Pfrsischplantage in Wildenrath Der Pfirsich gehört zur Familie Esser

Wildenrath · Bald beginnt die Pfirsichernte bei Rita und Hans Esser in Wildenrath. Verkauft wird nur am Stand an der Heinsberger Straße.

 Hans Esser auf seiner Pfirsichplantage an der Bundesstraße 221neu in Wegberg-Wildenrath.

Hans Esser auf seiner Pfirsichplantage an der Bundesstraße 221neu in Wegberg-Wildenrath.

Foto: Laaser, Jürgen (jl)

Ein Leben ohne Pfirsiche können sich Rita und Hans Esser aus Wildenrath nur schwer vorstellen, aber wenn es nicht mehr anders ginge, hätten sie trotz aller Liebe zu diesem Steinobst keine Bedenken, dieses Leben mit Pfirsichen zu beenden. „Wenn sich aus der Familie niemand finden würde, der unsere kleine Pfirsich-Farm mal übernimmt, weil wir selbst die Pflege nicht mehr leisten können, dann muss die Motorsäge ran. Dann wird unsere Plantage dem Erdboden gleichgemacht“, sagt Rita Esser, die ebenso wie ihr Mann Hans im Rentenalter angekommen ist. Doch insgeheim haben beide die Hoffnung oder gar die Erwartung, dass das rund 1,5 Hektar große Pfirsichparadies mit mehreren Hundert Bäumen irgendwann einmal von Sohn Philipp weiter betrieben, gehegt und gepflegt wird.

Von Kindesbeinen an ist Rita Esser mit Pfirsichen aufgewachsen. Der Vater hatte nach dem Zweiten Weltkrieg die ersten Pfirsichbäume gepflanzt; zu einer Zeit, als es im benachbarten Wassenberg noch 22 Plantagen gab, auf denen der bekannte und beliebte Wassenberger Sämling angepflanzt wurde. Diese uralte Sorte wurde auch in Wildenrath heimisch. „In den 50- und 60er Jahren gab es einen richtigen Boom“, erinnert sich Rita Esser an entsprechende Erzählungen, „ich bin quasi reingewachsen. Der Pfirsich gehörte mit zur Familie.“ Doch irgendwann war der Boom vorbei, geriet der Sämling in Vergessenheit, war die Beschäftigung damit aus der Mode gekommen. Die Gründe für diesen Niedergang möchte Rita Esser nicht hinterfragen, sie schaut lieber auf das, was sie und ihr Mann geschaffen haben.

Die familieneigene Plantage siechte vor sich hin; es war nur eine Frage der Zeit, bis die geerbte Anlage unwiederbringlich verloren war. „Elf Jahre lang konnten wir keine Pfirsiche ernten“, erläuterte Hans Esser, der sich der Erbschaft seiner Frau annahm. Von 1998 bis 2009 war nicht daran zu denken, Pfirsiche in größerer Zahl zu ernten. Doch dann starteten die Eheleute noch einmal durch: Die vorhandenen Bäume wurden bearbeitet und in Form geschnitten. Neue Bäume wurden aus den Steinen gezüchtet und angepflanzt. „Unsere kleine Farm am Rande von Wildenrath wuchs und gedieh“, freut sich Rita Esser. Das ging so weit, dass es sich wieder lohnte, das Obst zu verkaufen. „Die Menschen hatten den Wassenberger Sämling, seinen unvergleichlichen Geruch und seinen herben, eigentlichen Geschmack nicht vergessen. Es war, als hätten sie nur darauf gewartet, dass wir ihn verkaufen.“

Nunmehr bestimmt der Pfirsich den Jahresablauf von Rita und Hans Esser: Im Februar und März werden die Bäume in Form geschnitten, außerdem werden rund 50 Bäume jährlich ausgetauscht. „Wir züchten sie alle selbst“, betont Rita Esser. Neben dem Sämling habe sie auch den roten Blutpfirsich, auch als Weinbergpfirsich, angepflanzt. Die spannendste Zeit ist dann das Frühjahr, wenn die Blüten aufgehen und wenn das Wetter über das Wohl und Wehe der Pfirsiche entscheidet. „Blütenfrost ist Züchterfrust“, sagt Hans Esser lapidar, „wenn der Frost in die Blüte schlägt, ist an einen großen Ertrag nicht zu denken.“

In diesem Jahr ist alles gut gegangen. Die Blüten blieben vom Frost verschont, die Früchte konnten wachsen, selbst die Hitze konnte ihnen nichts anhaben. Tagtäglich sind die beiden Pfirsichliebhaber bei der Arbeit in der freien Natur. Da werden Äste gestützt, Stämme kontrolliert, Früchte entfernt. „Die Arbeit ist keine Mühsal, für uns ist sie Lebensqualität“, sagt Hans Esser. Und außerdem springt ein kleiner Nebenerwerb heraus – wenn denn nicht aus Frost Frust wird.

Es könnte dieses Mal eine gute Ernte werden. Ab Ende August sind für einige Wochen sämtliche männlichen Familienmitglieder und Freunde im Ernteeinsatz, während Rita Esser den Verkauf organisiert. „Nur bei uns am Haus!“, wie sie betont. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass es die leckeren Pfirsiche der Familie Esser nur an der Heinsberger Straße in Wildenrath gibt. „Da gibt es regelrechte Warteschlangen, bevor ich um 14 Uhr die provisorische Verkaufstheke bestücke.“

Reichtümer können und wollen die Eheleute mit ihrem Pfirsichverkauf nicht ernten. „Es ist und bleibt ein Hobby, dessen Kosten durch den Verkauf gedeckt werden.“ Oft schon kamen Anfragen, ob sie das Obst nicht verschicken oder in Geschäften vertreiben wollen, aber ebenso oft kam ihre Ablehnung. „Wir ernten die Pfirsiche baumreif, das heißt, sie haben keine lange Haltbarkeit. Deshalb verkaufen wir nur tagfrische Früchte.“ Die Alternative wäre, das Obst noch unreif zu pflücken und während der Versendung reifen zu lassen. „Das wollen wir nicht.“

Gewissermaßen heißt es: Vom Baum in den Mund. Manche Zeitgenossen übertreiben es dabei aber gewaltig. „Wir können jeden Tag beobachten, dass Menschen an unserer kleinen Plantage vorbeikommen, einen Pfirsich vom Baum reißen, reinbeißen, erkennen, dass er noch knochenhart ist, und ihn dann zu Boden werfen“, bemängelt Hans Esser, „sollen sie doch warten, bis sie sehen, dass wir ernten“, schlägt er den „Obsttestern“ vor. Jeder, der höflich nachfragte, darf selbstverständlich einen reifen Pfirsich vor Ort probieren.

So wird es wohl bis Ende September andauern. Rita Esser wird zum Abschluss der Erntezeit einen letzten Tortenboden backen, ihn mit den letzten roten Blutpfirsichen belegen, für die Schlagsahne sorgen – und dann sitzt sie gemeinsam mit ihrem Mann vor der Hütte in ihrer Plantage und genießt die Zeit in vollen Pfirsichzügen, dabei den Blick schon nach vorne gerichtet, auf das neue Jahr, in dem aus der Pfirsichlust durchaus wieder Züchterfrust werden kann. „Aber so ist das, wenn man mit der Natur lebt“, sagt Hans Esser. Ein wenig Hoffnung und Zuversicht muss sein, auch hinsichtlich der nächsten Generation, die vielleicht doch irgendwann einmal die familiäre Tradition in Wildenrath fortsetzt.

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