Wermelskirchen Politik auch mal am Küchentisch

Wermelskirchen · Harald Wolfert ist Direktkandidat der Grünen im Wahlkreis 22 - und tritt nicht zum ersten Mal an. Der "linkssolidarische Fundi", wie er sich nennt, lebt Politik: ob als Fraktionschef im Stadtrat Burscheid oder in der eigenen Familie.

Wermelskirchen Er ist zwar in Köln geboren, doch seit seinem vierten Lebensjahr wohnt Harald Wolfert nun schon in Burscheid. "Und ehrlich gesagt, kann ich mir auch gar nicht mehr vorstellen, hier wegzuziehen", gibt der 53-Jährige offen zu. Die Studentenphase, als er "mit dem Segelschiff nach Australien" wollte, sei vorbei. Heute spielt sich sein Leben rund um die "Hucke" ab, wie die Familie das 1987 gekaufte alte Fachwerkhaus in Burscheid nennt.

Immerhin hat Wolfert in diesen Tagen mal wieder Gelegenheit, Kurzreisen zu unternehmen: nach Wermelskirchen, Odenthal, Leichlingen, Kürten, Overath, kurz: quer durch seinen Wahlkreis. Info-Stände, Gespräche in Fußgängerzonen, Podiumsdiskussionen in Schulen, Interviews, Wolfert macht alles, was einer machen muss, der am Sonntag, 9. Mai, in den Landtag gewählt werden will. "Den Wahlkreis hole ich als Direktkandidat", kündigt er vollmundig (und mit einem Augenzwinkern) an - wen wundert's, denn auf der Landesliste spielt der Grüne aus dem Bergischen keine Rolle.

Ein bequemer Parlamentarier für seine Partei wäre Harald Wolfert ganz sicher nicht. Denn der Politiker, der sein Abitur 1977 am Landrat-Lucas-Gymnasium in Opladen absolvierte und als erstes Abiturfach politische Geschichte mit dem Spezialgebiet "Karl Marx und der Kommunismus" hatte, sieht sich eher als "linkssolidarischen Fundi". Schwarz-grüne Überlegungen, wie sie manch ein Bundes- oder Landesgrüner anstellen mag, oder gar ein solches Bündnis, wie es in Leverkusen entstanden ist, verweist Wolfert für sich ins Reich der Träume: "Meine Schmerzgrenze ist halt erreicht, wenn Atomkraftwerke länger laufen sollen, aber auch, wenn ich mir die verfehlte Integrationspolitik der CDU anschaue."

Darüber diskutiert der einstige Hippie, der immer noch viel Sympathie für den Slogan "Make love, not war" empfindet, mit jedem, der ihm zuhören will. Auch zu Hause in der Familie am Küchentisch: "Ich spreche super gerne auch mit meinen 30- und 22-jährigen Söhnen Michael und Tommi über aktuelle politische Themen", sagt Wolfert. Aber nicht nur deshalb genießt er diese gemeinsamen Momente: "Ich bin ein echter Familienmensch."

Im Bergischen Land ist der 53-Jährige übrigens nicht nur als Politiker über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus bekannt. Sicher, er ist Fraktionschef der Grünen im Stadtrat, Sprecher des Kreisverbandes, kandidierte 2005 für Bundestag und Landtag - mindestens ebenso viele Leute kennen Harald Wolfert aber auch als Geschäftsmann. 1980 eröffnete er zusammen mit zwei Freunden das berühmt-berüchtigt gewordene "Antik Sammelsurium" in Wermelskirchen. Geschäftsmotto: "Von Antik bis Klimbim, alles ist zu schade, es einfach wegzuschmeißen". Heute restauriert er Antiquitäten in seiner eigenen Werkstatt und verkauft sie dann im Laden.

Harald Wolfert ist ein zufriedener Mensch - gibt aber ohne Umschweife zu, dass er noch ein bisschen zufriedener wäre, wenn er sein Bundestagswahlergebnis von 2005 (8.3 Prozent Erst-, 11,3 Prozent Zweitstimmen) am 9. Mai noch toppen könnte. Dafür zieht er jetzt täglich durchs Kreisgebiet.

Und wer kümmert sich dann um den Laden? Wolfert lacht und sagt: "Da bin ich ganz Grüner. Ich lasse meine Frau arbeiten." Kurze Pause, dann fügt er hinzu: "Das war jetzt wirklich nur Spaß."

(RP)
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