Wegberg Gnadenbrot auf der Weide

Wegberg · Der Bauernhof Michiels in Wegberg-Schwaam hat sich entschlossen, die Milchwirtschaft einzustellen. Bei einem Richtfest präsentierten die Bauern den neuen Unterstand für die Kühe, die ihren Lebensabend bei ihnen verbringen.

 Lebenslanges Wohnrecht für Kühe: Wilma und Heinz Michiels zeigen den neuen Unterstand. Die Bauernfamilie aus Schwaam hat sich nach reiflichen Überlegungen entschlossen, die Milch- und Schlachtwirtschaft einzustellen.

Lebenslanges Wohnrecht für Kühe: Wilma und Heinz Michiels zeigen den neuen Unterstand. Die Bauernfamilie aus Schwaam hat sich nach reiflichen Überlegungen entschlossen, die Milch- und Schlachtwirtschaft einzustellen.

Foto: Jürgen Laaser

Für das Besucherkind war es ein schönes Erlebnis, eine der Kühe beim Richtfest zu füttern. "Das hat Spaß gemacht", sagte es auf der Wiese vor dem Unterstand - dort standen zwei Kisten mit Möhren und Äpfel für die grasenden Tiere bereit. Anlass der kleinen Feier, zu der es zudem Kaffee, Kuchen und Getränke auf dem Bauernhof der Familie Michiels gab: Der neu errichtete, rund 100 Quadratmeter große Unterstand, unter dem die 40 ausgewachsenen Milchkühe zukünftig halbjährig Schutz finden werden.

Ein lebenslanges Wohnrecht soll ihnen auf den Weiden und im Hof geboten werden. "Es war für mich immer schon eine Qual zu sehen, dass die Kühe, die ausgemolken waren, zum Schlachter gingen", erzählte Bäuerin Wilma Michiels, "meiner Meinung nach werden Tiere heutzutage vor allem als Massenprodukt angesehen und nicht mehr als Lebewesen mit Herz und Seele." Nach reiflichen Überlegungen hat sich die Bauernfamilie jetzt entschieden, die Milch- und Schlachtwirtschaft einzustellen. Den 40 erwachsenen Kühen - darunter vier trächtige - und 16 Jungtieren möchten sie zukünftig das zurückgeben, was sie verdient haben. Gleichzeitig bieten Michiels anderen Menschen die Gelegenheit, über ihr eigenes Verbraucherverhalten nachzudenken. "Man sollte sich bewusst und gesund ernähren", bekräftigte Wilma Michiels, "kein Billigfleisch zu essen gehört dazu." Und sie führt Aspekte von Massentierhaltung an. So sei ein Kalb, das im Alter von vier Wochen meist zur Massenaufzucht weggegeben wird, überhaupt nichts mehr Wert. Ebenso würden die Kühe jährlich gedeckt werden, um möglichst viel Milch zu bekommen. Nun möchten sie ihren Kühen einen Lebensabend auf der Weide und im Winterhalbjahr im Laufstall ermöglichen, wobei Sponsoren und Paten für die Unterhaltungskosten gesucht werden. Der massive Unterstand, der noch mit einem Netz gegen Zugluft gesichert werden soll, konnte durch Spenden der Firmen Dachbedeckung Baltes, Holzbau Schreinemachers und SSB Dach und Holz erstellt werden.

Die Landwirtschaft mit Produktion von Getreide, Raps, Kartoffeln und Mais bleibt ebenso wie der Hofladen unverändert bestehen. "Das Projekt ist etwas ganz Besonderes und im Kreis Heinsberg meines Wissens nach einzigartig", meinte Besucher Helmut Fervers. Er verglich es mit dem Gut Aiderbichl mit Gnadenhöfen in Deutschland und Österreich, das ebenfalls Tiere versorgt, die als Nutztiere ausgedient haben. Er habe ein Gut in Deggendorf besucht. "Hier das Projekt ist das Ganze im Kleinen." Abzuwarten sei, wie es sich finanzieren und umsetzen lasse. "Die 30 bis 40 Liter Milch gibt es bald nicht mehr, und es muss trotzdem Futter hergestellt werden", gab er zu bedenken, kann aber die Motivation verstehen. "Es ist ein guter Ansatz, den Tieren über den Nutzen hinaus Leben zu geben und ich verstehe, dass man mitfühlt und den Tieren Gutes tut."

(cole)
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