Radrennfahrer aus Wermelskirchen Auf dem Rad hinauf auf den Gipfel

Dhünn · Yannic Distel wäre beinahe Profi geworden: Aber dann entschied sich der Radrennfahrer, sein Hobby nicht zum Beruf zu machen. Trotzdem verbringt er noch viel Zeit im Sattel.

 Yannic Distel im Renneinsatz. Heute fährt er immer noch rund 20.000 Kilometer im Jahr und trainiert dreimal in der Woche nach der Arbeit, um für die Rennen fit zu sein.

Yannic Distel im Renneinsatz. Heute fährt er immer noch rund 20.000 Kilometer im Jahr und trainiert dreimal in der Woche nach der Arbeit, um für die Rennen fit zu sein.

Foto: Holger's Radsport-Fotos

Manchmal tut Radfahren weh. Dann kämpfen sich Sportler am Berg über Kilometer hin zum Gipfel. Dann können Zuschauer den Kampf in ihren Gesichtern lesen und erahnen, dass dem Körper und dem Kopf viel abverlangt wird. „Das ist meine Welt“, sagt Yannic Distel, „die Bergetappen.“ Dann, wenn es steil wird, wenn der schneebedeckte oder sonnenbeschiene Gipfel in der Ferne schon zu sehen ist, dann fährt der 31-Jährige zu Bestleistungen auf. Dann trampelt er, ohne den Blick für die Landschaft völlig zu verlieren. Das geht ihm in seiner Heimat so, wenn er von Dhünn aus Richtung Oberberg trampelt. Und das ging ihm auch damals so, als ihn die Radrennen erst nach Südafrika und dann in die Karibik führten. „Unglaublich“, sagt er heute und denkt dabei auch an die riesigen Fanmengen, die in anderen Ländern den Radsport begleiten. An den Jubel der Menschen, die die Radfahrer ins Ziel brachten.

Diese Atmosphäre war es auch, die Yannic Distel schon als Kind aufmerksam werden ließ auf das Rennrad. „Ich habe die Tour de France geguckt“, erzählt er, „damals, noch lange vor den Skandalen.“ Und er mochte es, die Radfahrer auf ihren Etappen gedanklich zu begleiten, ihnen die Berge hinauf und in die Städte zu folgen. Zu sehen, welche Geschwindigkeiten sie aufnahmen. „Und dann habe ich meine Eltern so lange genervt, bis sie klein beigegeben und mir ein Rennrad gekauft haben“, erzählt der heute 31-Jährige. Bis dahin war er mit dem Mountainbike unterwegs. Das Rennrad eröffnete ihm dann eine andere Welt. Für Einsteiger sei der Start im heimischen Dhünn damals gar nicht so einfach gewesen. „Für ein ambitioniertes Training allerdings ist es perfekt“, sagt Distel, „wenig Ampeln, Steigungen und abwechslungsreiche Strecken.“ Damals allerdings ging es erstmal darum, beim Halten nicht umzufallen und mit den dünnen Reifen klarzukommen.

Und doch, es deutete sich an: „Das könnte meine Sportarten werden“, sagt Distel. Er fand ein Hobby-Team, mit dem er zu trainieren begann, um vorsichtig an einem ersten Rennen teilzunehmen. Rund um Köln. „Damals hatte ich zum ersten Mal eine Nummer auf dem Rücken“, sagt er heute. 500 Leute fuhren dicht an dicht. Das sei gewöhnungsbedürftig gewesen. Und trotzdem wusste er nach dem Rennen: Er wollte mehr davon. Er wollte besser werden. Er zog das Training an und an den Wochenenden fuhren ihn seine Eltern zu Rennen nach Süddeutschland und in den Norden. Und irgendwann entdeckte ihn ein Amateurteam aus Bergisch Gladbach und lud ihn ein, Lizenzrennen zu fahren.

Das war 2009. „Da musste ich nicht überlegen“, sagt er, „im Grunde hatte ich darauf hingearbeitet.“ Und wieder landete er in einer komplett anderen Welt: Am Anfang habe er kein Land gesehen. Die Geschwindigkeiten seien gar nicht deutlich höher gewesen. „Den Unterschied macht der Antritt nach den Kurven“, sagt Distel. Am Anfang traue man sich nicht, schnell um die Kurven zu fahren. Und auch heute noch sei er ganz bewusst einer der Fahrer, die auch im Rennen ihren Verstand nicht ausschalten. Dann wechselte er zum Mini-Team Düren. Damals kamen Materialsponsoren und Trainingslager ins Spiel. Statt der 10.000 Kilometer im Jahr fuhr er plötzlich 25.000 Kilometer.

Die Saison begann Mitte März und endete im Oktober. Er nahm an Rennen in der ganzen Welt teil, machte sich einen Namen und versuchte schließlich eine Saison lang ganz intensiv, auf sich aufmerksam zu machen. Aber dann stand bei einem Rennen eines Tages ein Polizeimotorrad hinter der Kurve und Yannic Distel stürzte: körperliche Blessuren und Hürden im Kopf. „Nach so einem Sturz fährt man anders“, sagt er heute. Als die Bewerbung an der Sporthochschule scheiterte, beschloss er: Radfahren würde seine Hobby bleiben – auf allerhöchster Amateurebene. Er schrieb sich für Städtebau und Regionalplanung an der Uni ein.

Inzwischen fährt er noch rund 20.000 Kilometer im Jahr, trainiert dreimal in der Woche nach der Arbeit. Pünktlich zu den Nachtour-Kriterien mit den Profis, zu den Deutschen Meisterschaften oder zu Bundesligarennen ist er topfit. Es würden immer weniger Rennen ausgerichtet, beklagt er.

Die Faszination ist für ihn dieselbe geblieben, wie damals vor dem Fernseher: „Es ist eine der wenigen Sportarten, bei denen der Reiz des Wettkampfs auf die Schönheit der Landschaft trifft.“

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