Große Sorgen in Wermelskirchen Flächen-Fotovoltaik-Anlagen verdrängen Landwirte

Wermelskirchen · Ortsbauernschaft Wermelskirchen ist in Sorge über steigendes Interesse an Freiflächen-Solaranlagen, die die landwirtschaftliche Nutzung verhindern. Mit Pachtangeboten können Bauern nicht mithalten.

 Linda Görne und Torsten Mühlinghaus zeigen sich besorgt über den Verdrängungswettbewerb, der durch das Interesse an Freiflächen-Fotovoltaik entsteht.

Linda Görne und Torsten Mühlinghaus zeigen sich besorgt über den Verdrängungswettbewerb, der durch das Interesse an Freiflächen-Fotovoltaik entsteht.

Foto: Stadt Wermelskirchen

Das zunehmende Interesse von Industrie und Energieversorgern an der Nutzung landwirtschaftlicher Flächen, um Freiflächen-Fotovoltaik-Anlagen zu errichten (wir berichteten), weckt bei den Landwirten in Wermelskirchen und im gesamten Kreisgebiet Besorgnis. Große Sorge der Landwirte in Rhein-Berg ist, dass sie durch diese Pläne weitere Flächen für ihre Landwirtschaft verlieren. Eine Doppel-Nutzung für Landwirtschaft und Energiegewinnung sei nämlich nicht möglich.

„Es ist ein naiver Glaube, dass es möglich ist, Landwirtschaft unter diesen Fotovoltaik-Anlagen zu betreiben“, stellte Peter Lautz, Kreislandwirt und Vorsitzender der Kreisbauernschaft Rhein-Berg, bei der Jahreshauptversammlung der Ortsbauernschaft Wermelskirchen fest. „Man kann an diesen Stellen vielleicht Ziegen und Schafe weiden lassen, aber aus der landwirtschaftlichen Produktion, wie unsere Betriebe vor Ort es brauchen, würden diese Flächen herausfallen“, betonte Lautz.

Außerdem würden durch die Schaffung der Freiflächen-Fotovoltaikanlagen weitere Flächen versiegelt. Denn um die Fotovoltaik-Anlagen errichten zu können, sei ein festes Fundament nötig, das nicht einfach zurückgebaut werden könne. Diese Flächen stünden somit nicht mehr zur Verfügung, um Lebensmittel zu produzieren.

„Die Landwirte brauchen ihre Flächen, um Hafer, Weizen, Mais oder auch Heu für die Tierfütterung anzubauen“, stellte Torsten Mühlinghaus, Vorsitzender der Ortsbauernschaft, auf der Jahreshauptversammlung klar: „Es mag vielen Menschen noch nicht bewusst sein, aber Land- und Forstwirtschaft machen 80 Prozent der Fläche in Deutschland aus. Und die benötigen wir auch, um Rohstoffe für die Nahrungsmittel zu liefern.“ 2022 wurden insgesamt 16,6 Millionen Hektar Land bundesweit von Landwirten bewirtschaftet. Davon waren 11,7 Millionen Hektar Ackerland und 4,9 Millionen Hektar Dauergrünland, skizzierte Torsten Mühlinghaus.

 Eine vom Energieversorger BEW und den Kommunen beauftragte Studie attestiert dem Wermelskirchener Stadtgebiet kaum Möglichkeiten für Windkraft, aber für Freiflächen-Fotovoltaik.

Eine vom Energieversorger BEW und den Kommunen beauftragte Studie attestiert dem Wermelskirchener Stadtgebiet kaum Möglichkeiten für Windkraft, aber für Freiflächen-Fotovoltaik.

Foto: dpa/Patrick Pleul

Das Interesse an Flächen für Fotovoltaik-Anlagen sei deshalb ein großes Problem für die örtlichen Landwirte, weil hauptsächlich Flächen für die Freiflächen-Fotovoltaikanlagen von den Firmen gewünscht werden würden, die nicht an Hanglagen liegen, sondern leicht zugänglich sind. „Das sind ausgerechnet die Flächen, die für Landwirte leichter zu bewirtschaften sind“, waren sich Torsten Mühlinghaus und Linda Görne, ebenfalls im Vorstand der Wermelskirchener Ortsbauernschaft vertreten, einig.

Gleichzeitig verwiesen die beiden Landwirte auf ein weiteres Problem durch finanzielle Fragen: „Wenn ein landwirtschaftlicher Betrieb für die jährliche Pacht einer Fläche bis zu 300 Euro zahlt und eine Firma für das Aufstellen einer Photovoltaik-Anlage 4000 Euro pro Jahr an Pacht bietet, ist das ein großes Problem für unsere Zukunft.“ Bereits jetzt würden schon gezielt Landwirte und Besitzer der Grünflächen angesprochen.

Unterstützung erhielten die Landwirte in dieser Frage von Bürgermeisterin Marion Lück, die ankündigte, das Problem der auszuweisenden Freiflächen im Blick zu behalten. Hilfestellung versprach sie auch bei einem weiteren Thema, das der Ortsbauernschaft Sorgen bereitet. Denn nicht nur die Frage, wie alternative Energien genutzt werden können, sorgt für Diskussionsbedarf bei den Landwirten. Aus Sicht der Bauern drängt aktuell das Thema der Neu-Ausweisung von nitratbelasteten und eutrophierten Gebieten. Das bedeutet, dass Gebiete als „überdüngt“ ausgezeichnet werden. Was bei den Landwirten dabei jedoch auf Unverständnis stößt, ist die Tatsache, dass es keine Transparenz bei der Ausweisung eben jener Flächen gebe.

„Seit 30 Jahren arbeiten die Landwirte gemeinsam mit den Wasserversorgern innerhalb der Wasserkooperation zusammen. Unsere Werte sind top und zeigen keine Hinweise auf Überdüngung. Das bedeutet, dass unsere Landwirte vor Ort einen wirklich guten Job machen“, zeigte sich Torsten Mühlinghaus überzeugt. Dennoch seien neuerdings ein Großteil der Flächen neben der B 51 davon betroffen. Was für die Landwirte zur Folge habe, dass sie die Kulturen, die auf dieser Fläche wachsen, nur zu 80 Prozent ihres Bedarfes düngen dürften.

Außerdem müssten sie weitere „gravierende Auflagen“ für diese Fläche erfüllen. „Das ist so, als ob ein Mensch sich täglich unter seinem Bedarf ernährt“, erläuterte Linda Görne: „Das klappt eine gewisse Zeit, aber dann kommt es zu Mangel-Erscheinungen.“ Für die Landwirte in der Region sei nicht nachvollziehbar, warum Flächen als vermeintlich „überversorgt“ ausgewiesen werden.

Wie die Jahreshauptversammlung der Ortsbauernschaft in Wermelskirchen feststellte, sei es eine gute Nachricht, dass im Rheinisch-Bergischen Kreis derzeit 700 Hektar Land als Vertragsnaturschutzflächen ausgewiesen seien. Auf diesen Grünflächen wird unter anderem später gemäht, um Tieren und Insekten einen Rückzugsort zu bieten.

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