Kabarett in der Katt Kabarettistischer Drahtseilakt mit René Sydow in der Katt

Wermelskirchen · Wenn die Kleinkunstbühne bis auf einen Stuhl und ein wenig Licht leer bleibt, vom Kabarettisten einmal natürlich abgesehen, dann muss er gut sein, der Kabarettist. Denn dann hat er nicht viel mehr als sein Wort, auf das er sich berufen kann.

 René Sydow  Bild © Agentur Akzent

René Sydow Bild © Agentur Akzent

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„Am Anfang war das Wort, und das Wort war Aufschwung“, damit begrüßte René Sydow (Bild © Agentur Akzent), Träger des Deutschen Kabarettpreises, folgerichtig das etwa 200 Gäste zählende Publikum in der Kattwinkelschen Fabrik am Freitagabend zu seinem dritten Programm „Die Bürde des weisen Mannes“.

Und tatsächlich hatte Sydow eine ganze Menge an gewichtigem Wort im Gepäck. Worte, die wehtaten und die deutlich machten, dass sowohl Aufschwung als auch Globalisierung zwei Seiten hatten. Er machte zu Beginn klar: „Heute erwartet Sie politisches Kabarett. Zwei Stunden lang. Wenn Sie jetzt Unterleibskomik erwartet haben, dann wird das ein harter Abend.“ Sydow beherrschte die diffizile Gratwanderung des, nicht nur, politischen Kabaretts ganz hervorragend. Er balancierte mit der traumwandlerischen Sicherheit eines Zirkusartisten auf dem dünnen Seil, das den Raum in Komik und Tragik teilte. Wenn er etwa über die bevorstehende Fußball-Weltmeisterschaft in Katar sagte: „Irgendwer muss doch die Arbeit machen, wenn wir Fußball gucken wollen. Vor allem die kleinen Menschen – also die Kinder.“

Spaß sollte man natürlich schon verstehen, auch wenn die Themen noch so ernst waren. Wie etwa die Religion. Fraglos ein Thema, bei dem man sich über die Ernsthaftigkeit für viele Menschen keine Illusionen zu machen brauchte. Und eines, das im Kabarett bestens aufgehoben ist. „Das gehört doch zur Grundausstattung im Kabarett.“ Und so schwadronierte er hemmungslos über die Kirche und ihr Personal. Und schreckte dabei auch vor einfachem Wortwitz nicht zurück – denn er funktionierte: „Wer hat‘s erfunden? Wir Männer. Vatikan heißt nicht umsonst Vati-kan. Das ist ein mittelalterlicher Testosteron-Zirkus. Aber ich will dem Pfaffen keinen Zucker geben.“

Sydow sprang munter durch das, was in Deutschland und der Welt an Verrücktheiten passierte. Und die Worte saßen, was sich im typischen Kabarett-Applaus zeigte – eigentlich begeistert, aber doch leicht zurückhaltend. Denn die Aussagen waren bittersüß. Spontan war Sydow indes auch. Als etwa während einer Tirade über die Unsäglichkeiten des Privatfernsehens das erste Glas im Raum umgeworfen wurde, kalauerte Sydow süffisant: „Ja, da kann einem schon mal die Kontaktlinse aus dem Auge fallen...“ Daran an schloss sich eine Abhandlung darüber, warum Pseudo-Promis wie Micaela Schäfer oder Sylvie Meis und Dokusoaps wie „Teenie Mütter“ eine besonders große Zumutung für jeden Intellekt sind. „Bäume, die man zu früh beschneidet, verharzen schneller... Lassen Sie den ein wenig sacken, er kommt gleich“, sagte Sydow, lächelte verschmitzt und genoss das Gelächter im Publikum.

Er spazierte weiter auf seinem Kabarettseil, trampelte auch einmal lustvoll darauf herum, aber es war dick genug und hielt. Kein Wunder, ist Sydow doch ein Meister seines Fachs.

(wow)
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