Im Gespräch mit Rolf Meyer vom Bergischen Streuobstwiesenverein „Man braucht viel Herzblut dafür“

Rolf Meyer ist der stellvertretende Vorsitzende des Bergischen Streuobstwiesenvereins. Er betreibt zwei Wiesen in Eipringhausen und Bellscheid.

 Rolf Meyer vom Bergischen Streuobstwiesenverein im Sortengarten Remscheid-Reinshagen.

Rolf Meyer vom Bergischen Streuobstwiesenverein im Sortengarten Remscheid-Reinshagen.

Foto: Jürgen Moll

Herr Meyer, was sind die charakteristischen Merkmale einer Streuobstwiese?

Rolf Meyer In erster Linie ist die extensive Nutzung charakteristisch – das bedeutet: Es werden weder intensive Düngung noch biologisch schädliche Herbizide und Pestizide verwendet. Die Bäume sind meist hochstämmig, werden etwa zehn Meter hoch, und stehen sehr weit auseinander. Dadurch können sich sehr viel Unterbewuchs und unterschiedliche Tiergemeinschaften entwickeln. Die Diversität auf einer Streuobstwiese sucht ihresgleichen – sie hat die höchste ökologische Wertigkeit.

Sie bewirtschaften mehrere solcher Streuobstwiesen in Wermelskirchen?

Meyer Ja, ich habe zwei Wiesen – einmal den Streuobstsortengarten in Sellscheid und dann die Wiese in Eipringhausen. Die beiden Wiesen sind jeweils etwa einen Hektar groß. In Eipringhausen stehen auf diesen 10.000 Quadratmetern etwa 40 Bäume. Daran kann man dann auch sehen, dass der Platz ein wichtiger Faktor für die Anpflanzung auf einer Streuobstwiese ist. Man braucht eine Menge Platz, gerade auch, wenn man sich später einmal für eine Unternutzung entscheidet – etwa als Schafsweide.

Welche und wie viele Obstbäume sind dort angepflanzt?

Meyer In Sellscheid habe ich verschiedene und auch seltene oder alte lokale Sorten stehen – etwa 25 unterschiedliche Sorten stehen dort. Darüber hinaus wird dort hauptsächlich die Sorte Prinz Albrecht von Preußen angebaut – diese Sorte eignet sich ganz hervorragend für Apfelsaft. Ich möchte auf diese Weise zum einen mit vielen unterschiedlichen Sorten die genetische Vielfalt erhalten, zum anderen aber auch eine gewisse Wirtschaftlichkeit mit integrieren. Das geschieht eben durch den Anbau der für die Verarbeitung sehr gut geeigneten Sorte. In Eipringhausen stehen nur Bäume der Sorte Gewürzluiken, aus dem man auch sehr guten Apfelsaft produzieren kann.

Was braucht man, um eine Streuobstwiese anzulegen?

Meyer Auf jeden Fall die feste Motivation und Bereitschaft, relativ viel Zeit für dieses Hoby zu investieren. Denn es ist durchaus eine zeitaufwändige Tätigkeit. Dazu muss man wissen, wie man die Bäume pflegt und schneidet. Das muss man dann natürlich erlernen. Man braucht viel Herzblut dafür. Und man sollte auch keine Scheu haben, bei jedem Wetter im Freien zu arbeiten. Auf der anderen Seite hält das natürlich auch fit.

Wo kann man das nötige Handwerk erlernen?

Meyer Ich bin ja stellvertretender Vorsitzender des Bergischen Streuobstwiesenvereins. Der Verein bietet beispielsweise solche Kurse an, auf die auf der Internetseite des Vereins hingewiesen wird. Auch die Biologische Station Rhein-Berg bietet Kurse an. Man kann das Handwerk aber auch in Form einer zwei- bis dreijährigen Ausbildung mit zehn bis zwölf Wochenendseminaren und einer Abschlussprüfung erlernen.

Was ist der große ökologische Vorteil dieser Art des Obstanbaus?

Meyer Zum einen ist es ein lokaler Anbau, der einen lokalen Markt bedient. Der mitunter weite Transport fällt also fast komplett weg. Durch den Verzicht auf Schädlingsbekämpfungsmittel und den Bau von Insektenhotels im Umfeld der Wiesen fördert man die Insektenpopulationen – etwa von Wildbienen. An den Bäumen hängen wir dann auch Vogelhäuschen auf, denn Vögel sind die besten natürlichen Schädlingsbekämpfer. Auf den Wiesen kommen Wiesel vor, die den Wühlmäusen nachstellen. Wühlmäuse sind auch Nahrung für die Greifvögel, für die wir Sitzstangen aufstellen. Und so setzt sich das fort. Es ist eine sehr differenzierte Tiergemeinschaft, die da entsteht.

Kann es mehr als nur eine „Liebhaberei“ sein – etwa in wirtschaftlicher Hinsicht?

Meyer Ohne eine wirtschaftliche Denkweise funktioniert das nicht. Der Verein hat sich die Förderung der Streuobstwiesen zum Ziel gesetzt. Und das kann nur dann geschehen, wenn wir auch Landwirte davon überzeugen, dass Streuobstwiesen auch einen wirtschaftlichen Nutzen erbringen. Nur dann kann das eine gewisse Eigendynamik entwickeln.

Wie viele Streuobstwiesen gibt es in Wermelskirchen – und wer betreibt sie?

Meyer Oh, das sind sehr viele. Sie sind allerdings noch nicht alle kartiert. Das NRW-Landwirtschaftsministerium wollte das für das ganze Land machen, aber das ist noch ein laufender Prozess. Keiner weiß also, wie viele Wiesen, auch kleinere, es eigentlich gibt. Das Problem ist auch weniger, dass es nicht genug Wiesen gibt, sondern dass nicht genug Menschen mit ausreichend Fachwissen und Motivation vorhanden sind, sie auch zu pflegen. Denn, wie gesagt, es ist eine aufwändige Arbeit. Wenn mehr Leute die Pflege von Streuobstwiesen zu ihrem Hobby erklären würden, dann würde das sehr viel bringen.

Ist das auch ein Ziel Ihres Vereins?

Meyer Ganz genau, das ist ein Kernziel und das Nadelöhr, an dem wir arbeiten. Die Ausbildung von Obstbaumwarten, die in der Lage sind, die Bäume fachgerecht zu pflegen und zu schneiden, liegt uns sehr am Herzen. Auch die Biologischen Stationen versuchen – wie schon erwähnt - derzeit, eine eigene Ausbildung im Bergischen Land dafür auf die Beine zu stellen.

Sind Streuobstwiesen Konkurrenz oder Ergänzung für den konventionellen Obstanbau?

Meyer Also, eine Konkurrenz ist das nicht. Denn die wirtschaftliche Komponente wird im Moment eben noch nicht so genutzt, wie es auch möglich wäre. Das kann sich aber natürlich in der Zukunft ändern. Wenn man viele Bäume mit einer hochwertigen Apfelsorte auf Streuobstwiesen anpflanzt, und daraus einen ebenso hochwertigen Saft herstellt, dann kann man den zum entsprechenden Literpreis bestimmt gut verkaufen. Allerdings geht das natürlich nicht von heute auf morgen.

Wann kann man denn mit ersten Erträgen rechnen?

Meyer Bäume wachsen langsam. Wenn man heute eine Wiese mit jungen, hochstämmigen Apfelbäumen anlegt, muss man damit rechnen, dass die Bäume erst in 15 Jahren einen nennenswerten Ertrag liefern. Ab dem zehnten Standjahr gibt es in der Regel die ersten Äpfel zu ernten – damit man aber Saft herstellen kann, braucht man natürlich einen entsprechend großen Ernteertrag. Zeit ist definitiv ein Faktor, genauso wie ein gewisser langer Atem. Wenn man nun aber kleinere Bäume pflanzt, die nicht größer als dreieinhalb Meter werden, dann kann man auch nach sechs Jahren schon mit den ersten Erträgen rechnen.

Haben Sie selbst eine Lieblingsapfelsorte?

Meyer Mein Lieblingsobst ist der Gravensteiner Apfel, eine Sorte aus dem 16. Jahrhundert. Der ist vom Geschmack her einzigartig – das findet man bei keinem anderen Apfel. Wenn Sie den reinsortig zu Saft pressen und dann recht frisch trinken, ist das ein sinnliches Erlebnis – ein Geruch nach frischgemähter Wiese und ein wunderbarer Geschmack. Nicht umsonst wird der Gravensteiner regelmäßig mit der Bestnote für den Geschmack ausgezeichnet. Allerdings ist er ein wenig schwierig zu halten – er braucht ein bestimmtes feuchtes Klima. In den vergangenen Jahren war das wegen der Trockenheit natürlich nicht so einfach. Bei der jüngsten Ernte habe ich von meinen sechs hochstämmigen Gravensteiner-Bäumen keinen einzigen Apfel ernten können.

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