrhundert als Sänger auf dem Buckel. Auch der Männerchor 1848 musste schließlich die Segel streichen. 2016 war Schluss. Aber nicht für Manfred Zimmer. Dieses Mal klopfte er beim letzten großen Männerchor der Stadt an: dem MGV Niederwermelskirchen. „Dort kannte ich gar nicht so viele Sänger“, sagt er und verfällt kurz ins Plattdeutsche, „aber sie sagten: Komm, wir brauchen Leute.“ Damals war er 79 Jahre alt und ließ sich noch mal auf einen neuen Chor und mit Peter Rinne auf einen neuen Chorleiter ein. „Aber irgendwie ähneln sich die Männerchöre“, sagt Zimmer, „ich habe mich dort immer wohl gefühlt.“

Mit den Jahren verändere sich die Stimme, aber an den 2. Tenor komme er immer noch gut heran. „Und der Chorleiter ist zufrieden“, sagt er und lacht. Corona hat auch dem MGV Niederwermelskirchen zugesetzt, die Mannschaft wird kleiner. Wenn er eines Tages die Türen schließen sollte, würden auch Manfred Zimmer nach Jahrzehnten als Sänger die Alternativen ausgehen. „Aber so lange ich noch kann, singe ich weiter“, sagt der 85-Jährige. Einfach weil es ihm guttut, sich die Zuhörer freuen und auch ein bisschen Heimatgefühl mitschwingt – nicht nur, wenn das bergische Heimatlied angestimmt wird. Wenn alles glatt läuft, steht er Weihnachten mit dem MGV wieder auf der Bühne. Die Weihnachtslieder dürften dann sitzen.

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