Ein Blick in die Ortsgeschichte Als in Effeld der Schmuggel lukrativ war

Effeld · Nicht ohne Grund nennt sich die Effelder Karnevalsgesellschaft „Kaffeemänn“. In einem Gastbeitrag dreht Autor Helmut Preuß das Rad der Geschichte zurück. Unter anderem beschreibt er, wie die Menschen Zöllner überlisteten.

 An der alten Grenze ist heute dieser Schmuggler zu sehen. Die Figur erinnert an den Kaffeeschmuggel im großen Stil.

An der alten Grenze ist heute dieser Schmuggler zu sehen. Die Figur erinnert an den Kaffeeschmuggel im großen Stil.

Foto: Helmut Preuß

Wenn es auf Karneval zugeht, hört man in Effeld statt „Alaaf“ und „Helau“ immer wieder den Ruf „De Baan es kloar“. Aufschluss über die Herkunft dieses nicht alltäglichen Narrenrufs gibt der Name der in den Jahren 1953/54 gegründeten Karnevalsgesellschaft Kaffeemänn.

Effeld liegt immer noch in Grenznähe. Die Zeiten, dass auf den Ortstafeln „Zollgrenzbezirk“ zu lesen war, sind allerdings Vergangenheit. Spricht man in Effeld von den „alten Zeiten“, so kommt zwangsläufig das Thema Schmuggel zur Sprache. Nachdem in der Nachkriegszeit Menschen aus Not und Existenzangst den Kaffeeschmuggel als Volkssport entdeckten, blieb es nach Einführung der D-Mark 1948 vielerorts nicht bei der Selbstversorgung. Schmuggeln wurde lukrativ, dass sich professionelle Banden bildeten. Erst 1953, vor 80 Jahren, endete der im großen Stil angelegte Kaffeeschmuggel, als die Kaffeesteuer von 10 DM/kg auf 4 DM/kg fiel wurde.

Die Effelder hatten für ihre Selbstversorgung glücklicherweise „Et Männke“, ein auf niederländischer Seite in unmittelbarer Grenznähe gelegener Laden mit Gaststätte der Geschwister Harry und Mie. Und dort gab es herrlichen und günstigen Kaffee, wie es ihn auf deutscher Seite nicht gab. Das Problem: Der Grenzübertritt war an dieser Stelle verboten. Nach Holland durfte man nur am offiziellen Grenzübergang mit gültigem Reisepass einreisen – und dies auch nur nach einer gründlichen Kontrolle der Zöllner.

Besucht man heute den Ort und seine Umgebung, stößt man auf gleich mehrere Zeugen der Vergangenheit. Da sind zum einen die an der Schlossstraße und der Schleidstraße gelegenen alten Zollhäuser, die längst von Privatleuten erworben wurden und als Wohnraum genutzt werden, zum anderen aber auch der am Ort vorbeiführende Rur-Ufer-Radweg. Bevor die Radwanderer niederländisches Gebiet erreichen, haben sie an einer unmittelbar vor dem Grenzübergang gelegenen Verweilstation Gelegenheit, eine Pause einzulegen und sich über die Historie dieses alten Schmugglerweges zu informieren. Der auf der Silhouette eines Schmugglers zu lesende Schriftzug lautet: „Hier an der Grenze konnte man früher mit Kaffee bare Münze machen“.

Um den Kaffeeschmuggel ranken sich viele Geschichten. Die seinerzeit in Effeld wenig beliebten Zöllner durften nichts annehmen, doch der Hunger ihrer Angehörigen ließ dies oft vergessen. So wurden die Beamten vor ihren Wochenend-Heimfahrten regelmäßig „geschmiert“. Bei Schlachtungen gab es für die Zöllner auf dem Weg zum Bahnhof Rosenthal Reiseproviant. Bei anderen Gelegenheiten wurde Alkohol spendiert. Stieg die Promillezahl, verrieten die Zöllner ihre Einsatzpläne für die kommenden Wochen. Eine typische Win-Win-Situation.

Auch die Jugendlichen wussten die Situation zu nutzen. Ihr Trick bestand darin, als Vorhut mit prall gefüllten Säcken die Aufmerksamkeit der Zöllner auf sich zu ziehen. Bei Kontrollen war jedoch außer Löwenzahn oder Klee nichts zu finden. Hilferufe der Jugendlichen dienten den Schmugglern als Warnung. Das Ziel ihrer Strategie war damit erreicht. Auch Ablenkungsmanöver anderer Art gab es. Mit einem Pistolenschuss im Wald wurde ein vermeintlicher Angriff auf die Zollstreife vorgetäuscht. Zur Unterstützung des dortigen Kollegen eilten dann alle Zöllner in Schussrichtung, so dass ein unkontrollierter Grenzübertritt am Männke möglich war.

Eine Geschichte ist in Erinnerung geblieben: Seit Generationen war es in Effeld Brauch, dass am Kirmesmontag die Schützenbruderschaft nach der Messe gemeinsam über die Grenze nach „Et Männke“ marschierte. Einmal, um den billigen Genever zu trinken, aber auch um Geld zu sparen. Zudem sollten Harry und Mie etwas verdienen, da sie sich beim alljährlichen Effelder Königsball sehr spendabel zeigten. An einem Kirmesmontag ist es dann vorgekommen, dass der Rückweg „voll beladen“ angetreten wurde. Die dicke Trommel war so schwer, dass sie zu zweit getragen werden musste. Mit pochendem Herzen, aufgeblähten Taschen und spannenden Röcken wurde im Paradeschritt an den sich geehrt fühlenden Zöllnern unkontrolliert vorbeimarschiert.

Dass die Uniformen der Zöllner in der Nachkriegszeit ein fester Bestandteil des Effelder Ortsbildes waren, wissen heute nur noch wenige ältere Einwohner. Zur Ehrenrettung der Effelder sei allerdings gesagt, dass Kaffeeschmuggel in der Nachkriegszeit speziell im Aachener Raum weit verbreitet war. Nicht von ungefähr spricht man noch heute von der Aachener Kaffeefront. Welche Bedeutung der Kaffeeschmuggel hier hatte, belegen das Denkmal „Der Schmuggler“ an der belgischen Grenze bei Mützenich ebenso wie die mit Einnahmen aus dem Kaffeeschmuggel wieder aufgebaute Pfarrkirche in Schmidt, die noch heute im Volksmund „St. Mokka“ heißt.

Helmut Preuß ist ehemaliger Dezernent der Kreisverwaltung Heinsberg und Autor der Effelder Dorfchronik.

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