Wegberg Wissenschaftler simulieren Satelliten-Technik in Wegberg

Wegberg · Europa wird in einigen Jahren ein eigenes Satelliten-Navigationssystem aufgebaut haben - Anwendungen dafür können jetzt in Wegberg und Aldenhoven entwickelt und getestet werden.

Professor Dr. Dirk Abel (l.) und Professor Dr. Malte Brettel, Prorektor der RWTH Aachen, nahmen in Wegberg-Wildenrath zwei Testgelände für die Simulation von Satelliten-Technik in Betrieb. Während in Wegberg die Züge auf dem Siemens-Prüfgelände den Forschern dienen, werden auf dem Testgelände in Aldenhoven Fahrzeuge aller Art eingesetzt.

Foto: Jörg Knappe

/ Aldenhoven Das Schienennetz könnte die doppelte Anzahl an Zügen verkraften - dafür müsste die heutige Technik ergänzt werden durch eine intelligente satellitengestützte Navigation. Über eine große Straßenkreuzung könnte ein Mehrfaches an Autos geleitet werden - wenn die Fahrzeuge eine Satellitensteuerung erlauben würden. Beides klingt nach Visionen - die seit gestern jedoch ein Stück wahrscheinlicher werden können.

Europa baut ein eigenes Satelliten-System auf, das zivilen Zwecken dient und bis zum Jahr 2020 vollständig installiert werden soll. Dessen Funktionsweise, den Schienen- und den Straßenverkehr betreffend, lässt sich seit gestern auf zwei Testgeländen simulieren. Eines in Wegberg-Wildenrath auf dem Gelände des Siemens-Prüfzentrums und eines auf einem eigens erbauten Testgelände für Fahrzeuge in Aldenhoven. An beiden Standorten können noch vor Inbetriebnahme des Galileo genannten Satelliten-Systems für dieses Anwendungen entwickelt und getestet werden. Das Institut für Regeltechnik an der RWTH Aachen, geleitet von Professor Dr. Dirk Abel, nahm gestern im Beisein vieler Unterstützer und Beteiligter beide Testgelände offiziell in Betrieb.

Acht Pseudo-Satelliten wurden in Wildenrath auf bis zu 60 Meter hohen Masten rund um den Eisenbahn-Testring von Siemens errichtet. Aufgebaut wurden zudem Referenz-, Empfänger- und Kontrollstationen. Entstanden war die Idee zu diesen Testgeländen vor acht Jahren im Gespräch zwischen Professor Dr. Abel und Vertretern von Industrie- und Handelskammer Aachen sowie der AGIT, der regionalen Wirtschaftsförderung. "Mit der Inbetriebnahme dieser zwei Testgelände wird nun ein weiterer Schritt in Richtung autonomer Anwendungen für Fahrzeuge und Züge gegangen", erklärte gestern René Kleeßen von der Deutschen Luft- und Raumfahrtagentur, die einer der maßgeblichen Unterstützer der neuen Testgelände wurde. Die DLR ist nicht nur am Aufbau des Galileo-Satelliten-Systems beteiligt, mit dem Europa sich vom amerikanischen, militärisch kontrollierten GPS-System lösen und dieses zum Beispiel in der Genauigkeit übertreffen will, sondern unterstützt ebenfalls die Entwicklung von Anwendungen, die auf dem Galileo-System aufbauen.

Seit gestern arbeiten bundesweit fünf solcher Testgelände, eines in Berchtesgaden, ein Forschungshafen in Rostock, ein Forschungsflughafen in Braunschweig und die neuen in Wildenrath und Aldenhoven. "Deutschland ist mit diesen fünf Einrichtungen bei der Entwicklung von Anwendungen für Galileo sehr gut in Europa aufgestellt", betonte Dr. Oliver Funke von der DLR.

Automatisches Rangieren von Waggons könnte in Zukunft via Satellit möglich werden. Züge könnten in kürzerem Abstand zueinander über die Gleise rollen, weil Galileo es vereinfachen soll, deren genaue Position im Schienennetz zu orten. Und das Autofahren könnte durch Satelliten-Steuerung sicherer werden. Professor Dr. Abel kann sich vieles vorstellen, was auf den beiden neuen Testgeländen entwickelt und erprobt wird. "Wir haben damit die Pole-Position in der Forschung", erklärte der Aachener Wissenschaftler. Die nächsten fünf Jahre bis zur Inbetriebnahme von Galileo sollten intensiv genutzt werden: "Die neue Infrastruktur gilt es jetzt in Entwicklungen und Innovationen umzusetzen."

Für die RWTH Aachen, deren Forscher und Studenten können sich aus Wegberg und Aldenhoven große Chancen ergeben. Sie reichen von der weltweiten Wahrnehmung für die RWTH, die sich Prorektor Professor Dr. Malte Brettel von solchen interdisziplinär angelegten Projekten verspricht; sie gehen über neu gewonnene Erkenntnisse und Innovationen; und sie können bis hin zu jungen Start-up-Unternehmen reichen, die sich aus der Forschungsarbeit heraus gründen könnten. Die Chance dazu scheint da, sagte Professor Dr. Dirk Abel doch: "Bei der großen Industrie scheint unser Thema noch nicht angekommen."

(RP)