Auftritt in Wegberg-Beeck Hettwich – Funkenmariechen und Flügelwesen

Wegberg · Die als „Engel Hettwich“ bekannte Hedwig Sieberichs nimmt in Beeck den Alltag und gesellschaftliche Schieflagen unter die Lupe.

 Hedwig Sieberichs schlüpfte im Laufe des ersten Teils ihres Solo-Kabarettprogramms „Schein-bar normal!“ in die Montur des Engels Hettwich. Das Publikum im Beecker Vincentiushaus war von ihrem Auftritt begeistert.

Hedwig Sieberichs schlüpfte im Laufe des ersten Teils ihres Solo-Kabarettprogramms „Schein-bar normal!“ in die Montur des Engels Hettwich. Das Publikum im Beecker Vincentiushaus war von ihrem Auftritt begeistert.

Foto: Evers, Gottfried (eve)

Stand Hedwig Sieberichs zu Beginn noch als bürgerliche Person auf der Bühne in der unteren Etage des Vincentiushauses, wechselte sie im Laufe des ersten Teils ihres Solo-Kabarettprogramms „Schein-bar normal!“ in die Montur des Engels Hettwich. Welches tiefgreifende Ereignis zum Wandel geführt hatte, verriet sie ihrem Publikum im ausverkauften Haus auch: Der misslungene Versuch eines angedeuteten Spagats als Funkenmariechen hatte derartige Spuren bei ihr hinterlassen, dass sie lieber in die Rolle des Türsteherengels an der Himmelspforte gewechselt ist. Ein fantasievoller Rollen- und Szenenwechsel, der ebenfalls viel Unterhaltungswert hatte.

Der Förderverein St. Vincentius hatte den Auftritt der Kabarettistin ermöglicht. Überwiegend Frauen und viele Männer kamen, um sie wiederzusehen oder neu kennenzulernen. Sie erlebten ein wahres Feuerwerk an Einfällen, schauspielerischen sowie kurzen tänzerischen Einlagen und ausführlichen Redebeiträgen zum Alltag und zu gesellschaftlichen Schieflagen. Dabei stand sie sehr selbstbewusst zu ihren Körpermaßen, trieb immer wieder in Szenen mit Humor die Situation auf die Spitze und präsentierte so genussvoll eine Pointe nach der anderen. Einige von ihr kreierte Bilder brachten dazu mächtig das Kopfkino in Schwung. Zunächst bot ihr Alltag mit dem Ehemann viel Gesprächsstoff. Der schaffte es, vom Schließen des Tankdeckels bis zur Kasse zu vergessen, ihr einen Schokoriegel mitzubringen. Dafür lief sie, wie von Sinnen „Ich will ein Kind von dir“ rufend, mit Handy auf einen weißen Bentley zu, in dem sie Sänger Xavier Naidoo vermutete. Mit betont langsamen Bewegungen stellte Hedwig Sieberichs diese Szene sehr überzeugend dar. Witzig auch die Situation im Nobelschuppen, in dem sich ihr Angetrauter ein 400-Gramm-Steak bestellte, während sie mit Rücksicht auf die angespannte finanzielle Lage eine Bockwurst mit Brot nahm. Der Kellner holte Salz und Pfeffer aus der Hosentasche hervor – angesichts dieser Praktiken verzichtete sie darauf, ihn nach Senf zu fragen.

Regelmäßig war zwischen den komödiantischen Tönen Kritik an gesellschaftlichen Phänomenen zu vernehmen. So gewann sie dem Einpackwahnsinn nur im Fall des lange haltbaren eingeschweißten Hackfleischs scheinbar etwas Gutes ab. Ihre Sammlung von 800 bis 1000 Plastiktüten im Jahr würden zudem nichts an der Umwelt ändern. Als Türsteherengel und seit über 2000 Jahren Dauerverlobte von Petrus machte sie sich für Gleichberechtigung stark und entwickelte gendertaugliche Begriffe wie Jesusi. Und kosmische Energie spielte bei den Autoschlüsseln von Großem oder Kleinem Wagen eine Rolle.

„Schein-bar“ habe keiner den Saal verlassen, stellte die Protagonistin nach der Pause zufrieden fest. Jetzt wieder, anstatt in Engelsmontur, in legerer Alltagskleidung brachte sie die Stimmung mit Szenen wie der aufreibenden Anprobe einer engen Jeggins zu weiteren Höhepunkten. Ihr Besuch im Fitness-Studio in Bauchtänzerinnen-Vollausstattung mit Stirnband und Schellenglöckchen an den Füßen eskalierte, als ihr Laufband einen Zipfel vom Bleiband der Kleidung erfasste. Vor dem bildlichen Auge der Zuhörer entstanden groteske Bilder, die von viel Gelächter begleitet wurden. Das Publikum im Beecker Vincentiushaus stand im Anschluss geschlossen auf und erhielt eine Zugabe.

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