Vor Kölner Landgericht Missbrauchs-Prozess um Wermelskirchener Marcus R. startet

Wermelskirchen · Die Verhaftung in Wermelskirchen des heute 45-jährigen Angeklagten Marcus R. hat einen riesigen Tatkomplex offen gelegt. Die Anklage geht von 124 Taten aus, der Tatverdächtige hat ein Geständnis angekündigt.

 Der Garten des mutmaßlichen Täters in Wermelskirchen.

Der Garten des mutmaßlichen Täters in Wermelskirchen.

Foto: Christian Schwerdtfeger

Dass Polizei und Medien von einem Tatkomplex sprechen,  ist nicht verwunderlich: Die Staatsanwaltschaft geht von 124 Taten aus, die Anklage umfasst stattliche 138 Seiten. Am heutigen Dienstag, 6. Dezember, startet der Prozess gegen den heute 45-jährigen Angeklagten, der vor einem Jahr in Wermelskirchen-Tente durch ein Sondereinsatzkommando (SEK) der Polizei verhaftet wurde. Dorthin war der Tatverdächtige mit seiner Frau erst im Frühjahr 2021 von Wuppertal kommend gezogen, war in den wenigen Monaten bis zu seiner Verhaftung in der Nachbarschaft nicht sonderlich aufgefallen, wie die Anwohner damals berichteten.

„Die Anklageschrift weist einen Tatzeitraum vom 17. März 2005 bis zum 4. September 2019 aus“, sagt Prof. Dr. Jan F. Orth vom zuständigen Landgericht Köln vor Beginn des Prozesses. Der Richter beschreibt, was Marcus R. zur Last gelegt wird. Demnach gehe die Anklage von 99 Fällen des sexuellen Missbrauchs von Kindern – bis einschließlich 13 Jahren – aus, wovon es sich in 89 Fällen um schwere Fälle handele, weil es zu beischlafähnlichen Handlungen gekommen sein solle. „In einem dieser Fälle soll es beim Versuch geblieben, in einem weiteren Fall hieraus soll ein betroffenes Kind körperlich schwer misshandelt worden sein“, fasst Jan F. Orth zusammen. In 74 Fällen davon gehe die Anklage tateinheitlich von einer sexuellen Nötigung (in 69 Fällen davon ebenfalls mit beischlafähnlichen Handlungen) aus, weil der Beschuldigte die Widerstandsunfähigkeit des betroffenen Kindes ausgenutzt haben solle. Zusätzlich wirft die Anklage Marcus R. vor, in neun der gelisteten Fälle zusätzlich kinderpornografisches Material hergestellt zu haben.

In sechs Fällen davon soll tateinheitlich eine Vergewaltigung vorliegen, in einem Fall eine gefährliche Körperverletzung. „Im Weiteren geht es in 15 Fällen um Beihilfevorwürfe zu erheblichen Missbrauchstaten anderer Personen“, sagt der Landgericht-Vertreter: „Die verbleibenden zehn Fälle betreffen ebenfalls Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung, auch gegenüber Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren oder kinderpornographische Schriften.“ In einem Fall davon soll der Angeschuldigte eine Person zu einem schweren sexuellen Missbrauch von Kindern angestiftet haben.

Wie das Landgericht skizziert, soll der Angeklagte Kontakt zu den Familien der Geschädigten auch gezielt durch Babysitter-Online-Plattformen bekommen haben, wo die Eltern der Geschädigten nach Babysittern gesucht haben und er sich als Babysitter angeboten hat.

Wie Jan F. Orth darlegt, geht die Anklage von 13 geschädigten Kindern – darunter mehr Jungen als Mädchen – in einer Altersspanne von elf Monaten bis zu 13 Jahren aus, die durch Marcus R. selbst geschädigt worden sein sollen. Durch die Beihilfe- und Anstiftungstaten, die dem Angeschuldigten vorgeworfen werden, sollen sieben weitere Kinder geschädigt worden sein. In drei Fällen richteten sich die Taten gegen 14-jährige Jungen.

Christian Lange, Anwalt des Angeklagten, kündigte bereits ein „umfassendes Geständnis“ von Marcus R. an. Dieser hatte sich den Ermittlern gegenüber bisher kooperativ und geständig gezeigt. Lange betonte, sein Mandant wolle helfen, so viel wie möglich aufzuklären. „Es wird in dem Prozess keine große Streiterei um einzelne Fälle geben“, blickte der Anwalt aus.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul, als Leichlinger und ehemaliger Lehrer am Gymnasium Wermelskirchen mit den beschaulich-ländlichen Verhältnissen in Rhein-Berg bestens vertraut, gestand nach Bekanntwerden des Tatkomplexes gegenüber unserer Zeitung ein: „Die Dimension hat mich vor allem schockiert. Das war schon ein Hammer, als ich im Dezember 2021 davon gehört habe. Schon damals, als der Haupttäter festgenommen wurde, haben mir die Ermittler signalisiert, dass das wieder ein extrem großer Fall werden wird.“ Allein bei Marcus R. sei die Polizei auf eine gewaltige Datenmenge gestoßen. Das mache das Zehnfache der anfänglichen Durchsuchungsergebnissen im Komplex Bergisch Gladbach aus.

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