Serie Gotteshäuser: Heute Hünger Von Heimat, Hoffnung und Minusgraden

Wermelskirchen · Die Kirche in Hünger wurde von den Bomben des Zweiten Weltkriegs schwer getroffen. Die Gemeinde baute ihr Gotteshaus wieder auf. Heute hat es viel zu erzählen.

 Ein Blick auf den Altar der Kirche in Hünger. Alle Fotos: Peter Meuter

Ein Blick auf den Altar der Kirche in Hünger. Alle Fotos: Peter Meuter

Foto: Meuter, Peter (pm)

Eine Schalldämmung, die ein bisschen an die Eierkartons aus Jugendkellern erinnert, Poster, ein Schlagzeug, Notenständer und eine E-Gitarre, die an einem Nagel an der Wand hängt: Der ungewöhnlichste Raum in der Kirche in Hünger hat keine Fenster. Er duftet etwas nach der Freiheit des Rock’n’ Roll. Und es braucht nicht viel, um Melodien und Rhythmen zu hören. Früher einmal, da probte in jenem dunklen, etwas versteckten Raum in der Kirche eine Band, die sich „Frozen Sacristy“ nannte. Und der Name war Programm: Denn in dem großen Raum direkt über der Sakristei gab es keine Heizung, aber es gab Musik. Inzwischen liegt hinter der kleinen Kirche eine aufwändige Sanierung, viele Bauarbeiten – aber der dunkle, schallsichere Raum über der Sakristei ist das Reich der Musiker geblieben. Wer hier seinen Rundgang durch das Hüngeraner Gotteshaus beginnt, der bekommt schon einen Eindruck von lebendigem Gemeindeleben.

Erhard Scheidler schließt die Tür zur angrenzenden Empore auf. Es wird wieder etwas heller und bei einem Blick in dem Kirchraum erklärt er: „Früher waren die Wände grau und wir hatten den Eindruck, dass es immer dunkler und bedrückender wurde“, sagt er. Damals beschloss die Gemeinde: Die Kirche braucht eine Sanierung und einen neuen Anstrich. „Heute ist sie hell und freundlich“, sagt Scheidler, der von 1996 bis 2004 Presbyter war und die Sanierung begleitete. Und dann erzählt er, wie während jener Sanierungsarbeiten Ende der 90er Jahre auch die kleine Empore über dem Altar entstanden ist. „Früher war der Bereich mit Glas abgegrenzt“, sagt er, „das hat mich immer ein bisschen an Gaststätten erinnert.“ Das Glas kam raus, aber die kunstvollen Symbole, die in die Scheiben eingearbeitet worden waren, schnitten die Experten aus. Heute hängen sie auf der Empore vor Kopf – und lenken den Blick der Gottesdienstbesucher auf das Wesentliche: die Krone des Schöpfers, die Taube als Symbol für den Heiligen Geist und die Hand als Erinnerung an den Gottessohn. 360 Besucher finden in der Kirche Platz – und jeder von ihnen soll gut sitzen. „Früher waren die Bänke sehr schmal“, sagt Scheidler, „vor allem für ältere Menschen wurde das schnell unbequem.“ Also fand Schreiner Hans Siebel kurzerhand eine Lösung: Jede Kirchenbank verlängerte er ohne große Umschweife um zehn Zentimeter.

Wer früher auf den Bänken Platz nahm, der entdeckte an der Wand die Gedenktafel mit den Namen der Gefallenen des Ersten Weltkriegs – geblieben ist eine Abdeckung mit den Seligpreisungen aus der Bergpredigt. Und auch der Altarbehang hat sich seit damals verändert: Heute hängt ein Altarteppich von Künstlerin Luise Theill im Altarraum, damals war es eine gewebter Vorhang mit grasenden Hirschen, den schließlich die Partnergemeinde in Forst-Eulo bekam. Und auch, wenn sich vieles verändert hat, wer genau hinsieht, kann die Spuren der Vergangenheit entdecken: die Umrisse der alten Kanzel, die Kirchtüre, die zugemauert wurde, den Grundstein, hinter dem sich eine Truhe mit Bibel, Heidelberger Katechismus, Gesangbuch, Zeitung und Gebetswünschen befindet. Und ein paar Schritte außerhalb der Kirchenmauer steht der Grabstein des ersten Gemeindepfarrers. Rudolf Quack hatte im Mai 1898 die erste Predigt in der neuen Kirche gehalten. Von den Bomben des Zweiten Weltkriegs war sie schließlich hart getroffen worden, als Folge stürzte das Dach ein und in den 1950er Jahren musste Aufbauarbeit geleistet werden.

 In der Kirche Hünger gibt es eine Gebetsecke.

In der Kirche Hünger gibt es eine Gebetsecke.

Foto: Meuter, Peter (pm)
 In  Hünger wurde eine schallgeschützte Kinderecke eingerichtet.

In Hünger wurde eine schallgeschützte Kinderecke eingerichtet.

Foto: Meuter, Peter (pm)

Seitdem ist sie vielen Hüngeranern ans Herz gewachsen und auch manch einem Auswärtigem – vielleicht weil sie einen kleinen Spielraum aus Glas für Kinder hat, die dort während des Gottesdienstes keiner hören, aber jeder sehen kann. Vielleicht weil sie als eine der wenigen Kirchen in der Stadt einen Mittelgang hat, den Hochzeitspaare und Beerdigungsgesellschaften gleichermaßen zu schätzen wissen. Oder vielleicht weil der Turm vielen als Orientierungspunkt gilt. „Wenn ich ihn auf dem Rückweg aus dem Urlaub von der Autobahn aus sehe“, sagt Erhard Scheidler, „dann weiß ich: Jetzt sind wir Zuhause.“

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