Wermelskirchen Reformhaus - Hobby, Aufgabe und Leben

Wermelskirchen · Am 1. Januar 2017 übernimmt ein Nachfolger das Reformhaus von Ursula Stobbe an der Kölner Straße. Ein Rückblick.

 Blick auf die Kölner Straße um 1908 bis 1910, links ist das heutige Reformhaus Stobbe zu sehen.

Blick auf die Kölner Straße um 1908 bis 1910, links ist das heutige Reformhaus Stobbe zu sehen.

Foto: Stobbe (2)/Moll

"Von heute auf morgen nichts mehr zu tun, alles auf null zu setzten, das geht natürlich gar nicht", sagt Ursula Stobbe. Zum 1. Januar 2017 übergibt die 66-Jährige ihr Reformhaus an der Kölner Straße an Ralf Pothmann. "Er ist ein erfahrener Reformhaus-Fachmann und stammt, genauso wie ich, aus einer Reformhaus Familie", sagt Stobbe. Pothmann, der eine Filiale in Opladen betreibt, wird sicher einiges umstellen und modernisieren, aber für die Kunden wird sich nicht viel ändern.

"Das bestehende Team wird übernommen - ich werde auch halbe Tage dabei bleiben", sagt Stobbe. "Der Laden ist ja nicht nur ein Geschäft, sondern mein Leben." Um ein Reformhaus zu betreiben, gehört auch eine "Überzeugung" dazu. Die hat Ursula Stobbe in ihrer Familie gelernt. Gesund zu leben, Krankheiten möglichst mit natürlichen Mitteln zu behandeln und sich vegetarisch zu ernähren, wurde ihr immer vermittelt, lange bevor es zu einer Modeerscheinung wurde. Der Grundsatz hieß: "Lass' das Natürliche so natürlich wie möglich", sagt Stobbe und erzählt von den Anfängen. "Das Ganze basiert auf der Lebensreformbewegung vor 1900. Zur Zeit der Industrialisierung gab es ganz ungesunde Lebens-, Arbeits- und Wohnbedingungen. Es war die Zeit von Turnvater Jahn, Sebastian Kneipp und der Vegetarismus kam auf."

 Ursula Stobbe übergibt ihr Reformhaus Ende des Jahres an Ralf Pothmann.

Ursula Stobbe übergibt ihr Reformhaus Ende des Jahres an Ralf Pothmann.

Foto: Moll Jürgen

Zu diesem Umdenken entstanden als erste Einkaufsstätten die Reformhäuser. "Dünsten und nicht totkochen - so heißt ein Motto. Und das Müsli wird selbst angerührt. Als die erste Lieferung Weizenkleie eintraf, hat man über uns gelacht", sagt Stobbe rückblickend. Wenn etwas populär und erfolgreich ist, steht es wenig später beim Discounter. "Das ist nicht schlimm", sagt Stobbe, "denn dort gibt es keine Beratung." Der persönliche Kontakt ist ganz wichtig und die Basis für ein funktionierendes Geschäft. "Die Gespräche gehen ja teilweise weit über das Geschäftliche hinaus. Die persönliche Bindung zu den Kunden ist durch kein modernes Medium zu ersetzen", meint Stobbe.

Als ihr Vater Heinz Stobbe 1949 aus der Kriegsgefangenschaft kam, übernahm er ein Reformhaus an der Oberen Remscheider Straße, gegenüber dem Weihnachtsbaum. Ursel Stobbe machte eine Ausbildung als Fachkaufmann für Reform- und Diäthaus. Anschließend erfolgte eine Weiterbildung an der Reformhausfachschule (heute Fachakademie) in Bad Homburg. 1968 stieg sie in den Familienbetrieb ein und führte ihn zusammen mit ihrem Vater.

"Mein Vater ist 2003 im Alter von 94 Jahren gestorben. Für ihn war das Geschäft Hobby, Aufgabe und Leben. Und bei mir ist es genauso", sagt sie. Deshalb kann sie sich auch nicht vorstellen, alles komplett und sofort aufzugeben. "Ich bin seit Jahren nicht im Urlaub gewesen. Neben dem Geschäft gibt es ein bisschen Haus, Garten und Hund", erzählt sie. "Für große Hobbys war nie Zeit. Ich habe es aber auch nicht vermisst." Sie freut sich aber darauf, Verantwortung abgeben zu können und etwas mehr Ruhe zu haben. Schön sei es auch, dass es an dem Standort Kölner Straße weitergehe, das Team übernommen werde und der Kontakt zu den Kunden bleibe.

(wsb)
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