Wermelskirchen Jäger retten Kitze vor dem sicheren Tod

Wermelskirchen · In diesen trockenen Tagen steht bei vielen Landwirten der Grünschnitt ihrer Wiesen an. Diese Mahd ist dringend nötig, Für junge Rehkitze, die von ihren Müttern ins tiefe Gras gelegt werden, bedeutet sie aber auch eine große Gefahr.

 Dieses Rehkitz retteten die Jäger auf einer Wiese in Pilghausen vor den Mähmaschinen. Jägerin Silke Steinhausen trug es in den Wald.

Dieses Rehkitz retteten die Jäger auf einer Wiese in Pilghausen vor den Mähmaschinen. Jägerin Silke Steinhausen trug es in den Wald.

Foto: stephan singer

Diese Anstrengung bei hochsommerlichen Temperaturen hat sich gelohnt: In zwei frühen Vormittagsstunden konnten sechs Jäger um Wermelskirchens Hegeringleiter Norbert Drekopf gleich vier Rehkitze auf einer Waldwiese in Pilghausen vor der Mahd retten.

Um den Reh-Nachwuchs nicht der Gefahr der Mähmaschinen auszusetzen, gehen die Jäger in ihren Jagdrevieren mit zwei Varianten vor: Entweder die Wiesen werden vor dem Schnitt des wertvollen Futtergrüns systematisch abgesucht oder es werden "Reh-Scheuchen" aufgestellt. Diese Fahnen erinnern auf den ersten Blick an Vogelscheuchen, das Rascheln der an Pfählen angebrachten Plastiktüten im Wind vertreibt die scheuen Rehe.

 „Im Idealfall muss schon jede Wiese kontrolliert werden“, sagt Hegeringleiter Norbert Drekopf.

„Im Idealfall muss schon jede Wiese kontrolliert werden“, sagt Hegeringleiter Norbert Drekopf.

Foto: Hertgen Nico

Norbert Drekopf ist froh, denn die "heiße Phase" der Rehkitz-Rettung neigt sich dem Ende zu. "Es dreht sich um sechs bis sieben Wochen im Mai und Juni. In dieser Zeit sind die Kitze noch jung." Rehkitze folgen ihrem Muttertier, der Ricke, erst einer Woche nach der Geburt. Vorher bleiben die Jungtiere nahezu regungslos in ihrem Versteck in der hohen Vegetation liegen - instinktiv drücken sie sich bei Gefahr bestenfalls noch tiefer ins Gras, was ihnen jedoch keinen Schutz vor Mähmaschinen gibt.

In dieser Zeit sind die Kitze noch nicht kräftig genug, als das sie auf eigenen Beinen (waidmännisch: Läufe) stehen könnten, das Muttertier besucht den Nachwuchs mehrmals am Tag zum Säugen. Können die Kitze laufen, folgen sie der Ricke und entwickeln das für Rehe typische Verhalten: Bei fremden, ungewohnten Geräuschen ergreifen sie die Flucht.

Die vier geretteten Kitze auf der Wiese in Pilghausen machten genau das deutlich: Drei Jungtiere waren schon alt genug und ergriffen aus eigener Kraft selbstständig die Flucht. "Wir Jäger nennen das Herausdrücken", erläutert Norbert Drekopf. Ein noch ganz junges Kitz blieb seinem Alter entsprechend liegen, was für die erfahrenen Jäger aber kein Problem darstellte. Silke Steinhausen, die als Jägerin im Revier von Drekopf auf die Pirsch geht, streifte sich Gummihandschuhe über, ummantelte das Tier mit Grasbüscheln und trug es beherzt an den Waldrand. Das Muttertier findet das Kitz anhand dessen Rufen übrigens problemlos wieder, wichtig ist nur, dass es nicht nach Mensch riechen darf.

"Im Idealfall muss schon jede Wiese kontrolliert werden", sagt Norbert Drekopf überzeugt. Der Erfolg allein einer Aktion mit vier geretteten Kitzen sei ein deutliches Signal. "Und ein Kitz zu sehen, ist doch schon Motivation genug", kommentiert der Hegeringleiter die Anstrengung.

Schweißtreibend ist das Ganze in jedem Fall, denn das Durchstreifen einer Wiese in einer Linie mit etwa vier Metern Abstand zum Nebenmann im fast hüfthohen Gras ist anstrengend: Steigungen, Senken oder Kuhlen machen das Auftreten schwer, die dichte Vegetation gibt einem das Gefühl, kaum die Füße vom Boden zu bekommen.

"Wir betreiben einen gewaltigen Aufwand, um dem Tierschutz gerecht zu werden", sagt Norbert Drekopf. Er weiß genau, dass die Zeitfenster kurz sind. "Alle schauen in diesen Tagen ständig auf das Wetterradar."

Die Landwirte brauchen zur Mahd trockenes Wetter: Erst beim Mähen, danach zum Trocknen des Schnitts auf der Wiese und schließlich zum Aufsammeln des Materials in loser Form oder zur Vergärung in Plastikfolie verschweißte Ballen als Silage - die Mahd dient als Futter für Nutztiere.

Sind die Wiese gewachsen und das Wetter bringt einige aufeinanderfolgende, trockene Tage, kommen neben den Landwirten auch die Jäger in den 18 Wermelskirchener Revieren in Wallung: Schnell müssen die Wiesen vor der Mahd abgesucht oder die "Reh-Scheuchen" aufgestellt werden - schnelles und spontanes Handeln ist dann angezeigt.

"Jetzt sind alle Kitze auf der Welt, und in wenigen Tagen sind die Jungtiere alt genug für die eigenständige Flucht", berichtet Norbert Drekopf. Erst dann kann er aufatmen, dann sind die Rehkitze sicher.

(sng)
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