Stadtteilserie Oberhonschaft Von Heimat, Sprache und Traktoren

Wermelskirchen · Rudi und Moritz Preyer trennen 63 Jahre. Aber was sie verbindet, ist stärker: Beider Wurzeln liegen in Eipringhausen, am wohlsten fühlen sie sich auf dem Trecker und wenn sie sprechen, dann versteht sie längst nicht jeder.

Mein Wermelskirchen: Oberhonschaft
Foto: Moll, Jürgen/Moll, Jürgen (jumo)

Rudi Preyer sitzt gut gelaunt im Sattel seines alten McCormicks. 14 Pferdestärken. Er steuert die Eipringhauser Felder an. Irgendwas gibt es dort immer zu tun – für ihn und den alten Traktor. Enkel Moritz war vier, als er zum ersten Mal neben seinem Opa auf dem Traktor Platz nahm, heute übernimmt er längst selbst das Steuer. „Eigentlich kann ich mich gar nicht daran erinnern, als ich noch nicht Trecker gefahren bin“, sagt der 20-Jährige.

Die beiden trennen mehr als 60 Jahre, aber wenn sie über Traktoren sprechen, über ihr Zuhause in Eipringhausen, dann klingt das auffällig ähnlich. Rudi Preyer (83) sagt, er habe nie woanders sein wollen. Das Dorf in der Oberhonschaft sei immer sein Zuhause gewesen und in der Stadt wäre er eingegangen. Zwei seiner drei Söhne leben mit ihren Familien, ihm und Ehefrau Etta auf dem großen Hof in Eipringhausen, auch vier seiner sechs Enkel. Moritz hat gerade eine eigene Wohnung auf dem Gelände bezogen, er arbeitet als Industriemechaniker. Drei Preyer-Familien, drei Generationen. „Ich habe hier doch alles drumherum, was ich brauche“, sagt Moritz. Und damit meint der 20-Jährige die Menschen um ihn herum, seine Familie, seine Freunde, die Feuerwehr – und die Traktoren.

Manchmal steht er bei seinen Großeltern in der Stube und ruft: „Ich bin schnell mal im Busch.“ Dann weiß Großvater Rudi, was gemeint ist. Dann schwingt sich Moritz auf den alten Trecker und fährt Richtung Wald, um umgestürzte Bäume zu zerkleinern oder kaputte Zäune zu richten. Damals, als er Moritz den Zweitschlüssel für den alten McCormick gegeben habe, habe er genau eine Regel aufgestellt: „Ich will wissen, wo du bist und wann du wiederkommst.“ Enttäuscht wurde der Großvater nie. Moritz hielt sich an die Regel und legte seit dem hunderte Kilometer mit den beiden Traktoren zurück.

Nur einmal stutzte Rudi Preyer – damals, als der alte Traktor ein neues Kennzeichen brauchte. Moritz übernahm die Anmeldung, kehrte nach Eipringhausen zurück und hatte die Auswahl des Kennzeichens übernommen: GL-MO. Dass er seinen eigenen Kosenamen zum Kennzeichen gemacht hatte, irritierte den Großvater. Aber die Aufklärung folgte auf den Fuß: „Aber nicht doch“, antwortet Moritz damals, „MO steht doch für Moritz und Opa.“ Rudi Preyer strahlt auch heute noch, wenn er die Geschichte erzählt. Ja, sie seien sich wohl ähnlich, sagt er dann. Und Moritz ergänzt: „Das passt einfach.“ Wo die verschiedenen Generationen an ihre Grenzen stoßen, da müsse man eben mal die Faust in der Tasche ballen, sagt Rudi Preyer. „Es wird aber auch schon mal laut“, ergänzt er, „aber danach ist es auch wieder gut.“

Ob gestritten oder gelacht wird, bei Moritz und Rudi Preyer klingt immer der Zungenschlag der Heimat mit. „Egal, wo wir uns treffen, wir kallen Platt“, sagt Rudi Preyer. Die bergische Mundart ist Moritz in die Wiege gelegt worden. „Auch mit meinem Vater und meinem Onkel spreche ich Platt“, sagt der 20-Jährige. Nein, er habe nie mit einem Buch Vokabeln gepaukt. Das halte er auch für beinahe unmöglich. Viele seiner Generation würden den Dialekt verstehen, aber nur ganz wenige sprechen ihn auch. Er habe es einfach schon immer getan. Dann fahren die beiden mit ihren Traktoren weiter auf die Felder – die sie wie ihre Westentasche kennen.

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