Wermelskirchen Mit 90 Jahren ein neues Instrument erlernen

Wermelskirchen · Einmal in der Woche ist Musiklehrerin Susanne Karnowka mit Zauberharfen im Haus Vogelsang.

 Ilse Hartkopf, Berti Baßner und Marlis Beyen (von vorn) erlernen im Haus Vogelsang die Zauberharfe.

Ilse Hartkopf, Berti Baßner und Marlis Beyen (von vorn) erlernen im Haus Vogelsang die Zauberharfe.

Foto: Lena Hogekamp

Marlies Beien hat früher Akkordeon und Klavier gespielt, Franceso Romeo hat in jungen Jahren zuweilen zur Ziehharmonika gegriffen und zum Tanz eingeladen. Und auch in der Familie von Larissa Hoffmann hat Musik immer eine große Rolle gespielt. Berti Baßner und Ilse Hartkopf haben in vielen Chören gesungen "Aber das ist das erste Instrument, das ich lerne", sagt Ilse Hartkopf und zupft mit dem Plektron vorsichtig eine Saite der Zauberharfe an, die vor ihr auf dem Tisch liegt. Der 86-Jährigen liegt die Musik im Blut, das hat auch Susanne Karnowka schnell gemerkt.

Seit sechs Wochen besucht die Lehrerin der Wermelskirchener Musikschule die Senioren im Altenzentrum Haus Vogelsang. Im Gepäck hat sie dann ihre Zauberharfen. Für jeden interessierten Bewohner bringt sie eine der hölzernen Tischharfen mit. Zwischen sechs und zehn Teilnehmern sind jede Woche dabei. "Das Instrument ist leicht zu erlernen", erklärt Susanne Karnowka, "Notenkenntnisse sind nicht erforderlich." Und das bestätigen die Damen und Herren, die am Montagvormittag ihr Können an den Saiten zeigen.

Erst spielen sie ein Geburtstagslied, dann folgen Frühlingslieder. Unter die Saiten des Instrumentes wird dafür ein spezieller Notenzettel gelegt, der genau zeigt, wann und welche Saite gezupft werden muss. Mal alleine, dann in der Gruppe, mal mit Unterstützung der Gitarre und dann wieder zum Gesang: Die Teilnehmer schwelgen in der Musik und haben gleichzeitig keine Scheu vor harter Übungsarbeit.

"Wir haben bereits in einer anderen Pflegeeinrichtung Erfahrung mit der musikalischen Arbeit mit Senioren gesammelt", erzählt Musikschulleiter David Hecker. Mit ihrem neuen Projekt, der Zauberharfe, ist die Musikschule seit sechs Wochen im Haus am Vogelsang zu Gast. Dort ist die Freude über die Zusammenarbeit groß. "Die Menschen hier haben eine lange Lebensgeschichte, viele haben gesungen oder ein Instrument gespielt", erzählt Hans-Jürgen Brunnert vom Sozialen Dienst des Hauses. Mit dem Musikunterricht der besonderen Art würden nun Erinnerungen und Emotionen angesprochen. "Und es ist auch eine Frage des Selbstvertrauens", sagt Brunnert.

Die Bewohner würden entdecken, dass sie selbst mit 80 oder 90 Jahren noch ein Instrument erlernen können - so lange Augen und Finger entsprechend mitspielen. Denn die Rhythmen wollen noch gelesen und die Saiten noch gezupft werden.

Die treuen Teilnehmer der Gruppe haben darin nach sechs Unterrichtsstunden längst Übung. Die Noten mit den Fähnchen sorgen für Tempo, die weißen Noten kündigen an, dass der Ton eine Weile gehalten wird. Und dann haben die Damen und Herren noch einen weiteren Vorteil: Sie kennen nahezu jedes Lied, das ihnen Susanne Karnowka mitbringt - schließlich haben sie in ihrem Leben bereits viel gesungen.

Bevor es aber ans Zupfen eines neuen Liedes geht, greift die Musikschullehrerin zur Gitarre und gemeinsam stimmt die Gruppe die Melodie an. Einmal gesungen, lässt sie sich deutlich leichter spielen. Als Susanne Karnowka nach rund einer Stunde ihren Abschied ankündigt, hält Berti Baßner ihre Harfe noch fest in den Händen. "Einmal noch", sagt sie fröhlich und bekommt die Zustimmung ihrer Mitstreiter. Susanne Karnowka kann den Senioren die Bitte nicht abschlagen und holt ein neues Notenblatt hervor: "Froh zu sein, bedarf es wenig. Doch wer froh ist, ist ein König."

(resa)
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