Wermelskirchen Einfach singen!

Wermelskirchen · Zu keiner Zeit singen die Menschen so viel wie an Weihnachten. Katrin Wengler bringt sie auch im Rest des Jahres dazu.

 Wengler in Aktion.

Wengler in Aktion.

Foto: SNG

Es ist so still in ihrer Wohnung. Niemand sagt etwas, kein lautes Auto fährt vorbei, kein Radio summt, keine Waschmaschine brummt vor sich hin, und kein Kind schreit nach Keksen. Lärm ist ja immer so unterschiedlich, aber wenn es still ist, dann ist es einfach still. Katrin Wengler sitzt an ihrem Küchentisch, vor ihr ein Teller selbst gebackener Plätzchen und ein Glas Mineralwasser, und genießt diese Stille. Man kann das eigentlich gar nicht glauben, aber sie mag das, und sie braucht das.

Am Vormittag war Katrin Wengler noch im Kindergarten. Sie arbeitet seit Kurzem einmal pro Woche mit den Kleinen zusammen. Und weil es so kurz vor Weihnachten ist, sind auch die Eltern dabei. Katrin Wengler findet das gut, die Kinder wollen dann zeigen, was sie können. Sie erzählt, wie ein Dreijähriger seine Mutter stets zum Singen anhält. "Aber wir müssen doch noch singen", sagt er dann. Und ein anderer monierte kürzlich die fehlenden Noten. Wie solle er denn bitteschön ohne Partitur die Töne treffen?

Wenn sie solche Geschichten erzählt bekommt, dann weiß Katrin Wengler, dass sie Erfolg hatte. Ihre Berufung, mit der sie auch ein bisschen Geld verdient, ist, Freude am Singen zu vermitteln. In dem Kindergarten vom Vormittag hat das hervorragend funktioniert. In ihrem Chor "Up to date" in Dabringhausen funktioniert das ohnehin. Meistens funktioniert es sogar mit den Konfirmanden. Vielleicht, weil sie so viele Gesangsfreunde um sich hat. Vielleicht aber auch, weil sie einfach einen guten Job macht.

Im Evangelischen Kindergarten, in dem Wengler am Vormittag war, wollten sie alle die alten Weihnachtslieder singen. "Stille Nacht, heilige Nacht", "Ihr Kinderlein kommet", "Vom Himmel hoch", so etwas. "Stern über Betlehem ist der Renner", sagt Katrin Wengler. Fast ein bisschen enttäuscht erzählt sie das, weil sie "Modernes" so mag, wie sie es nennt. Mit ihrem Chor singt sie also bevorzugt zeitgenössischen Gospel, Lieder, die jetzt geschrieben werden, und skandinavischen Gospel, den sie gerade ganz gerne mag. Amerikanischen mag sie nicht so sehr. "Das ist oft drüber", sagt sie.

Aber die Leute lieben die Klassiker. Sonst wären es schließlich keine Klassiker. Weihnachten ist nicht Weihnachten, wenn man nicht "O du Fröhliche" singt. Zu keiner Zeit singen die Menschen so viel wie an Weihnachten. In der Kirche beim Gottesdienst, zu Hause vor dem Baum und der Bescherung. Millionen Deutsche werden zu großen Sängern, wenn die Geburt Jesu Christus gefeiert wird. In der Gemeinschaft, vereint in den Erinnerungen an die Kindheit. Man singt, weil man immer schon gesungen hat. So einfach, so schön.

In Katrin Wenglers Chor singen junge und ältere Menschen, Frauen und Männer, die eigentlich in ihrem Leben gar nicht viel gemein haben. Der eine ist Manager, die nächste Schülerin. Am Dienstagabend treffen sich beide zur selben Zeit am selben Ort und singen zusammen. "Beim gemeinschaftlichen Singen macht man mal etwas gemeinsam", sagt Katrin Wengler und das klingt natürlich wie eine Binsenweisheit. Aber das muss man vielleicht mal festhalten: Ein Chor ist eine Gruppe aus Einzelnen, die sich zusammengeschlossen haben. Sie haben ein gemeinsames Hobby: die Musik.

Der Manager in Wenglers Chor hat sich geärgert, als die Probe vom traditionellen Sonntag auf Dienstag verlegt wurde. Wie sollte er das schaffen, bei all dem Stress? Wengler hat auf ihn eingeredet und ihn überzeugt. Jetzt kommt er meistens abgehetzt und hat sich gerade noch so eine Banane reingeschoben. Nach der Probe geht er entspannt nach Hause. "Das Singen macht den Kopf frei", sagt Katrin Wengler. Und das, obwohl man dabei das Gehirn anstrengen muss. Oder vielleicht auch gerade deswegen.

Während die meisten Menschen nur an Weihnachten singen, singt Katrin Wengler das ganze Jahr über. Und in der Weihnachtszeit ganz besonders viel, da reiht sich Gottesdienst an Gottesdienst an Probe und Auftritt. Gerade standen außerdem die großen Konzerte auf dem Programm. Ein anstrengendes Jahr. Am Heiligen Abend muss sie in zwei Gottesdiensten auftreten und am zweiten Weihnachtstag gleich wieder. "Das ist schon ewig so bei uns", sagt sie. Kein Stress.

Sie hat eine sehr musikalische Familie gegründet, mit zwei Söhnen und einer Tochter. Der eine Sohn in der Pubertät streikt gerade beim Singen, es ist zu uncool. Die Tochter begleitet den Chor am Klavier und spielt Gitarre. Katrin Wengler, die 46 Jahre alte Frau, die "schon immer" in Dabringhausen lebt, wundert sich fast selbst, dass alle so musikalisch sind. Der Achtjährige spielt jetzt Schlagzeug. Sie selbst hatte es schwerer, musste Klavier bei einem alten Freund der Familie im Keller lernen, und sich den Weg in die Musik erarbeiten.

Seit 25 Jahren leitet Katrin Wengler nun ihren Chor und singt parallel noch in einem Chor in Remscheid mit. Ihr Leben ist sehr stark von der Musik bestimmt, aber das Radio stellt sie nicht an. "So bewusst Musik hören, das mache ich eigentlich nicht", sagt sie. Nur die Stücke für den Chor. "Ich bin froh, wenn dann mal Ruhe ist." Sonst singt ja immer jemand, wenn auch zumeist auf ihr Kommando.

Die größte Überraschung: Zur Bescherung wird bei Wenglers nicht gesungen. Kein "O du Fröhliche", kein "Stern über Betlehem." Irgendwann, sagt Katrin Wengler, reicht es ja auch mal.

(her)
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