Wermelskirchen Keine Spur von jecken Wiewern

Wermelskirchen · Rheinländer werden die City von Wermelskirchen als Karnevals-Diaspora bezeichnen. Kein Sturm auf das Rathaus, kaum kostümierte Jecke und keine Bützje zur Einstimmung auf den Straßenkarneval. Ein Selbstversuch.

Altweiber in Wermelskirchen
31 Bilder

Altweiber in Wermelskirchen

31 Bilder

Pünktlich um 11.11 Uhr stürmen an Weiberfastnacht allerorts im Rheinland die Möhnen und jecken Wiewer die Rathäuser, legen die Bürgermeister in Ketten und fordern lautstark die Herausgabe des Rathaus-Schlüssels zum Zeichen ihrer Machtübernahme. Auslösen können sich die ersten Bürger der Städte nur durch Freibier und Bützje - zwei Küsschen auf die Wange.

In der Wermelskirchener Innenstadt sieht das hingegen ganz anders aus. Auch wenn sich die Dellmänner mit ihrer Nähe zu Köln rühmen - die Flure des Rathauses sind dunkel, nur hier und da hängen ein paar Luftschlangen und Ballons. "Einen Rathaussturm gibt es hier seit einigen Jahren nicht mehr", erklärt Bürgermeister Eric Weik, der sich mit Strohhut und Orden mehr schlecht als recht kostümiert hat.

Noch nicht einmal eine Krawatte zum Abschneiden ziert den schlanken Hals des Verwaltungschefs: "In den vergangenen zwei Jahren hatte ich jeweils eine an, und keine hat sich getraut, die abzuschneiden. Deshalb habe ich dieses Jahr drauf verzichtet", bringt Weik als Entschuldigung vor.

Soll aber nicht heißen, dass der erste Bürger der Stadt ein Karnevalsmuffel ist: "Ich habe die vergangenen zwei Wochen fast durchgefeiert", verrät der Ehrensenator der Dhünner Jecken. Und auch gegen einen Sturm aufs Rathaus hätte er nichts einzuwenden: "Sollte nächstes Jahr jemand vor der Tür stehen, dann werde ich diejenigen auch rein lassen", erklärt Weik.

Ob sich dafür in Wermelskirchen jemand finden lässt, ist allerdings fraglich, denn mit Karneval scheinen die Dellmänner nicht viel am Hut zu haben. Beim Schlendern durch die Innenstadt - verkleidet als Frottee-Kuh - werden einem schon seltsame Blicke zugeworfen, denn kostümierte Jecke sind auf den Straßen Wermelskirchens kaum anzutreffen. Ein Hoffnungsschimmer ist allerdings das Stadt-Café. Schon vor der Tür sind bekannte kölsche Töne zu hören - schallen einem die Lieder der Höhner, Räuber und Bläck Fööss entgegen.

Im Inneren schunkelt ein Teil der Gäste ausgelassen und kostümiert zur Musik, genießt zum Frühstück das ein oder andere Glas Sekt. "Normalerweise treffen wir uns Freitagsnachmittags, aber für Weiberfastnacht haben wir unser Treffen nach vorne verlegt - schließlich ist ja hier nichts los, so dass wir selbst etwas auf die Beine stellen müssen", erklärt ganz keck eine Seniorin - und wäre gern mit stürmen gekommen, hätte sie's gewusst...

Ihrer Kreativität freien Lauf lassen an Karneval auch Edelgard Schellhorn und Christiane Becker von der Bäckerei Schrag. Als Hexen verkleidet, bedienen sie ihre Kunden mit besonderen Köstlichkeiten. "Bei uns gibt es Altbier-Brot, Bailys-Brezeln, Mutzen-Mandeln und Eierlikör-Berliner", zählt Schellhorn auf. Zum Bützen sei sie noch nicht gekommen: "Da ist ja immer die Ladentheke dazwischen, so dass die Männer auf Abstand bleiben."

So feiern die Jecken in der Region: Alles zum Karneval finden Sie in unserem großen Special.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort