Serie Traditionsberufe Gärtner durch Zufall, Florist aus Leidenschaft

Wermelskirchen · Wir stellen Handwerksberufe vor, die es schon lange in Wermelskirchen gibt. Heute: Gärtner Reiner Sichelschmidt.

 Reiner Sichelschmidt ist Gärtner und Florist. Der 67-Jährige ist auch heute noch mit Begeisterung tätig.

Reiner Sichelschmidt ist Gärtner und Florist. Der 67-Jährige ist auch heute noch mit Begeisterung tätig.

Foto: Michael Schütz

Wermelskirchen Auf dem Blumengroßmarkt in Köln fühlt sich Reiner Sichelschmidt fast wie zu Hause. Seit Jahrzehnten bezieht er dort die Pflanzen für sein Geschäft in Wermelskirchen-Neuenhaus. Ein "Gärtnerleben" mit Höhen und Tiefen liegt hinter ihm. Seine Ausbildung vor mehr als 50 Jahren war harte Knochenarbeit. "Im ersten Jahr lernst du arbeiten, im zweiten Jahr lernst du arbeiten und im dritten Jahr.

..", Reiner Sichelschmidt führt den Satz nicht zu Ende und schmunzelt. Der 67-Jährige weiß genau, wovon er redet. Bereits sein Vater besaß eine Landschaftsgärtnerei in Dabringhausen. "Mit Hacke, Schaufel und Spaten ist man früher zum Kunden gezogen und hat ihn bedient", erinnert er sich. Er selbst bezeichnet sich als "lustlosen Schüler", der mit 14 lieber eine Lehre beginnen wollte, als in die Schule zu gehen.

"Die Gärtnerlehre war für mich keine Berufung", gibt er offen zu. "Ich dachte mir, ich mach einfach mal." In der damals größten Gärtnerei Europas, Rudolf Pfleger in Hilgen, begann Sichelschmidt seine Lehre. Während seiner dreijährigen Ausbildung übernahm sein Vater einen Gartenbaubetrieb in Wermelskirchen-Neuenhaus. Zusätzlich erhielt er den Auftrag für die Pflege der Friedhöfe Neuenhaus und Hünger.

Aus gesundheitlichen Gründen war er dabei auf die Hilfe seines Sohnes angewiesen. "Nach Feierabend musste ich Gräber mit der Hand ausheben", erzählt Sichelschmidt. "Das war genau das, was ich eigentlich nicht machen wollte." Sein Interesse lag vielmehr in der Floristik. Nach bestandener Meisterprüfung im Gartenbau absolvierte er eine Floristenlehre. "Dieser Berufszweig entstand erst in den 1970er Jahren", erklärt Sichelschmidt.

Zwei Jahre arbeitete er als Florist in Hamburg, während seine Frau und seine Mutter nach dem Tod seines Vaters den Gartenbaubetrieb weiter führten. Nach erfolgreicher Meisterprüfung kehrte Sichelschmidt mit neuen Ideen zurück in die Heimat. Im Floristikbereich sah er eine Marktlücke. "Wir begannen Dinge anzubauen, die man auch verarbeiten konnte." Sichelschmidt traf die richtige Entscheidung. An zahlreiche große Dekorationsaufträge erinnert er sich.

Bis zu 16 Angestellte beschäftigte er während dieser Zeit. "Früher gaben die Leute einfach viel mehr Geld für Blumen aus." Sieben Gärtnereien hätte es damals in Wermelskirchen gegeben, heute sind es nur noch zwei. Die Wende kam zwischen 1990 und 2010. Sichelschmidt erkannte früh genug, dass er seinen Betrieb wieder verkleinern musste. 2005 stellte er die Gärtnerei fast komplett ein. Sein 150 Quadratmeter großer Geschäftsraum schrumpfte auf 80 Quadratmeter.

Ans Aufhören hat er jedoch nie gedacht. "Ich hänge noch immer sehr an meinem Beruf", betont der leidenschaftliche Gärtner und Florist. Den Blumeneinkauf im Kölner Großmarkt liebt er besonders. "Morgens um 3.40 Uhr fahre ich los, und um 6 Uhr bin ich wieder zurück." Eine Fünf-Tage-Woche kennt er nicht, auch samstags und sonntags ist sein Blumengeschäft geöffnet. "Ich habe früher keinen Tag unter 14 Stunden gearbeitet.

" Insgesamt 22 Lehrlinge bildete er in seinem Betrieb aus. 16 männliche und drei weibliche Gärtner sowie drei weibliche Floristen. "Der Gärtnerberuf ist für eine Frau sehr hart", sagt Sichelschmidt. "Man muss körperlich schwer arbeiten, oft bei eiskalter oder sehr heißer Witterung." Wer bei ihm anfangen wollte, konnte vorher eine Woche in seinen Betrieb hineinschnuppern und probeweise mitarbeiten. "Ein künftiger Gärtner oder Florist muss auch schon mal den Ekel überwinden, wenn eine Schnecke oder Raupe in der Pflanze sitzt.

" Für Naturliebhaber sei der Beruf jedoch empfehlenswert. "Man arbeitet sehr viel im Freien und muss sich immer wieder mit der Natur auseinandersetzen." Bei der Ausbildung zum Gärtner stehe das Wissen um die Produktion der Pflanze im Vordergrund. Der Florist sei für ihre Verarbeitung zuständig. Kreativität und ein Gefühl für Farben sind Voraussetzung. "Man sollte künstlerisch Bewegung in Dinge bringen können", sagt der Botaniker.

In seinem Betrieb konnte man das eine wie das andere lernen. Vieles habe sich in den vergangenen Jahren jedoch verändert, vor allem im Bereich der Spritz- und Düngemittel sowie bei den technischen Einrichtungen. Seit 2013 bildet Sichelschmidt nicht mehr aus. Mit vier Angestellten führt er derzeit seinen Betrieb. Rückblickend ist der 67-Jährige froh, dass er diesen Beruf ergriff. "Zum Schluss bin ich schließlich auch innerlich Gärtner und Florist geworden.

(RP)
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