Wegberg „kein weißer Fleck auf der braunen Landkarte“ Stolpersteine wirken gegen das Vergessen

Wegberg/Erkelenz · Künstler Gunter Demnig verlegte zehn der quadratischen Mahnmale am Holocaust-Gedenktag. Wegberg sei „kein weißer Fleck auf der braunen Landkarte“ gewesen. Weitere Aktionen im Erkelenzer Land.

An drei verschiedenen Stellen in Wegberg erinnern die Stolpersteine von Gunter Demnig an die Opfer des Nationalsozialismus.

An drei verschiedenen Stellen in Wegberg erinnern die Stolpersteine von Gunter Demnig an die Opfer des Nationalsozialismus.

Foto: Willi Meersmann

Die Tür wird jäh aufgerissen, Polizisten stehen plötzlich im Wegberger Klassenzimmer. Sie nehmen den kleinen Kurt Salm mit. Es ist das letzte Mal, dass seine Schulkameraden ihn lebend sehen. Der kleine Junge wird zusammen mit seinen jüdischen Eltern und den drei Geschwistern deportiert, nur sein Bruder Alex wird später überleben und zurückkehren in die Mühlenstadt. Willi Meersmann, früherer Schulleiter des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums, hat das furchtbare Schicksal der Viehhändler-Familie nie vergessen – er war lange Zeit Alex Salms Nachbar, ließ sich erst vor wenigen Tagen von der Verhaftung des Kindes im Klassenraum von seiner 94-jährigen Schwiegermutter erzählen, die damals Kurt Salms Schulkameradin war.

„Er zögerte ein bisschen, als er mitgehen musste“, berichtete Meersmann, als der Berliner Künstler Gunter Demnig jetzt insgesamt zehn Stolpersteine in der Innenstadt verlegte. Seit 1996 hat es sich der 75-Jährige zur Aufgabe gemacht, auf diese Weise an die unzähligen Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Finanziert werden die Aktionen durch private Spenden. An der Venloer Straße befestigte er sechs solcher Steine mit kleinen Messingplatten an der Oberfläche, die die Namen der ehemaligen Bewohner tragen – Erinnerung an Moses und Berta Salm sowie deren vier Kinder Alex, Ilse, Lotte und Kurt.

Stadtarchivar Thomas Düren hatte über viele Umwege – sogar über das englische Nottingham – Angehörige der Familie Salm ausfindig gemacht und zu der gut besuchten Gedenkveranstaltung eingeladen: die Löwensteins aus Mönchengladbach. Sie hatten Sohn Jan-Niklas und Tochter Malin mitgebracht, die mit ihrer Musikgruppe Kompositionen aus dem KZ Theresienstadt sang. Wegberg sei „kein weißer Fleck auf der braunen Landkarte“ gewesen, betonte Bürgermeister Michael Stock in seiner Ansprache. Er sprach von einem „besonderen Tag für Wegberg“ und einem „speziellen Ort in Wegberg“. Davon gibt es jetzt sogar drei. Auch an der nahe gelegenen Fußbachstraße sowie an der Lindenstraße wurden Stolpersteine verlegt, die an Jakob und Irma Salm mit ihrem Sohn Albert sowie an Matthias Eickels erinnern.

Hubert Rütten (l.) und Christoph Stolzenberger am Holocaust-Gedenktag in Erkelenz.

Hubert Rütten (l.) und Christoph Stolzenberger am Holocaust-Gedenktag in Erkelenz.

Foto: Christos Pasvantis

Mädchen und Jungen aus dem Maximilian-Kolbe-Gymnasium, der Schule am Grenzlandring und der Edith-Stein-Realschule verlasen kurze Texte, legten Rosen und bunt bemalte Steine nieder. Der Holocaust sei ein Tiefpunkt der deutschen Geschichte gewesen, machte der 17-jährige Gymnasiast Julius Faller deutlich. Und weiter: „So etwas darf nie wieder passieren. Bei uns und vor allem bei den jüngeren Generationen darf das nicht in Vergessenheit geraten.“ Im Geschichte-Leistungskurs mit Lehrerin Bettina Hayen hatten die Jugendlichen festgestellt, dass die Nazi-Gräueltaten auch in Wegberg stattgefunden hatten. „Die meisten Wegberger wissen nichts über die Geschichte ihrer Stadt“, hat Hannah Marx (17) festgestellt. Bürgermeister Stock betonte, dass man mit dem Verlegen der Stolpersteine „einen Stein ins Rollen bringen“ wolle. „Stolpern heißt: darauf stoßen“, zitierte er Gunter Demnig. Mit den „Steinen der würdevollen Erinnerung“ wolle man die Opfer des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten lassen. In Erkelenz gedachte der Heimatverein der Erkelenzer Lande den Ermordeten am Alten Rathaus.

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