Archäologen stellen ihre Forschung vor Als der Neandertaler bei Kipshoven lebte

Wegberg · Bei Kipshoven lebte der Neandertaler vor 60.000 bis 80.000 Jahren. Archäologe Markus Westphal stellte Forschungsergebnisse vor.

 Die Nachbildung eines älteren Neandertalers, wie sie im Neanderthal-Museum in Mettmann zu sehen ist.

Die Nachbildung eines älteren Neandertalers, wie sie im Neanderthal-Museum in Mettmann zu sehen ist.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Er war wohl breiter aufgestellt als bis vor kurzem angenommen. Vor allem kulturell. Er hatte Totenkult, war Schmuck-Designer, war Höhlenmaler. Und er war bei Kipshoven: der Neandertaler, der Vorzeit-Mensch, der erstmals in der Senkung der Düssel zehn Kilometer östlich der Landeshauptstadt nachgewiesen wurde. Bei Wegberg-Kipshoven an der Bundesstraße 57 hat der Neandertaler vor etwa 60.000 bis 80.000 Jahren gelebt, wie jetzt berichtet wurde.

„Was für ein Anblick!“ Hermann-Josef Heinen als Vorsitzender des Historischen Vereins Wegberg jubelte regelrecht, als er gut 100 Besucher in der Wegberger Mühle zum Vortrag „Die Zeit des Neandertalers im Spiegel der archäologischen Fundplätze rund um Wegberg“ begrüßen konnte, eine der stärksten Besucherzahlen des Vereins überhaupt. Und Nina Kradepohl als zuständige Fachbereichsleiterin der mitveranstaltenden Volkshochschule des Kreises Heinsberg stellte ebenfalls ein steigendes Interesse an Archäologie in der Region fest – und da ist als Referent seit geraumer Zeit Markus Westphal als studierter Fachmann aus Geilenkirchen besonders gefragt. In den vergangenen beiden Jahren legte er mehrfach die Untergrund-Situation in Hückelhoven, Wassenberg, Erkelenz und Wegberg dar. Und der konnte wiederum für Wegberg und Umgebung auf die Forschungs- und Sammelleidenschaft von Christian Fuchs bauen, der zwischen 2013 und 2017 in der historischen Flur „Am Krecklenberg“ genau 99 Fundstücke gemacht hat, die von Wissenschaftlern dem Wirken der Neandertaler vor Ort zugeordnet werden konnten. Zwar keine Skelette oder deren Teile, wie sie Arbeiter eines Kalksteinbruchs im Neandertal 1856 fanden und weitergaben, aber Elemente aus dem Werkzeugbau der Menschengattung, die etwa von 300.000 bis 39.000 vor unserer Zeitrechnung vor allem in Europa gelebt hat. Warum sie ausgestorben ist, so Markus Westphal, ist bisher nicht ergründet.

 Christian Fuchs (r.) sammelte 99 Fundstücke am Krecklenberg bei Kipshoven. Von denen zeigte er Markus Westphal die vier im Vordergrund.

Christian Fuchs (r.) sammelte 99 Fundstücke am Krecklenberg bei Kipshoven. Von denen zeigte er Markus Westphal die vier im Vordergrund.

Foto: Spichartz

Werkzeuge der Neandertaler waren vor allem Faustkeile, die als messerscharfe, behauene Feuersteine bei der Schlachtung und Zerlegung von Jagdtieren und unter anderem bei der Fellbearbeitung große Bedeutung hatten, bei deren Herstellung „Absplisse“ und Trümmer abfielen, die auch „Am Krecklenberg“ liegen gelassen wurden.

Absicherungen ihrer Erkenntnisse sind für Wissenschaftler immer Fundorte in der Nähe des eigenen – und hier sind mit den ehemaligen Ziegeleigruben Dreesen und Dahmen keine zwei Kilometer entfernt im Süden von Rheindahlen die Referenzfundorte. Bei Dreesen wurden sogar Funde über die Neandertaler-Vorgänger gemacht, den Menschentypus „Homo Heidelbergensis“, der von etwa 600.000 bis 300.000 vor unserer Zeit gelebt hat, dessen Überbleibsel bei Heidelberg gefunden wurde und danach als „Homo“, Latein für Mensch, mit der Ortsmarke verbunden benannt wurde.

Westphal legte auch eingehend dar, welche Rolle die verschiedenen Eiszeiten sowohl für die Verbreitung der Menschen-Stufen, der Tiere und der Pflanzenwelt gespielt haben, wobei der Wegberger Raum nie von einer Eisdecke überfrachtet war. Sie hat, von Norden kommend, spätestens nördlich Krefeld Halt gemacht. Von daher tummelten sich hier das Mammut, das Wollnashorn, der Riesenhirsch und das Wildpferd, zu deren Erlegung man Feuersteinpfeilspitzen und zu deren Zerlegung man Feuersteinfaustkeile benötigte.

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