Wermelskirchen Sebastian Krämer zeigt den schönen Schein des Unglücks

Wermelskirchen · Vergeblichkeit glänzt und Mühsal erstrahlt in Anmut. Man muss es nur erkennen. Davon jedenfalls ist der Musikkabarettist Sebastian Krämer überzeugt. Und weil das so schön ist, komponiert er daraus lustig klingende Lieder – gleichwohl mit hintersinnigen, zuweilen auch absurden Texten.

Er nennt sie „vergnügte Elegien“. Das ist zwar ein Widerspruch in sich – Elegien sind Klagelieder -, aber genau das macht Krämer Spaß. Er verstört gerne und bringt so seine Zuhörer zum Lachen: Widersprüche überraschen und Lachen löst Überraschungen auf.

Krämers Auftritt war ein durch und durch vergnüglicher Abend, keineswegs elegisch. Nicht zuletzt, weil er Tanja-Maria auf die Bühne holte, die mit Klarinette, Altblockflöte und Saxofon wohlklingende Akzente zu Krämers Klavierspiel setzte. Sebastian im schnieken Anzug mit kunstvoll geknoteter Krawatte und Tanja-Maria im schwarzen, kurzen Kleid bewiesen auch im Aussehen Stil. Um so wunderlicher ging es in den Lyrics zu. Er kündigte ein Lied über ein Kannibalenkochbuch an, und den Leuten gruselte schon, ehe er den ersten Ton anschlug. Doch Krämer besang nur die Rezepte eines Kochbuchs aus Mutters Küche. „Sie tun mir leid, wenn Sie denken, es kommt noch was“, sagte er am Ende.

Die Leute schmunzelten. Das sei ein Beispiel für den Glanz der Vergeblichkeit, meinte Krämer. Und wurde dann existenzphilosophisch. Aber immerhin könne man dem Hier und Jetzt ja entfliehen, sagte er. Man muss nur durch die Türen unter den so schön grün leuchtenden Notausgangsschildern verschwinden. Das ginge im wahren Leben natürlich nicht. Wo keine Notausgänge leuchten, sei alles echt.

Kurz vor der Pause kam dann tatsächlich auch leutselige Stimmung auf, als er im Stil einer Oktoberfestgaudi anstimmte: „Da fehlt noch Salz am Honigkuchenpferd.“ Wenn es doch dazu noch Freibier gegeben hätte! Aber auch ohne Alkohol verbreitete Krämer Hoffnung. In seinen Augen verwandelte Carl Spitzwegs Bild „Der arme Poet“ Wohnungsnot in romantische Idylle, und die Endloswarteschleife der Telekom erhielt literarisches Format durch Kafkas „Vor dem Gesetz“. So ermutigt und erleichtert lösten die Besucher im Chor auch Internetprobleme: „Ach Liebling, machst Du bitte noch den Router aus und dann gleich wieder an?“ Danach wurde klar: Ein Lied ohne Schluss ängstigt nicht mehr, wenn man vorher den Herzschrittmacher ausschaltet. Wenn also sogar im Unglück Schönes schimmert und ein Lied ohne Schluss Hoffnung gibt, dann ist es, als könne eine Wasserleiche durchaus im Wellenschlag noch lächeln. Und so gesehen reicht zum Leben wie in Krämers Drachentöter-Lied ein: „Tschüss – Der Rest ist Schweigen“. Notausgänge gibt‘s ja keine.

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