Wermelskirchen Händler trifft Bäuerin im Hohlweg

Wermelskirchen · Heimatkunde mal anschaulich vermittelt: Im Hohlweg nahe der Rausmühle zeigen zwei Schauspieler den rund 25 Teilnehmern der Exkursion "Expedition Heimat", wie beschwerlich das Leben im 19. Jahrhundert war.

 Die Schauspieler Heike Bänsch und Bruno Tendera waren engagiert worden, umlebensnah eine Situation im Hohlweg bei der Rausmühle nachzuspielen.

Die Schauspieler Heike Bänsch und Bruno Tendera waren engagiert worden, umlebensnah eine Situation im Hohlweg bei der Rausmühle nachzuspielen.

Foto: Jürgen Moll

Mühselig und beschwerlich war der Weg fast immer, aber oftmals bot er den einzig möglichen Zugang zu tiefer im Tal gelegenen Häusern: Der Hohlweg mitten in der Natur. Bis in das 19. Jahrhundert waren Straßen und Pfade unbefestigt, so dass sich die durch jahrhundertelange Nutzung mit Fuhrwerken und Vieh sowie abfließendes Regenwasser in das umgebene Gelände eingeschnittenen Hohlwege für Händler, Pilger und auch Reisende eine enorme Wichtigkeit hatten.

Von der tief unten im Eifgental gelegenen Rausmühle führt ein solcher Pfad steil hinauf zum Höhenrücken (heute: B51) , der nach Wermelskirchen oder in Richtung Köln führt. Im Rahmen der "Expedition Heimat" bot Archäologin Claudia Holtschneider einen Einblick in die alte Verkehrsverbindung. Mit festen Wanderschuhen, Regenjacken und -schirmen ausgestattet, hatten sich rund 25 Teilnehmer zusammengefunden. Der Boden triefend nass, rutschig und aufgeweicht, prasselnder Regen von oben - nicht für jeden das perfekte Wetter für eine sonntägliche Wanderung. Doch Claudia Holtschneider verriet: "Eigentlich ist dieses Wetter das wirklich beste für die Erkundung eines solchen Hohlweges. Denn nur so kann man nachempfinden, unter welchen Bedingungen die Menschen über Stein und Schlamm gehen mussten und meist noch ihre Karren hinterher zogen."

Lebensgefühl stand im Fokus

Und wie aufs Stichwort schallten den Heimatkundlern laute Rufe entgegen: Mit Kiepe auf dem Rücken zog der fliegende Händler Daniel Rohn durch das Gestrüpp, schleppte Zinnteller und Scheren aus Solingen, Stoff aus Barmen, Steingut aus Frechen mit — die typischen Waren, die ein fliegender Händler vor rund 100 bis 200 Jahren in den Dörfern der Region feilbot. Händler Rohn, verkörpert von Bruno Tendera, hat ein weibliches Pendant: Tenderas Ehefrau, die Schauspielerin Heike Bänsch, verkörpert die Bäuerin Erna Josefine Joest, die stilecht mit Haube, blauem Leinenkleid und derben Holzschuhen durch den Morast watete.

Wer das Schauspiel der beiden verfolgte, wurde nicht mit Zahlen und strategischen Berichten der Feldzüge bombardiert, sondern erfuhr die historische Dimension des 19. Jahrhunderts — reduziert auf das Lebensgefühl der Menschen. "Die Wege im Bergischen sind eine Katastrophe. Die Kölner Chaussee ist noch gut gerichtet, aber sonst?", fragte die Bäuerin mit einem Seitenblick auf Bürgermeister Eric Weik, der auch an der Wanderung teilnahm. Die Pferde zu kostbar für die beschwerlichen Pfade, der Karren zum Ziehen zu schwer: Anschaulicher als die Darstellung der beiden Schauspieler konnte das Lebensgefühl nicht vermittelt werden. "Für mich ist das heute richtige Heimatkunde. Wir wohnen in Tente und ich freue mich, dass wir mehr zu unserem Lebensumfeld erfahren", sagte Birgit Ferrier nach der Wanderung. Weniger beschwerlich ging es für die Teilnehmer anschließend zurück zu ihren Autos - über die geteerte Straße, und nicht über Stauden und Gehölze. Doch wohl alle hatten im Hinterkopf die Worte von Friedrich Schillers Wilhelm Tell behalten: "Durch diese hohle Gasse muss er kommen. Es führt kein anderer Weg nach Küssnacht" - oder eben zur Rausmühle.

(RP)
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