Böse Überraschung in Wermelskirchen Jesidin wehrt sich gegen Abschiebung – und wird verhaftet

Wermelskirchen · Weil sie auf ihrer Flucht in Bulgarien registriert wurde, wollte das BAMF eine 22-jährige Jesidin abschieben. Sie leistete Widerstand und wurde verhaftet. So kämpft ihr Verlobter jetzt für eine gemeinsame Zukunft.

 Am Flughafen soll sich die junge Jesidin den Beamten widersetzt haben. Deshalb sei sie nicht ausgeflogen, sondern ins Gefängnis gebracht worden.

Am Flughafen soll sich die junge Jesidin den Beamten widersetzt haben. Deshalb sei sie nicht ausgeflogen, sondern ins Gefängnis gebracht worden.

Foto: dpa/Arne Dedert

Am Montagmorgen um kurz nach sechs klingelte bei Cornelia Seng von der Initiative „Willkommen in Wermelskirchen“ das Telefon. Ein junger Mann aus dem Irak war am anderen Ende und erzählte aufgeregt, dass gerade an der Tür seiner Wohngemeinschaft Mitarbeiter der Ausländerbehörde geklingelt hätten. Sie wollten die junge Frau, die mit ihrem Verlobten ebenfalls in der WG wohnt, mitnehmen. Cornelia Seng machte sich direkt auf den Weg.

Sie kennt den jungen Mann, der seine Freundin vor einiger Zeit um ihre Hand bat. Er lebe seit 2015 in Wermelskirchen, berichtet Cornelia Seng. Seine Freundin, ebenfalls Jesidin aus dem Irak, sei im vergangenen Jahr nachgekommen – nach dem vergeblichen Bemühen um ein Visum. Nach der Erstaufnahmeeinrichtung in Neuss habe sie dann nach Wermelskirchen zu ihrem Verlobten kommen dürfen, erzählt später Norbert Hensel, der das Paar als Ehrenamtlicher begleitet.

Montagfrüh stand dann die Ausländerbehörde des Rheinisch Bergischen Kreises bei dem jungen Paar und deren Mitbewohner vor der Tür. „Das hatten wir nicht erwartet“, sagt Norbert Hensel sichtlich erschüttert, „es ist unüblich, dass alleinstehende, junge Frauen nach Bulgarien abgeschoben werden.“ Im vergangenen Sommer, nach ihrer Ankunft in Wermelskirchen, habe die junge Frau einen Antrag auf Asyl gestellt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) habe dann beschieden: Weil sie auf der Flucht Richtung Deutschland in Bulgarien registriert worden sei, müsse sie auch dort den Asylantrag stellen. Deswegen müsse sie ausreisen. „Dublin 3“ heißt der entsprechende Vertrag, den die EU-Staaten unterschrieben haben. Die junge Frau legte mithilfe einer Anwältin Widerspruch ein und reichte einen Eilantrag nach, um die Abschiebung zu verhindern – die kann nämlich trotz des Widerspruchs vollzogen werden. „Der Eilantrag wurde abgelehnt“, erklärt Hensel. Und das erschreckt ihn. Denn die Anwältin habe bestätigt, dass in vergleichbaren Fällen Eilanträgen zur Klärung des Widerspruchs stattgegeben wurden. „Das Klima verschärft sich“, schließt Hensel, „das BAMF und die Politik reagieren so auf rechte Hetze – und nun ändern sich auch die Urteile der Gerichte.“ Die junge Jesidin habe schließlich ihren Koffer gepackt und die Mitarbeiter der Ausländerbehörde begleitet. Am Flughafen habe sie sich dann den Beamten widersetzt, erzählt Hensel, und deswegen wurde sie nicht ausgeflogen, sondern ins Gefängnis gebracht.

Die Ausländerbehörde des Rheinisch Bergischen Kreises dürfe zu speziellen Fällen keine Auskunft geben, erklärt Pressesprecher Alexander Schiele. Er erläutert aber das Prozedere: Der Kreis führe die Entscheidungen des BAMF aus. Vorher gebe es noch eine Prüfung, ob humanitäre Gründe vorliegen oder andere überzeugende Argumente, um die Abschiebung zu verhindern. Gebe es diese nicht, werde die Abschiebung organisiert. Die Beamten würden von der Zentralstelle für Flugabschiebung Termine erhalten: Meistens würden die Abschiebeflüge am Vormittag stattfinden. Gehe man also von einem Flugtermin um 10 Uhr in Frankfurt aus, dann würden die Mitarbeiter gegen fünf Uhr an der Wohnungstür klingeln. „Eine Abschiebung ist auch für die Ausländerbehörde eine belastende Situation“, sagt Schiele. Meistens hätten die Flüchtlinge vor diesem Moment aber bereits alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft und wüssten, dass die Abschiebung ansteht.

Norbert Hensel und Cornelia Seng bleiben erschrocken zurück – ebenso wie der Verlobte der jungen Frau, der bereits eine Anerkennung hat. Er hatte die 22-Jährige heiraten wollen, sobald sie selbst Papiere gehabt hätte. Das hätte doch ins Gewicht fallen müssen, sagt Cornelia Seng. Und: „Im April hätte die Bundesrepublik den Asylantrag zulassen müssen“, ergänzt Hensel, „dann wäre die junge Frau sechs Monate in Deutschland gewesen.“

Eine alleinstehende, junge Frau nach Bulgarien zu schicken, das bekannt sei für einen menschenunwürdigen Umgang mit Flüchtlingen, sei nicht zu verantworten. „Die Politik muss verstehen, dass eine Mehrheit in der Gesellschaft mit diesen Praktiken nicht einverstanden ist“, betont Hensel. Nun hoffen alle auf eine Möglichkeit, die junge Frau doch noch nach Wermelskirchen zurückholen zu können – noch steht auch die Entscheidung über den Widerspruch aus.

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