Vor der konstituierenden Bundestagssitzung Die Regierungsgestalter aus Rhein-Berg
Berlin / Rhein-Berg · Sowohl für Bundestags-Neuling Maik Außendorf (Grüne) als auch für Christian Lindner (FDP) ist in diesen Tagen vieles neu. Beide Abgeordneten sind auf unterschiedlichen Ebenen an den Koalitionsverhandlungen beteiligt.
Der Anruf kam überraschend. „Ich hätte nicht damit gerechnet, als Neuling im Bundestag gleich in einer der Koalitionsgruppen bei der Regierungsbildung mitzuarbeiten“, sagt Maik Außendorf. Der Bergisch Gladbacher hatte im September im dritten Anlauf das Mandat über Listenplatz 18 geholt und sitzt für das Bündnis 90 / Die Grünen nun zum ersten Mal in Bundestag.
Die Berufung als Mitglied der Koalitionsgruppe „Wirtschaft“ unter Leitung von Cem Özdemir stuft Maik Außendorf als Konsequenz seiner beruflichen Erfahrung ein. Der zweifache Familienvater hat mehr als 20 Jahre lang auf unterschiedlichsten Ebenen in der IT-Branche gearbeitet. „Die Sicht aus der Praxis ist bei den Verhandlungen sicherlich nicht verkehrt“. Und noch eine Empfehlung bringt der 50-Jährige mit: Im Stadtrat von Bergisch Gladbach war er – wie jetzt in Berlin – an der Bildung der Ampel-Koalition beteiligt.
„Es prasselt viel Neues auf einen ein, und die Lernkurve ist steil“, sagt Außendorf. Unterstützung, sich im „Neuland Bundestag“ zurecht zu finden, bekommt er von zwei Mitarbeitern in seinem Büro, das er von einer Grünen-Politikerin aus Baden-Württemberg übernommen hat, die nicht wiedergewählt worden ist. Gleiches gilt im Übrigen für das Appartement in der sogenannten Abgeordneten-Schlange, das er übergangsweise bezogen hat. „Bei den Stadtrundfahrten wird immer erzählt, dass in diesem Gebäude eigentlich kein Abgeordneter wohnt – vielleicht zwei oder drei. Und jetzt gehöre ich dazu“, sagt Außendorf und lacht.
Den Weg zwischen Bundestag und Büro sowie seiner Wohnung legt Maik Außendorf – stilecht für einen Grünen-Politiker – im Übrigen größtenteils mit einem Leihfahrrad zurück. „Es gibt zwar eine Fahrbereitschaft für die Bundestagsabgeordneten, aber den habe ich bislang nur einmal ausprobiert, als ich mit einem schweren Koffer unterwegs war.“
Seinen alten Beruf vermisse er aktuell überhaupt nicht. „Die Freude über all das Neue und die Möglichkeit, etwas gestalten zu können, überwiegt das Alte“, gibt Außendorf ehrlich zu. Ihm sei gar nicht bewusst gewesen, dass der Bundestag ein derart Riesenbetrieb sei.
Für einen anderen Bundestagsabgeordneten aus dem Rheinisch-Bergischen Kreis sollte die Arbeit vor der konstituierenden Sitzung am Dienstag aufgrund langjähriger Zugehörigkeit eigentlich bekanntes Tagesgeschäft sein. Dem allerdings widerspricht Christian Lindner – auch für den Fraktionsvorsitzenden der FDP sei aktuell vieles neu: „Es konstituiert sich nicht nur ein neuer Bundestag, es hat auch eine Veränderung der politischen Landschaft gegeben“.
An der Bildung einer neuen Bundesregierung mitwirken zu dürfen, empfindet Christian Linder als große Ehrung – und Verantwortung. „Auch dies durfte ich zwar schon zuvor, aber niemals waren es Gespräche ohne die CDU“. Somit hat der 42-Jährige in den laufenden Koaltionsverhandlungen Neuland betreten. Sein sonst extrem durchgetakteter Terminkalender hatte zuletzt ungewöhnlich viele Lücken, die allerdings für viele spontane Gespräche hinter den Kulissen abseits der großen Runden notwendig waren.