Weihnachtsgeschichten aus Wegberg Stille Nacht

Serie | Wegberg · Die Wegberger Autorengruppe Siebenschreiber schenkt unseren Lesern sieben weihnachtliche Erzählungen, so wie diese von Anneliese Baatz.

In der Erzählung von Anneliese Baatz wird die stille Nacht jäh unterbrochen, aber nur für kurze Zeit.

In der Erzählung von Anneliese Baatz wird die stille Nacht jäh unterbrochen, aber nur für kurze Zeit.

Foto: dpa/Michael Kappeler

Es dämmert schon, als ich warm eingehüllt im dicken Wintermantel das Haus verlasse. Mit Mütze, Schal und Handschuhen gefeit vor der eisigen Kälte dieses zu Ende gehenden Wintertages stapfe ich durch die Straßen meiner kleinen Stadt. Ich genieße die Stille. Erfreue mich an den festlich dekorierten Fenstern. Hier und da nehme ich Kinderstimmen wahr. Familien sitzen aufgeregt schwatzend um den Adventskranz versammelt. Manche üben mit ihren Instrumenten die Weihnachtslieder. Es macht sich in mir ein Gefühl unbeschwerter Lebensfreude und weihnachtlicher Stimmung breit.

Ich bin auf dem Weg zu meiner Liebsten. Nach unserem kleinen Streit freue ich mich aufs Wiedersehen. Ich denke an die vielen glücklichen Stunden. Ich vermisse sie so sehr. Wir gehören doch zusammen. Sie gehört doch zu mir. Unsere Beziehung ist so harmonisch. Na ja – bis auf die Eifersucht, mit der ich sie schon so oft verärgert habe. Aber doch nur, weil ich sie so unendlich liebe. Das hab ich jetzt im Griff. Vor drei Wochen hab ich es fest versprochen. Wie konnte ich sie auch so verdächtigen. Ein anderer Mann in ihrem Leben – nein – niemals. Sie hat doch mich.

Heute, an unserem Jahrestag kurz vor Weihnachten, ja heute werde ich sie überraschen. Mein ganzer Körper gerät in Wallung, wenn ich an ihre Liebkosungen denke. Bestimmt hat sie schon lange auf meinen Antrag gewartet. Sie wird sich mir freudig in die Arme werfen. Und dann wird alles wieder gut. Kräftigen Schrittes gehe ich achtlos an der kleinen Kapelle mit dem schon beleuchteten Weihnachtsbaum vorüber und schlage den Weg zum alten Sägewerk ein. Bald schon sehe ich die kleine Hütte oberhalb, die sie sich behaglich eingerichtet hat. Schummriges Licht dringt durch die kleinen Fenster.

Ich streife meine Handschuhe ab, greife in meine Manteltaschen. Ich bin vorbereitet. Gut vorbereitet. Alles ist an seinem Platz. Meine Schritte werden schneller – die Sehnsucht treibt mich voran. Ich denke an ihre blauen Augen, die fürs Lachen und Verlieben gemacht sind. Ich freue mich auf ihr überraschtes Gesicht. Ich stelle mir vor, wie sie mich stürmisch umarmt und mich mit ihren innigen Küssen überwältig. Mein Herz klopft vor Aufregung gegen meine Rippen. Leise drücke ich die Klinke nieder. Das flackernde Licht des Kaminofens wandert über zwei eng umschlungene Körper. Also doch! Warum bin ich nicht überrascht? Die Pistole liegt ruhig in meiner Hand. Zwei Schüsse beenden das Stelldichein. Den Verlobungsring werfe ich ins Feuer. Atme tief durch und trete hinaus in die Nacht.

Stille – ringsum Stille!

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