Serie: 900 Jahre Wildenrath Das Ende der RAF-Air-Base kam 1992

Wildenrath · Irgendwie unheimlich wirkte die Stille, die am 30. Oktober 1992 über dem Wildenrather Flugplatzgelände lag.

 Prinzessin Anne war in 13 Jahren gleich viermal in Wildenrath. Bei ihrem letzten Besuch am 14. November 1989 wurde sie von Bürgermeister Fritz Jakos und Stadtdirektor Horst Soemers (rechts) begrüßt.

Prinzessin Anne war in 13 Jahren gleich viermal in Wildenrath. Bei ihrem letzten Besuch am 14. November 1989 wurde sie von Bürgermeister Fritz Jakos und Stadtdirektor Horst Soemers (rechts) begrüßt.

Foto: Sven Schophoven

Am 30. Oktober 1992 ging die 40-jährige britische Militärgeschichte in Wildenrath zu Ende. Von einstmals weit über 2000 britischen Soldaten hatten sich am 30. Oktober 1992 nur noch 50 mit ihren Frauen auf dem Vorplatz des Hauptquartiers der Royal Air Force Germany (RAF) in Wildenrath versammelt – und einigen kamen die Tränen: Als Stabstrompeter Lee Vivian um 16 Uhr die wehmütigen Klänge des Stücks „Last Post“ blies und der britische Union Jack sowie die bundesdeutsche Fahne eingeholt wurden.

Beendet war die 40-jährige britische Militärgeschichte in Wildenrath, die zwei Jahre zuvor am 13. November 1990 vom Verteidigungsministerium im Unterhaus in London angekündigt worden war. Vorbei war der Fluglärm, gegen den jahrzehntelang protestiert worden war. Vorbei waren Arbeitsplätze für 635 Zivilbeschäftigte. Vorbei waren aber auch viele menschliche Begegnungen und Freundschaften zwischen der heimischen Bevölkerung und britischen Soldaten.

 Sir Winston Churchill im Jahr 1956 in Wildenrath.

Sir Winston Churchill im Jahr 1956 in Wildenrath.

Foto: Stadtarchiv

Diese waren Anfang der 50er Jahre nach Wildenrath gekommen, als sich die RAF für das Gelände entschieden hatte, um hier eine militärische Flugbasis einzurichten. Das riesige Gebiet (400 Hektar wurden landwirtschaftlich genutzt, der Rest war Wald) wurde gerodet, Start- und Landebahnen, Flugzeughallen und Unterkünfte wurden errichtet – bis 1953 der Flugplatz in Betrieb genommen wurde. Die ersten Maschinen waren Canberra-Bomber und Fotoaufklärungsflugzeuge, Pembroke-Transportmaschinen und Lightning-Allwetter-Abfangjäger, die 1968/69 durch zwei Staffeln des in Militärkreisen berühmten Harrier-Senkrechtstarters abgelöst wurden. Damit begannen auch jahrelange Protestaktionen, denn die Harrier sorgten mit lautstarken Starts und Landungen und besonders mit Schwebeflügen über den Ortschaften für erhebliche Belästigungen der Bevölkerung. „Luftterror“ wurde zu einem gängigen Begriff. Bürgerinitiativen gegen Fluglärm bildeten sich, es gab Resolutionen, unendlich viele Beschwerde-Schreiben zwischen den Städten, den britischen und deutschen Militärbehörden.

1976 wurden die Harrier nach Gütersloh verlegt. Allerdings wurde es nicht etwa leise am Himmel über dem Erkelenzer Land, denn es wurden nun zwei Phantom-Staffeln (28 Maschinen) vom Fliegerhorst in Elmpt nach Wildenrath verlegt. Die Demonstrationen gegen Lärmbelästigung gingen unvermindert weiter – daran änderte auch die Anfang der 80er Jahre erlassene Lärmschutzverordnung nichts, wonach Bewohner in bestimmter Flugplatz-Nähe Zuschüsse zum Einbau von Lärmschutzfenstern erhielten. Hoffnung auf ein Ende des Fluglärms keimte auf, als im Frühjahr 1990 bekannt wurde, dass die Briten aufgrund der Ost-West-Entspannung beabsichtigten, zwei ihrer vier RAF-Flugplätze in NRW zu schließen. Der Wassenberger Rat wurde sehr schnell initiativ und forderte am 12. Juni in einer Resolution an Premierministerin Thatcher das Ende der Air-Base, und der Wegberger Hauptausschuss sprach sich am 21. August mit Nachdruck für die Schließung aus – die schließlich am 13. November in London verkündet wurde.

 1976 wurden zwei Phantom-Staffeln (28 Maschinen) vom Fliegerhorst in Elmpt nach Wildenrath verlegt. Die Demonstrationen gegen Lärmbelästigung gingen unvermindert weiter.

1976 wurden zwei Phantom-Staffeln (28 Maschinen) vom Fliegerhorst in Elmpt nach Wildenrath verlegt. Die Demonstrationen gegen Lärmbelästigung gingen unvermindert weiter.

Foto: Josef Schophoven

Damit war in der Bevölkerung auch die Angst vor schweren Unglücken gewichen. Denn die war berechtigt, da es auf dem Militärgelände oder in der weiteren und näheren Umgebung immer wieder Abstürze gab. Besonders schrecklich war ein Harrier-Absturz am 12. Januar 1972 – die Tüschenbroicher Bevölkerung kam knapp an einer Katastrophe vorbei: Drei Minuten nachdem ein vollbesetzter Schulbus die Hauptstraße in Höhe des Hofes Clever passiert hatte, bohrte sich dort die Maschine in den Asphalt. Der Pilot hatte sie noch über die Häuser hinweg manövriert, was ihn das Leben kostete; er konnte sich nämlich nicht mehr mit dem Schleudersitz retten.

Auf schlimme Weise war der Flugplatz auch mit dem IRA-Terror verbunden: In den 80er Jahren verübte die irische Untergrundbewgung zahlreiche Anschläge auf britische Militäreinrichtungen in Deutschland und nahm auch Soldaten in Wildenrath ins Visier. Der traurige Höhepunkt in der Attentatsserie ereignete sich am Abend des 26. Oktober 1989, als ein 34-jähriger Korporal und sein sechs Monate altes Töchterchen auf einem Parkplatz an der Heinsberger Straße in Wildenrath erschossen wurden.

Dagegen lockte die Royal Air Force in Wildenrath alle paar Jahre zigtausend Besucher zu erlebnisreichen Flugtagen an, die aus Sicherheitsgründen jedoch im Jahr 1988 eingestellt wurden. Und interessante Begegnungen zwischen den hiesigen „Stadtoberen“ und dem britischen Königshaus gab es auch: Von Prinz Philip und Prinz Charles über verschiedene Herzöge bis hin zu Prinzessin Anne, die alleine in elf Jahren viermal mit großen Ehren in Wildenrath empfangen wurde und die Einheiten inspizierte. Das ist alles Geschichte. Geschichte, die 40 Jahre lang mit Wildenrath eng verbunden war.

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