Leben im Dorf „Hier muss niemand alleine sein“

Töckelhausen · Idyllische Aussichten, Gemeinschaftsprojekte und Zusammenhalt: In Töckelhausen ist die Welt noch in Ordnung.

 Setzen gemeinschaftlich viele Ideen um: die Dorfgemeinschaft in Töckelhausen.

Setzen gemeinschaftlich viele Ideen um: die Dorfgemeinschaft in Töckelhausen.

Foto: Theresa Demski

Whiskey schlägt Alarm. Das Bellen des kleinen, temperamentvollen Hundes schallt durch Töckelhausen. Er will spielen. Mehr nicht. Während Joao Picarra den Ball über die Felder wirft, flitzt Whiskey bereits los. Er kennt den Ort wie seine Westentasche – und so geht es den meisten Bewohnern hier.

Es ist einer dieser warmen Freitagabende, an denen jeder Moment unter freiem Himmel zählt. Joao Picarra werkelt vor dem Haus, Renate Bender gesellt sich dazu. Viola und Andreas Willinghöfer, die gerade noch mit ihren Söhnen Jasper und Clemens auf der Terrasse direkt am Ortseingang gesessen haben, spazieren über die Straße. Claudia Schumacher und Usch Hennemann, die ein gemeinsames Gartenprojekt auf die Beine gestellt haben, grüßen in die Runde. Und dann kommen auch Sandra und Bert Mittelmann mit ihrer Tochter Hanna dazu. Sie haben vor drei Jahren das freie Baugrundstück in Töckelhausen gekauft – inzwischen sind sie eingezogen. Das Haus ist ihnen zum Zuhause geworden.

„Als wir hier zum ersten Mal abgebogen sind, dachten wir: Kommt da noch was?“ erinnert sich Bert Mittelmann. Da hatte er sich mit Ehefrau Sandra schon unzählige Baugrundstücke angesehen – keines hatte gepasst. In Töckelhausen passte von Anfang an alles. Während sich die Willinghöfers nebenan noch fragten, wer da wohl ein Haus bauen würde, ob das neue Gebäude überhaupt zum Ort passen würde und die Menschen, die es bewohnen wollten, verliebten sich die Mittelmanns in das kleine Dörfchen am Rande der Stadt. „Das Dörfliche, die Stille, die Idylle“, sagt Bert Mittelmann, „das hat uns gereizt.“ Sie kauften das Grundstück und schmiedeten Pläne. „Natürlich waren wir ein bisschen unsicher, was da passieren wird“, sagt Andreas Willinghöfer. Aber dann standen plötzlich Bert und Sandra Mittelmann vor ihrer Tür, um „Hallo“ zu sagen. „Und es passte sofort“, sagt Viola Willinghöfer. Seitdem gehören sie also dazu.

 Idylle im Garten: Claudia Schumacher und Usch Hennemann pflegen den Garten gemeinsam.

Idylle im Garten: Claudia Schumacher und Usch Hennemann pflegen den Garten gemeinsam.

Foto: Theresa Demski

Hanna hat noch ein bisschen Angst vor Whiskey, aber den anderen Dorfbewohnern läuft die Zweijährige bereits strahlend in die offenen Arme. „Gemeinschaft ist hier kein Muss, sondern ein Kann“, sagt Viola Willinghöfer. Und während der Hund den Ball zurückbringt, deuten Viola Willinghöfer und Claudia Schumacher auf den kleinen Fußballplatz, neben dem ein gepflegter Feldweg in den Wald führt. „Früher haben unsere Kinder hier Fußball gespielt“, erzählt Claudia Schumacher. Dann verwilderte der Platz. Gemeinsam haben die Töckelhäuser in den vergangenen Wochen mit angepackt – und inzwischen wird wieder gebolzt. Gleich nebenan haben Claudia Schumacher und Usch Hennemann noch ein anderes Projekt verwirklicht. „Während der Berufstätigkeit fehlt einem so oft die Zeit für den Garten“, sagt Claudia Schumacher. Gemeinsam mit ihrer Nachbarin hat sie nun einen Nutzgarten angelegt. „Der darf ruhig wild sein“, sagen die Frauen. Und er hat ein gemütliches Plätzchen für eine Tasse Kaffee oder ein Gläschen am Abend. Und dann ist jeder willkommen, während nebenan die Schafe blöken, die das Gras zwischen den Tannen abfuttern. „Das ist Töckelhausen“, sagt Claudia Schumacher, „hier muss man nicht alleine sein.“

Inzwischen hat die Dorfgemeinschaft einen weiteren Plan geschmiedet: An der großen Wiese am Ortsausgang – dort, wo jüngst acht Bienenvölker eingezogen sind – soll ein Backhaus entstehen. „Dort können wir uns dann zum gemeinsamen Backen treffen“, sagt Viola Willinghöfer. Wer mag, der kommt. Wer nicht, der bleibt guten Gewissens zuhause. Das gilt auch für das jährliche Osterfeuer, für das Martinssingen, für das Dorffest, zu dem in diesem Jahr auch die Jäger eingeladen werden. Neulich haben die Töckelhäuser ihren ersten Orts-Trödelmarkt veranstaltet. „Und es gibt da diese Liste“, sagt Joao Picarra und lacht. Darauf sind alle Geburtstage der Bewohner vermerkt: „Am frühen Abend steht dann das Dorf zum Gratulieren vor der Tür“, erzählt Viola Willinghöfer, „außer das Geburtstagskind hat sich abgemeldet.“

Inzwischen machen sich Bert, Sandra und Hanna Mittelmann wieder auf den Weg nachhause. Die anderen schließen sich an. Eines sei ihm aber noch ganz wichtig, sagt Joao Picarra dann: „Wir brauchen hier dringend eine Geschwindigkeitsbegrenzung und Poller auf der Straße.“ Auch Viola Willinghöfer kennt diese Momente, in denen sie sich Sorgen um die Kinder macht, weil ein Autofahrer viel zu schnell durch Töckelhausen fährt. Bobbycars und Spielfiguren am Straßenrand sollen Autofahrer sensibilisieren. „Wenn eines unsere Idylle zerstören kann, dann ist das die Verkehrssituation hier“, sagt Picarra. Und dann wirft er den nächsten Ball für Whiskey.

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