Interview mit Maj Kuchenbecker „Wir müssen digitalisierten Unterricht machen“

Wegberg · Maj Kuchenbecker (55) ist die neue Schulleiterin am Maximilian-Kolbe-Gymnasium. Ein Gespräch über die Digitalisierung an deutschen Schulen, ihre Zeit im Londoner Brennpunkt uns das komische Gefühl die eigenen Kinder zu unterrichten.

 Maj Kuchenbecker, hier mit der Klasse 5c während des Englischunterrichts, ist neue Leiterin des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums in Wegberg.

Maj Kuchenbecker, hier mit der Klasse 5c während des Englischunterrichts, ist neue Leiterin des Maximilian-Kolbe-Gymnasiums in Wegberg.

Foto: Ruth Klapproth

Fünf Jahre war Maj Kuchenbecker stellvertretende Schulleiterin am Maximilian-Kolbe-Gymnasium. Nun hat sie die Leitung übernommen – und den Kopf voller Ideen.

Frau Kuchenbecker, wie haben Sie reagiert, als Schulleiterin Barbara Tillmanns ihren Wechsel in die Kölner Bezirksregierung verkündet hat?

Kuchenbecker Es war für uns alle eine große Überraschung. Für mich war eigentlich klar gewesen, dass ich vermutlich bis zu meiner Pensionierung Stellvertreterin bleiben werde. Und dann musste ich plötzlich eine Entscheidung treffen: Was möchte ich überhaupt? Ich habe dann Vor- und Nachteile abgewogen und gemerkt, ich möchte gestalten und Entscheidungen treffen können.

Seit wann sind Sie am Maximilian-Kolbe-Gymnasium Wegberg?

Kuchenbecker Seit dem Jahr 1995. Ich habe zunächst in Berlin studiert und später dann am Goldsmith-College der University of London. In England habe ich dann auch angefangen als Lehrerin zu arbeiten. Als ich zurück nach Deutschland kam, musste ich ein Referendariat als Anerkennungsjahr absolvieren. Das habe ich hier am Gymnasium gemacht.

Nach Ihren Erfahrungen: Wie unterscheidet sich eine deutsche Schule von einer Schule in England?

Kuchenbecker Ich unterrichtete in London an einer richtigen Brennpunktschule, in Thamesmead – ein von Armut gezeichnetes Gebiet im Südosten der Stadt. Viele Kinder hatten es zu Hause sehr schwer: Kriminalität, Prostitution, Drogenprobleme gehörten zum Alltag. Ich habe Deutsch und Französisch unterrichtet, was für diese Schüler nicht so relevant war, weil es in ihrer Lebenswirklichkeit keine Rolle spielte. Für mich war das eine völlig neue Welt.

Und dann kamen Sie 1995 nach Wegberg ans Maximilian-Kolbe-Gymnasium. Vermutlich ein ruhigerer Job?

Kuchenbecker Das war ein ganz anderes Leben und Arbeiten für mich. Unsere Schülerschaft ist sehr offen und wahnsinnig interessiert. Hier war ich als Lehrerin mit dem Wunsch, jungen Menschen etwas beizubringen, ganz anders akzeptiert.

Welche Projekte wollen Sie als neue Schulleiterin angehen?

Kuchenbecker Da gibt es viele wichtige Dinge. Mir liegt die Digitalisierung sehr am Herzen. Ich sehe die Gefahr, dass wir in Deutschland auf diesem Gebiet kaum mithalten können. Meine Tochter war zuletzt für ein Jahr in Amerika und hat dort am ersten Schultag einen Tablet-PC bekommen. Darüber wird dort alles geregelt: Hausaufgaben, Schulbücher, Kontakt mit den Lehrern. Das ist zeitgemäß. Wir müssen digitalisierten, interaktiven Unterricht machen. Aber ich weiß auch, dass wir aus finanziellen Gründen so etwas erstmal nicht bekommen werden. Diese Hürden ärgern mich sehr.

Tablets an deutschen Schulen klingt sehr nach Zukunftsmusik. Was wollen Sie kurzfristig erreichen?

Kuchenbecker Definitiv, dass der Übergang zurück zum G9-Modell gut über die Bühne geht. Bis dieser erste Jahrgang – also die jetzige sechste Klasse – im Abiturjahrgang ist, muss noch sehr viel passieren. Einerseits musste die Umstellung jetzt schnell gehen, auch auf Druck der Elternschaft, andererseits dauert der Umstellungsprozess mit ausgefeilten Lehrplänen per se lange, was sich im Grunde widerspricht. Für die jetzigen Sechser haben wir zum Beispiel die neuen Bücher noch nicht. Sehr wichtig ist es mir auch, dass die drei weiterführenden Schulen näher zusammenrücken, und dass wir unsere gute Arbeit noch bekannter machen.

In NRW hat 2013 der erste G8-Jahrgang sein Abitur gemacht, nun ist die Rückkehr zu G9 beschlossen. Welches Modell finden Sie besser?

Kuchenbecker Ich war G8 gegenüber nicht negativ eingestellt. Mir hat nur nicht gefallen, dass die Schüler mit dem Nachmittagsunterricht stundenmäßig überfordert waren. Das hat dazu geführt, dass viele Kinder ihren Sport oder ihre Musik nicht weitermachen konnten, weil die Nachmittage voll waren. Man hätte im Zuge einer internationalen Harmonisierung ein paar Stunden streichen müssen, dann hätte auch G8 funktioniert. Da das aber nicht passiert ist, bin ich froh über die Rückkehr zu G9.

Aktuell gibt es noch keine Stellvertreterin für Sie. Wie ist da der Stand?

Kuchenbecker Die Stelle ist momentan noch nicht ausgeschrieben, sodass meine Kollegin Petra Negwer aus der erweiterten Schulleitung erstmal mein Stellvertreter-Büro bezogen hat und die Rolle kommissarisch erfüllt. Ich hoffe aber, dass es bald geschieht.

Was macht die Schulleiterin Maj Kuchenbecker eigentlich, wenn sie nicht in der Schule ist?

Kuchenbecker Ich mache gern Kurse in einem Fitnessstudio, wenn es die Zeit erlaubt. Ansonsten lese ich sehr gerne englischsprachige Romane, zum Beispiel von Ian McEwan oder Julian Barnes. Ich geh ins Kino und ins Theater, wandere und reise – auch sehr gern mit der Familie. Ich bin verheiratet und habe fünf Töchter, von denen zwei auch noch an dieser Schule sind, und vier Enkelkinder.

Sie sind Lehrerin für Deutsch, Englisch, Soziales Lernen und Evangelische Religion. Haben Sie Ihre Töchter schon mal unterrichtet?

Kuchenbecker Eigentlich soll das ja nicht sein, aber ein Kollege in Religion fiel aus und es ging nicht anders. Da haben wir das mal getestet – ist aber keine gute Idee. Schulisches und Privates sollte man nicht zu sehr vermischen.

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