Wermelskirchen/Köln Nach 68 Jahren herrscht endlich Klarheit

Wermelskirchen/Köln · Renate vom Stein (72) schließt mit einer Reise nach Russland ein Lebenskapitel ab. Endlich weiß sie, was mit ihrem Vater Karl vom Stein im Zweiten Weltkrieg passiert ist. Viele Jahre hat sie recherchiert, um an Informationen zu kommen.

 Mit einem Plakat wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Lager Friedland in der Nähe von Göppingen nach Karl vom Stein gesucht.

Mit einem Plakat wurde nach dem Zweiten Weltkrieg im Lager Friedland in der Nähe von Göppingen nach Karl vom Stein gesucht.

Foto: Schubert

Erster Weltkrieg, Zweiter Weltkrieg, Nachkriegszeit - alles alte Sachen und nicht mehr interessant? Das findet Renate vom Stein nicht, als sie sich in der BM-Redaktion meldet. Sie habe eine spannende Geschichte über ihren Vater zu erzählen. Renate vom Stein wurde 1941 in Remscheid geboren, wohnte in Burg und später in Oberpohlhausen. In ihrem Geburtsjahr zog ihr Vater, Karl vom Stein, in den Krieg, kehrte 1942 noch einmal für eine Woche Heimaturlaub nach Pohlhausen zurück.

"Eigentlich habe ich gar keine Erinnerung an ihn, trotzdem war er viele Jahre präsent", sagt Renate vom Stein. "Immer wieder hieß es bei uns: Wenn das der Vater wüsste oder: Wenn das der Vater sehen würde", berichtet sie. Vater und Mutter haben sich unzählige Briefe geschrieben. Vieles wurde bei der Bombardierung Pohlhausens zerstört, doch einiges ist bis heute erhalten in der umfangreichen Sammlung von Renate vom Stein.

1944 kam der letzte Brief aus Rumänien, dann hörte die Familie nichts mehr. Nach dem Kriegsende 1945 begann die Suche nach all den vermissten Soldaten. Eine der ersten Anlaufstellen für Flüchtlinge aus den Ostgebieten und für Soldaten war das Lager Friedland in der Nähe von Göppingen. "Wer kann Auskunft geben über Karl vom Stein, Obergefreiter, geb. 2.4.06 in Wermelskirchen/Rhld." heißt es auf einem Suchplakat, das vom Stein noch in ihren Unterlagen hat.

Es dauerte bis 1959. Dann erhielt sie die Nachricht durch den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes über den Tod ihres Vaters. Einzelheiten waren nicht zu erfahren. Immer wieder versuchte Renate vom Stein, Informationen zu erhalten. Wo war ihr Vater gestorben? Wo wurde er begraben? Im Jahr 2012 startete sie einen letzten Versuch. Zu ihrem 70. Geburtstag wollte sie endlich Klarheit bekommen, erzählt Renate vom Stein.

Es gab Klarheit: Am 30. Mai 2012 kamen Antworten, die sie in diesem Umfang niemals vermutet hätte. In einem großen Umschlag befanden sich die russischen Protokolle der Gefangenschaft, die Arztprotokolle und die Sterbeunterlagen. Alles in kyrillischer Schrift. Außerdem eine umfangreiche Beschreibung des Deutschen Roten Kreuzes über die Gefangenschaft, die Zeit im Lazarett, den Tod und den Friedhof.

Der Wolgograd-Verein aus Köln fertigte für sie die deutschen Übersetzungen an. "Zuerst war ich froh über diese Antworten. Dann habe ich mich gefragt, warum sich die russischen Behörden so viel Arbeit gemacht haben wegen eines einfachen Obergefreiten." Sie wusste aus Berichten, dass Tausende von Gefallenen oder Verstorbenen aus den Lagern in Massengräbern verscharrt wurden, ohne Belege. Warum hatte man sich bei ihrem Vater so eine Mühe gegeben?

Für Renate vom Stein ergab sich folgende Erklärung: Ihr Vater hatte ein kleines deutsch/russisches Wörterbuch. Über seine Sprachversuche lernte er eine russische Lehrerin kennen. Die schrieb ihm in russischer Sprache einen Zettel für sein Soldbuch. "Karl vom Stein ist kein Nazi. Er ist ein einfacher Soldat und Kommunist." "Auch wenn die Geschichte vielleicht nicht bis ins Detail stimmt, so bilde ich mir ein, dass dieser Zettel der Grund für die ganzen Unterlagen war", sagt Renate vom Stein.

In diesen Tagen fährt sie mit dem Wolgograd-Verein nach Russland. "Ich nehme ein bisschen Erde aus dem Eschbachtal mit. Die streue ich dann am Grab meines Vaters aus. Er ist nicht vergessen, aber dieser Lebensabschnitt ist dann für mich beendet", sagt sie. Die alten Unterlagen kommen dann in einen Karton, in eine Art endgültige Ablage. Die Suche nach Antworten hat für sie dann ein Ende.

(RP)
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