Lieferservice im Einzelhandel Liefern ist Service – kein Geschäft

Wermelskirchen · Johannes Schnütgen setzt sich auch schon mal auf seinen Motorroller, um Kunden zu beliefern. Das macht sich nicht bezahlt, wirkt aber positiv.

 Mal mit dem Auto aber auch mal gerne mit seinem Motorroller liefert Johannes Schnütgen in Wermelskirchen Schuhe aus.

Mal mit dem Auto aber auch mal gerne mit seinem Motorroller liefert Johannes Schnütgen in Wermelskirchen Schuhe aus.

Foto: Stephan Singer

Auch Johannes Schnütgen vom gleichnamigen Schuhhaus an der Kölner Straße ist in der vom städtischen Seniorenbeirat initiierten Broschüre „Lieferservice und Dienstleistung in Wermelskirchen“ vertreten, die seit dem Frühjahr kostenlos erhältlich ist. Für den Schuh-Einzelhändler ist ein Lieferservice allerdings nichts Neues: Der 52-Jährige führt den Familienbetrieb in der dritten Generation und kann sich gut daran erinnern, dass sein Vater in seinen Kindheitstagen bereits Schuhe an die Haustür der Kunden brachte: „Beispielsweise dem Pfarrer.“

Als reine „Tradtionsveranstaltung“ versteht Schnütgen seinen Lieferservice allerdings nicht: „Generell steht bei uns Einzelhändlern der Servicegedanke im Sinne vom Dienst am Kunden weit vorne.“ Eine Lieferung sei erst einmal kein Geschäft. In seinen Augen ist ein Lieferservice in manchen Fällen sogar eine Frage von Menschlichkeit: „Wenn ich weiß, dass jemand nicht mehr mobil ist und ich ihm helfen kann, dann tue ich das.“ Gerne hat Johannes Schnütgen eine „zwischengeschaltete“ Person zwischen sich und dem Kunden: „Angehörigen bringen wir fünf oder sechs Paar Schuhe, aus denen sich Oma oder Opa ein Paar auswählen. Die Verwandten wissen oft besser, was benötigt wird.“ Natürlich würde eine Kundin, die jahrelang ins Geschäft gekommen sei und nun nicht mehr mobil in einem Seniorenheim lebt, beliefert. „Ich versuche stets, das Problem des Kunden zu lösen“, beschreibt Schnütgen, warum er den Aufwand von Lieferungen auf sich nimmt, ohne diesen unmittelbar bezahlt zu bekommen: „Das ist positiv, das ist Werbung.“
Seinen Lieferservice sieht Johannes Schnütgen als kleinen Puzzlestein im Gesamtkonzept, das er mit „Multichanneling“ umreißt. Dieses System des „Hans Dampf in allen Gassen“, das alle verfügbaren Vertriebskanäle nutzt, ist in Schnütgens Augen für jeden stationären Einzelhändler unabdingbar – dazu gehöre auch der Onlinehandel. Beim Verkauf via Internet muss der stationäre Handel inzwischen gegen marktbeherrschende Riesen behaupten. Johannes Schnütgen setzt auf „zwei Pferde“: Die Homepage seines Laden (schuhaus-schnuetgen.de) und die Homepage seines Einkaufsverbandes (schuhe.de): „Kollegennetzwerke helfen.“ Allerdings macht Johannes Schnütgen im Internet durchaus ein unterschiedliches Einkaufsverhalten seiner Kunden aus: „Derjenige, der online bestellt, hat weniger den Bezug zum stationären Geschäft – derjenige, der reserviert, schon.“ Zwischen diesen „Kanälen“ müsse ein Einzelhändler schalten und walten, um erfolgreich zu sein.
Vorausschauend stellt Johannes Schnütgen fest: „Mehr Onlinehandel bedeutet mehr wegbrechende Fläche des stationären Handels.“ An die Zukunft glaube er jedoch grundsätzlich schon: „Wir stationären Einzelhändler müssen unsere Nischen finden. Und wir werden immer Serviceleistungen anbieten, die sich für sich genommen nicht rechnen.“ Eine Befürchtung hegt Schnütgen dennoch: „Nimmt der persönliche Kontakt zwischen Kunden und Händlern weiter ab, wird dieser schwer zu ersetzen sein.“ Vor 15 oder 20 Jahren wäre es einfacher gewesen. „Als Unternehmer denke ich stets eher in Chancen und als Unternehmer bin ich Händler, Verkäufer, Hausmeister und Lieferant in einer Person“, unterstreicht Johannes Schnütgen. STEPHAN SINGER

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