Medikamenten-Versorgung in Wermelskirchen Katastrophale Gesundheitspolitik – Apotheker streiken

Wermelskirchen · Die Wermelskirchener Pharmazeuten machen für einen Tag ihre Geschäfte dicht. Sie beteiligen sich am Mittwoch, 14. Juni, am bundesweiten Protesttag. Die Rats-Apotheke übernimmt dann per Notdienst die Versorgung. Der dringende Appell: Bürger sollen sich ihre benötigte Medizin bereits vorher besorgen.

Die Wermelskirchener Pharmazeuten beteiligen sich am  bundesweiten Apotheken-Protesttag (v.l.): Zafer Arslan (Apotheke an der Post), Thomas Winterfeld (Montanus- und Damian-Apotheke) und Ulla Buhlmann (Bergische Apotheke) sowie Udo vom Stein (Rats-Apotheke), der den Notdienst übernimmt.

Die Wermelskirchener Pharmazeuten beteiligen sich am bundesweiten Apotheken-Protesttag (v.l.): Zafer Arslan (Apotheke an der Post), Thomas Winterfeld (Montanus- und Damian-Apotheke) und Ulla Buhlmann (Bergische Apotheke) sowie Udo vom Stein (Rats-Apotheke), der den Notdienst übernimmt.

Foto: Stephan Singer

Das hat es noch nie gegeben: Die Wermelskirchener Apotheken machen ihre Läden dicht. Sie beteiligen sich am Mittwoch, 14. Juni, am bundesweiten Apotheken-Protesttag – per Notdienst sichert an diesem Tag Udo vom Stein mit seiner Rats-Apotheke die Versorgung in Wermelskirchen. Aber, so appellieren vom Stein sowie Zafer Arslan von der Apotheke an der Post, Ulla Buhlmann von der Bergischen Apotheke und Thomas Winterfeld von der Damian- und Montanus-Apotheke: „Alle Patienten sollten sich mit ihren benötigten Medikamenten schon vor dem Protesttag eindecken oder falls möglich auf die Tage danach verschieben.“

Udo vom Stein ist am Mittwoch, 14. Juni, wenn die Apothekerkammer und der Apothekerverband Nordrhein alle Apotheken zur Demonstration gegen die aus ihrer Sicht katastrophale Gesundheitspolitik der Bundesregierung auf dem Burgplatz in Düsseldorf aufgerufen haben, sowie für den Notdienst am Abend eingeteilt – entsprechend übernimmt er ihn auch tagsüber. Dennoch gilt Udo vom Stein damit als Teilnehmer und nicht als Streikbrecher.

„Der Grund für den Protest und unsere Teilnahme ist eine Addition vieler Dinge. Der Lieferengpass bei Medizin und der Medikamentenmangel sind ein Teil davon. Inzwischen ist jedes zweite Rezept von Lieferschwierigkeiten betroffen“, betont Thomas Winterfeld. Und das führe zu einem erheblichen Mehraufwand für die Apotheken, erläutert Ulla Buhlmann: „Wir müssen in jedem Fall eine Lösung finden, meistens mit dem behandelnden Arzt, der das Rezept ausgestellt hat, telefonieren.“

Ganz problematisch seien Antibiotika oder Psychopharmaka, welche in der Regel nicht austauschbare Präparate wären. „Für diesen Mehraufwand will uns die Politik mit 50 Cent pro Fall abspeisen – das ist eine Frechheit. Ich will kein Geld, sondern eine vernünftige Versorgung“; unterstreicht Ulla Buhlmann die Stoßrichtung der Wermelskirchener Apotheker.

Die legen auch Wert darauf zu erklären, dass ihre Streikteilnahme nicht nur aus eigenem Interesse herrührt: „Wir wollen keine Kunden schädigen. Aber wir fühlen uns von der Politik missverstanden. Wir streiken im Interesse unserer Kunden und auch im Interesse unserer Mitarbeiter, die ja ebenfalls unter der Situation leiden.“ Deshalb werden die Mitarbeiter die Apotheken-Inhaber am 14. Juni in die Landeshauptstadt zur Demonstration begleiten. Der Protest sei ein Streik für eine bessere Versorgung und für die in den Apotheken beschäftigten Menschen.

„Letztlich läuft da seit 20 Jahren eine riesige Maschinerie, die sich nicht von heute auf morgen umlenken lässt“, ist Thomas Winterfeld überzeugt. Beteiligt seien daran neben der Politik auch Krankenkassen und Pharmazie-Produzenten. „Die Krankenkassen gängeln uns“, sagt Ulla Buhlmann und nennt als Beispiel die sogenannte Retaxierung. „Dafür gibt es eigens Firmen, die nur nach Formfehlern suchen, um eine Retaxierung durchzusetzen“ beschreibt die Inhaberin der Bergischen Apotheke.

Erst vor Kurzem sei sie von einer Retaxierung über 1800 Euro betroffen gewesen: „Das waren vor längerer Zeit auch schon mal 90.000 Euro.“ Eine Retaxierung, die bedeutet, dass die Krankenkasse nichts oder weniger für ein eingelöstes Rezept bezahlen, greift, wenn die Apotheke beispielsweise einen Formfehler bei der Meldung macht: Das kann unter anderem der Fall sein, wenn keine Angaben zur Dosierung gemacht wurden.

„Es geht da manchmal nur um eine Abkürzung aus zwei Buchstaben, die besagt, dass eine Dosierungsangabe wegen einer Folgemedikation nicht notwendig ist. Fehlen diese Buchstaben, weil sie schlicht vergessen wurden, bekommen wir kein Geld“, beschreibt Udo vom Stein das aus seiner Sicht vorhandene Bürokratie-Monster: „Wir werden wie ein Roboter behandelt, der alles durchkontrolliert in einem engen Zeitkorsett ausführen muss. Kommt da noch das E-Rezept hinzu, dann ist das der Sarg-Nagel für uns.“

Ein weiteres Problem für die Apotheker: „Unter dem Aspekt der Wirtschaftlichkeit handeln die Krankenkasse mit den Herstellern Preise für Präparate aus. Die Folge: Ein Patient einer bestimmten Krankenkasse darf nur das Medikament mit einem benötigten Wirkstoff bekommen, mit dessen Hersteller diese Krankenkasse eine Vereinbarung getroffen hat.“ Ein Austausch des Präparates mit gleicher Wirkung ist ohne Weiteres nicht möglich, ohne dass die Apotheken ihren finanziellen Anspruch verlieren. Die Einschätzung einer Medizin in Kooperation mit den verschreibenden Arzt sei jedoch aufgrund ihres Fachwissens eigentlich originäre Aufgabe der Apotheken.

Zafer Arslan fordert mehr Vertrauen für das Handeln der Apotheken ein und Ulla Buhlmann zeigt sich einig: „Wir sind alle Pharmazeuten. Wir wollen im und für das Gesundheitssystem arbeiten.“ Obendrein würden alle Apotheken von Amts-Apothekern kontrolliert und alle Pharmazeuten hätten ihren Beruf schließlich gelernt. „Jahr für Jahr sterben Apotheken und das ist katastrophal“, stellt Zafer Arslan fest und fürchtet: „Ende diesen Jahres werden es deutschlandweit wieder 400 bis 500 weniger sein.“

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